Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche

Heilpraktiker sollten stärker in die Verantwortung genommen werden

Stuttgart - 22.09.2016, 11:30 Uhr

Patienten wie auch der Berufsstand der Heilpraktiker müssen vor Scharlatanen geschützt werden, sagt Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche. (Foto: Schulz-Asche)

Patienten wie auch der Berufsstand der Heilpraktiker müssen vor Scharlatanen geschützt werden, sagt Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche. (Foto: Schulz-Asche)


Nach dem Tod dreier Krebspatienten eines Heilpraktikers begann eine heftige Debatte um die Gesetze für den Berufsstand. Gegenüber DAZ.online fordert Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche mehr Qualitätssicherung und Patientenschutz – und erwägt die Einführung von Heilpraktikerkammern und einer einheitlichen Ausbildung.

Wie weit dürfen die Kompetenzen von Heilpraktikern reichen, und bedarf der Berufsstand einer geregelten Ausbildung? In Folge des Todes dreier Krebspatienten kurz nach Behandlung durch einen Heilpraktiker in Brüggen-Bracht forderten Politiker aller Fraktionen im Bundestag Reformen und Verschärfungen der geltenden Rechtslage. Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, will zudem die Evidenz-Anforderungen für alternativmedizinische Therapien wie beispielsweise Homöopathie auf den allgemeinen Standard anheben. Gegenüber DAZ.online fordert nun die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche mehr Qualitätssicherung und Patientenschutz. Sie ist in ihrer Fraktion für den Bereich der Alternativmedizin sowie die Gesundheitswirtschaft zuständig.

DAZ.online: Welche Rolle hat die Alternativmedizin für Sie, Frau Schulz-Asche?

Kordula Schulz-Asche: Ich bin der Auffassung, dass die Komplementärmedizin eine gute Ergänzung zur wissenschaftlich belegten Medizin ist. Viele Patienten setzen bereits auf eine Kombination aus Schul- und Komplementärmedizin. Es gibt sehr viele gute Heilpraktiker, die beispielsweise bestimmte Rückenleiden sehr gut behandeln können. Es gibt aber natürlich auch Scharlatane, und es ist nötig, die Verbraucher vor diesen zu schützen.

DAZ.online: Sie meinen den jüngsten Fall, bei dem mindestens drei Patienten eines Heilpraktikers aus Brüggen-Bracht kürzlich nach der Behandlung verstarben?

Schulz-Asche: In dem konkreten Fall müssen wir erstmal die Untersuchungsergebnisse abwarten – aber ich befürchte, dass es sich um Scharlatanerie gehandelt hat. Aus Verzweiflung greifen Krebspatienten zu solchen Angeboten und bezahlen freiwillig sehr viel Geld – insbesondere, wenn man als „austherapiert“ gilt. Gerade die Tumortherapie ist ein Bereich, wo wir genau hinschauen müssen.

DAZ.online: Sehen Sie gesetzlichen Handlungsbedarf? Es gibt ja immer wieder ähnliche Fälle.

Schulz-Asche: Bei dem Heilpraktiker-Gesetz, welches noch aus dem Jahr 1939 stammt, müssen wir genau hinschauen. Von der Logik des Gesetzes her ist es so, dass die Komplementärtherapien nicht schaden dürfen. Wenn ein Heilpraktiker keine vernünftige Diagnostik macht oder Therapien durchführt, die mehr schaden als nützen, ist es vom Gesetz nicht gedeckt. Im Sinne des Patientenschutzes ist es vernünftig, zu schauen, inwieweit das Heilpraktikergesetz reformiert werden muss. Hierfür ist der Bund zuständig, daher haben wir eine Kleine Anfrage gestellt. Wir glauben, dass mehr Transparenz im Sinne des Verbraucherschutzes ist. Mit Schnellschüssen ist niemandem geholfen. 

DAZ.online: Bisher gibt es fast keine Informationen über Heilpraktiker – schon auf Ihre Frage, wie viele es gibt, wird die Bundesregierung kaum antworten können.

Schulz-Asche: Das vermuten wir auch – aber das ist ja ein Zeichen: Wo gibt es das denn, dass ein – ich finde wichtiger – Beruf ohne Beleg und ohne gesellschaftliche Verankerung existiert? Es gibt kaum einen anderen Berufszweig, der derart unreguliert ist und bei dem so unbekannt ist, was dort passiert. Öffentlichkeit hat auch etwas mit Transparenz zu tun. 

DAZ.online: Welche rechtlichen Änderungen fordern Sie konkret?

Schulz-Asche: Die Diskussion um eine Reform des Berufsrechts der Heilpraktiker ist nicht neu. Eine ausführliche Dokumentation halte ich für einen ersten nötigen Schritt, um zu einer besseren Qualitätssicherung, aber auch zu mehr Patientensicherheit zu kommen. Das wird mit einer gewissen Bürokratie verbunden sein, aber es ist zu schaffen. Zudem liegen auch Vorschläge wie die Schaffung einer Heilpraktikerkammer oder eine einheitliche Heilpraktikerausbildung auf dem Tisch, die einer genaueren Prüfung bedürfen.

Für mich steht fest: Bestimmte Behandlungsformen wie chirurgische Eingriffe, die erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Patientinnen und Patienten haben können, müssen immer hohe Evidenz- und Qualitätsstandards erfüllen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Richtigstellung

von Kathrin Hoffmann-Hunte am 23.09.2016 um 11:27 Uhr

Leider wird hier wieder mit viel Unwissen argumentiert.
Alle Heilpraktiker müssen eine harte Prüfung absolvieren, ohne die sie nicht tätig werden dürfen! Diese Prüfung umfasst einen schriftlichen und mündlichen Anteil. Inhaltlich ist die Ausbildung zum Heilpraktiker an das Physikum des Medinzinstudiums angelehnt. Sie können also sicher sein, dass jeder Heilpraktiker fundiertes medizinisches Wissen hat. Im Übrigen ist diese Debatte geradezu lächerlich, wenn man berücksichtigt, dass jährlich zehntausende Menschen durch Behandlungsfehler von Ärzten ums Leben kommen!
Auch muss sich die Schulmedizin endlich einmal die Fragen stellen, warum immer mehr Menschen den Ärzten den Rücken kehren und sich alternativ behandeln lassen wollen. Populismus ist hier absolut fehl am Platz!

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Wie bitte?

von Thomas Westerhoff am 22.09.2016 um 14:39 Uhr

Heilpraktiker vor Scharlatanen schützen? Was ist denn da nicht in Ordnung. Da sich ja leider jeder zum Heilpraktiker machen kann und das selbst ohne jegliche medizinische Fachkenntnis, stellt sich die Frage wer denn der Scharlatan überhaupt ist.

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AW: Heilpraktiker

von Fetija Jasari am 23.09.2016 um 14:01 Uhr

Sehr geehrter Herr Westerhoff,
es kann sich mit nichten jeder zum Heilpraktiker machen,Es gibt eine knallharte schriftliche wie mündliche staatliche Prüfung,die auch von Amtsärtzen überwacht und vorgenommen wird.Es kann niemand n lauen Lenz machen,man muß beweisen,dass man keine Gefahr für die Gesundheit darstellt.Ich fände auch jedwedes nur nach Geld strebendes Verhalten ohne Verantwortung zu übernehmen,unethisch.Ich halte es wie allerhöchstwahrscheinlich 99% aller Heilpraktiker mit dem Hippokratischen Eid.
Eine vernünftige Ausbildung und Ahnlehnung an eine Art Kammer klingt nicht verkehrt.
mit freundlichen Grüßen
Fetija Jasari,Heilpraktikerin für Psychotherapie

Zumutung

von Dr. Hans-Werner Bertelsen am 22.09.2016 um 12:23 Uhr

Das Wiederkäuen der ewig gleichen Worthülsen mutet angesichts der Katastrophen geradzu dumm und unendlich zynisch an. Damit der Scharlatanerie-Sumpf trockengelegt werden kann, brauchen wir kein Bla-Bla, sondern eine Änderung in der Bewertung der Sprechenden Medizin. Und dafür brauchen wir in der Politik Leute mit "Arsch in der Hose". Servile Charaktere haben wir in der Politik mehr als genug.

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/homoeopathie-kongress-bremen-kritik-an-wissenschafts-senatorin-a-1093378.html

Zahnarzt-Heilpraktiker: Legales Töten einer alleinerziehenden Mutter mittles "Alternativmedizin" - ein Erfahrungsbericht

http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2012/02/08/insider-bericht/

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