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Landgericht Mannheim
Prozess wegen Insiderhandels gegen Christoph Boehringer
Christoph Boehringer, Mitglied des Gesellschafterausschusses des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, muss sich derzeit vor dem Landgericht Mannheim wegen des Vorwurfs des verbotenen Insiderhandels verantworten. Der nächste Prozesstermin am 5. Oktober könnte allerdings eine erstaunliche Wende bringen.
Der Prozess vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim wegen angeblichen Insiderhandels macht vor allem wegen eines Namens aufmerksam: Christoph Boehringer, einer von drei Beschuldigten, ist Mitglied des Gesellschafterausschusses von Boehringer Ingelheim und damit des obersten Entscheidungsgremiums des Familienkonzerns. Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender der Boehringer Ingelheim Stiftung. Darüber hinaus ist er als Unternehmer in der Rhein-Neckar-Region tätig und hat beispielsweise die auf die Life-Science- und die chemische Industrie spezialisierte Personalagentur Mediatum in Heidelberg mitgegründet.
Boehringer wird beschuldigt, nicht-öffentliche Informationen aus der Pharmabranche dazu benutzt zu haben, im Jahr 2008 Aktien des Biotechunternehmens Medigene zu verkaufen, ehe Probleme bei der Zulassung des Arzneimittels bekannt wurden. Dadurch soll Boehringer einen Kursverlust von 660.000 Euro vermieden haben.
Darüber hinaus beschuldigt ihn die Mannheimer Staatsanwaltschaft, im Jahr 2011 Insiderinformationen über eine bevorstehende Übernahme der Firma Micromet genutzt zu haben, um daraus resultierende Kursgewinne in Höhe von mehreren Millionen Euro zu erzielen. Zudem soll er den Mitangeklagten Dirk W. über den Deal informiert haben, der damit ebenfalls profitierte.
Schließlich soll Boehringer noch einem Freund, dem ebenfalls angeklagten Olaf G., Geld gegeben haben, damit auch dieser mit Micromet-Aktien handeln konnte. Tatsächlich wurde Micromet Anfang 2012 von Amgen übernommen, der Aktienkurs von Micromet schnellte daraufhin in die Höhe.
Insiderhandel - oder (noch) nicht?
Ein Sprecher der Angeklagten hat die Vorwürfe nach Angaben mehrerer Medien als „unbegründet“ zurückgewiesen. Christoph Boehringer, Dirk W. und Olaf G. hätten sich „völlig korrekt verhalten“ und Entscheidungen getroffen, „die auf eigenständigen Analysen und Bewertungen“ basierten.
Möglicherweise endet der Prozess für die Beschuldigten demnächst schneller als geplant, vielleicht sogar mit einem Freispruch. Denn bei der Eröffnung des Hauptverfahrens verwies Boehringers Rechtsanwalt Tobias Mildeberger auf eine Verzögerung bei der Umsetzung von europäischem in deutsches Aktienrecht. Dadurch habe es Anfang Juli 2016 einen Tag gegeben, an dem die neuen Regeln zum Insiderhandel noch nicht in Kraft gewesen seien, während die alten Regeln nicht mehr gegolten hätten. „An diesem Tag, der 2. Juli, war der Insiderhandel in Deutschland somit straffrei", so der Anwalt.
Das könnte erhebliche Auswirkungen auf den Mannheimer Insider-Prozess haben, in dem es um Delikte aus 2008 und 2011 geht, aber auch für den Insiderhandel insgesamt. Nach Auffassung des Anwalts müsse in allen Fällen, in denen das maßgebliche Gesetz nach einer Tat geändert werde, für das Urteil jeweils das mildeste Gesetz zugrundegelegt werden – in dem vorliegenden Fall also die Straffreiheit, die am 2. Juli gegolten habe.
Ein Gutachten des Staatsrechtlers Professor Wolfram Höfling, aus dem die Anwälte in Mannheim zitierten, komme zu dem Schluss, „dass Insiderhandel, der vor dem 3. Juli 2016 begangen wurde, nicht bestraft werden kann“, berichtet die Allgemeine Zeitung aus Mainz.
Nach Angaben des Rhein-Neckar-Onlinemediums Morgenweb sprach auch Richterin Ursula Charissé beim Prozessauftakt von einer möglichen „Strafbarkeitslücke“, durch die die Vorwürfe nicht mehr verfolgbar wären. „Die Angeklagten wären dann aus rechtlichen Gründen freizusprechen“, sagte sie. Der 5. Oktober könnte für die Beteiligten also spannend werden.
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