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Gerichtsurteil
Therapeutisches Heroin nicht in Eigenregie beschaffen
Der Umgang mit Betäubungsmitteln ist grundsätzlich verboten und strafbar. Wer mit derartigen Substanzen Schmerzen in Eigenregie behandeln will, braucht eine Ausnahmeerlaubnis des BfArM. Das gilt gleichmermaßen für Cannabis und Heroin. Nun stellt der Bundesgerichtshof fest: Auf eine Straffreiheit wegen einer Notstandssituation kann ein kranker Heroinkonsument nicht setzen.
Cannabis zur Schmerzlinderung ist seit Monaten ein Dauerthema in Politik, Rechtsprechung und Medien. Die Akzeptanz für das Betäubungsmittel als Medizin wächst. Doch wie sieht es mit anderen Drogen aus? Auch Heroin kann Schmerzen lindern. Mit dem Fall einer erkrankten Frau, die auf diese harte Droge zurückgriff, hatte sich kürzlich der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zu befassen.
Worum ging es im konkreten Fall? Eine Frau hatte gut 58 Gramm Heroin und 35 Gramm Kokain beschafft – und war dabei aufgeflogen. Doch sie hatte Gründe für den Drogenkauf: Sie wollte damit ihre Schmerzen behandeln, die sie aufgrund ihrer Sarkoidose-Erkrankung erlitt. Die zuvor ärztlich verordneten Schmerzmittel hätten nicht geholfen, ein morphinhaltiges Arzneimittel habe sie nicht einnehmen wollen. Als die Schmerzen zunahmen, habe sie begonnen, Drogen zu konsumieren. Während es ihr mit den Schmerzen nicht mehr möglich gewesen sei, das Bett zu verlassen, sei sie mit den Drogen in der Lage gewesen, zu arbeiten und ihre Kinder zu versorgen.
Die Frau wurde unter anderem wegen unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt und vom Landgericht zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Zugunsten der Angeklagten hatte das Landgericht angenommen, dass es ihr nur um den Eigenkonsum ging. Doch die Frau fand sich mit dem Urteil nicht ab und legte Revision beim Bundesgerichtshof ein. Sie erklärte, ihr Drogenkonsum sei wegen der damit verbundenen Schmerzlinderung gerechtfertigt gewesen.
Legale Möglichkeiten nicht ausgeschöpft
Der Bundesgerichtshof wies das Rechtsmittel jedoch zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Zwar habe durch die Erkrankung eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit der Frau vorgelegen. Dennoch sei der strafbare Umgang mit Betäubungsmitteln nicht durch Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt. Denn: Die Schmerzlinderung hätte auch durch andere Maßnahmen erreicht werden können.
Der Bundesgerichtshof hält der Frau vor, dass zwischen dem Schmerzschub, der zum Drogenkonsum führte, und dem Beschaffen der 58 Gramm Heroin mehr als ein Jahr lag. In dieser Zeit hätte sie keine legalen Möglichkeiten der effektiven Schmerzbehandlung ergriffen. Vielmehr habe sie gleich auf unerlaubte Betäubungsmittel zurückgegriffen. Dabei hätte sie durchaus anders vorgehen können: Zum einen hätte sie sich vom Arzt ein anderes Arzneimittel verschreiben lassen können. Zum anderen wäre es ihr möglich gewesen, ein Genehmigungsverfahren nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz einzuleiten, also eine Ausnahmeerlaubnis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu beantragen.
Auch Heroin kann zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden
Hier macht das Gericht deutlich: Eine solche Ausnahmegenehmigung komme grundsätzlich zur Sicherstellung einer notwendigen medizinischen Versorgung eines Patienten in Betracht. Und zwar nicht nur für Cannabisprodukte, sondern auch für Heroinprodukte, die zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden sollen. Um hier eine Entscheidung zu treffen, wären für das BfArM die von der Rechtsprechung zu Cannabis entwickelten Kriterien maßgeblich. Das heißt insbesondere: Das Heroin müsste die Beschwerden lindern, und ein anderes gleich wirksames und erschwingliches Medikament steht nicht zur Verfügung. Zwar half der Frau das Heroin, auch die Dosierung sei medizinisch nachvollziehbar gewesen. Doch mit dem für die Substitutionsbehandlung zugelassenen Diamorphin stehe ein mit Heroin substanzgleiches Produkt mit gleicher Wirkung zur Verfügung.
Letztlich sei die Frage, zu welchem Ergebnis es geführt hätte, wenn die Frau den Antrag beim BfArM gestellt hätte, für einen Ausschluss der Rechtfertigung über § 34 StGB nicht von Bedeutung, sagten die Richter. Denn das Betäubungsmittelgesetz nehme eine abschließende Bewertung für den unzulässigen Umgang mit Betäubungsmitteln vor, die den Zugriff auf § 34 StGB im Grundsatz ausschließe – auch wenn ein ansonsten unerlaubter Umgang mit erfassten Stoffen zu therapeutischen Zwecken erfolgt.
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2016, Az.: 1 StR 613/15
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