Zulassungsfreiheit von Defekturarzneimitteln

Apotheker siegt vor dem EuGH gegen Hecht-Pharma

Berlin - 26.10.2016, 12:30 Uhr

Weihrauchkapseln können sowohl als Nahrungsergänzungsmittel wie auch als Arzneimittel daherkommen. (Foto: www.weihrauch-apotheke.de)

Weihrauchkapseln können sowohl als Nahrungsergänzungsmittel wie auch als Arzneimittel daherkommen. (Foto: www.weihrauch-apotheke.de)


Dass von Apotheken in begrenzter Menge selbst hergestellte Arzneimittel in Deutschland nicht zulassungspflichtig sind, steht im Einklang mit dem EU-Humanarzneimittel-Kodex. Dies entschied am heutigen Mittwoch die gleiche Kammer des Europäsichen Gerichtshofs, die vor einer Woche das weitaus weniger erfreuliche Urteil zur Rx-Preisbindung gesprochen hatte.

Winfried Ertelt, Apotheker aus dem baden-württembergischen Bisingen, kann eine Woche nach dem schwarzen Mittwoch in Luxemburg aufatmen. Er hat sein „Trostpflaster“ für das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur (Nicht-)Preisbindung für ausländische Versandapotheken bekommen. Derselbe Generalanwalt, Maciej Szpunar, hatte in beiden Fällen plädiert und dieselbe Kammer entschieden – erneut im Einklang, aber diesmal im Sinne der deutschen Apotheken.

Doch worum ging es diesmal? Ertelt stellt selbst Weihrauch-Kapseln in seiner Apotheke her und wirbt auch auf verschiedene Art für diese. Er vertreibt sie als Arzneimittel, besitzt jedoch keine arzneimittelrechtliche Zulassung. Die braucht er nach dem Arzneimittelgesetz auch nicht. Denn es handelt sich um Arzneimittel, von denen er nicht mehr als 100 Packungen am Tag herstellt. Im Jahr 2015 gab der Apotheker lediglich 213 Packungen seiner Kapseln ab. Solche Defekturarzneimittel sind von der Zulassungspflicht ausgenommen (§ 21 Abs. 2 AMG).

Der Firma Hecht-Pharma, die Weihrauchkapseln als Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, war dieses Vorgehen ein Dorn im Auge. Sie mahnte den Apotheker ab. Er sollte nicht mehr für seine Weihrauchkapseln werben. Das Unternehmen stützte sich dabei auf eine Vorschrift des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (EU-Richtlinie 2001/83), die eine generelle Zulassungspflicht für Arzneimittel vorsieht. Wären die Kapseln also doch zulassungspflichtige Arzneimittel, wäre eine Werbung hierfür unzulässig nach dem Heilmittelwerbegesetz und könnte verboten werden. Weil Ertelt nicht nachgab, folgte ein rund fünfjähriger Rechtsstreit. Dieser wurde nun in Luxemburg beendet.

Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG geregelte Ausnahme von der generellen Zulassungspflicht mit dem Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel vereinbar ist. Schon der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen dafür plädiert, dass dies so ist. Und auch diesmal ist das Gericht seinen Argumenten gefolgt.

Die Erste Kammer ist mit Szpunar der Meinung, dass die handwerkliche Kleinherstellung von Arzneimitteln in der Apotheke – wie sie aus Sicht der Kammer im gegebenen Fall vorliegt – nicht unter die fragliche Richtlinie fällt. Denn diese erfordert gerade, dass die Humanarzneimittel „entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt“. Die Richter verweisen darauf, dass die zulässige Höchstmenge offizinaler Zubereitungen im Arzneimittelgesetz auf 100 Packungen an einem Tag begrenzt ist. Der Generalanwalt habe in seinen Schlussanträgen bereits ausgeführt, dass diese Obergrenze ausschließe, „dass die Herstellung offizinaler Zubereitungen im Rahmen der in Deutschland bestehenden Regelungen einen Umfang erreicht, der als bedeutend eingestuft und unter den Begriff ‚industrielles Verfahren‘ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 gefasst werden kann“.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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5 Kommentare

Frage

von Lisa Müller am 27.10.2016 um 19:38 Uhr

Da ich derzeit für mein 3. Staatsexamen lerne, würde mich wirklich dringend interessieren, ob dieses Urteil nun auch bedeutet, dass man Defekturen ohne ärztliche Verordung herstellen darf. So liest es sich nämlich für mich. Rezepturen sind ja gar kein Problem (sofern die Bestandteile nicht rezeptpflichtig sind), aber bei Defekturen ging ich bisher davon aus, dass dies nicht möglich sei. Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.

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AW: Frage

von Kirsten Sucker-Sket am 31.10.2016 um 16:03 Uhr

Verzeihen Sie die späte Antwort auf Ihre Frage. Dafür habe ich auch nochmal beim LAV nachgehakt. Das Ergebnis:
Das EuGH-Urteil in Sachen Defekturen bedeutet nur, dass alles so bleibt wie es ist. D. h. für eine Herstellung im Wege der Defektur bedarf es keiner Zulassung. Auch ist nicht in jedem Fall eine ärztliche Verordnung erforderlich. Es reicht nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG der Nachweis der "häufigen" ärztliche Verordnung. Dann können im Rahmen der Defektur (sog. 100er Regelung) bis zu 100 anwendungsfertige Einheiten hergestellt werden. Das Urteil erhält also den Statur quo.

Urteil Weihrauch

von Susanne Klein am 27.10.2016 um 11:06 Uhr

Hier hat "David" nun doch gegen eine "Goliath" gesiegt. Schön dass es das noch gibt. Es ist bestimmt ein Erfolg der auf eine gute Vorbereitung und die Ausdauer-Fähigkeit des Apothekers und sein Team beruht. Somit beibt den Patienten der Weihrauch auch in wirksamer Form erhalten.
Herzlichen Glückwunsch.

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Endlich

von norbert brand am 27.10.2016 um 7:53 Uhr

Endlich einmal etwas Positives für das EINZIGE, was alle anderen im Vergleich zu uns Apothekern eben nicht dürfen und können: Arzneimittel herstellen. Es wäre fatal gewesen, wenn uns die x-beliebigen wildwüchsigen NEM-Heinis hätten vorschreiben lassen, was wir zu tun und zu lassen haben. Bravo lieber Herr Ertelt!!

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Urteil

von Frank Ebert am 26.10.2016 um 15:00 Uhr

Super !

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