Vorbeugend oder zur Behandlung

Kann Paracetamol bei Neugeborenen Schmerzen lindern?

Stuttgart - 18.11.2016, 07:00 Uhr

Kann Paracetamol bei Neugeborenen Schmerzen lindern? (Foto: Herrndorff / Fotolia)

Kann Paracetamol bei Neugeborenen Schmerzen lindern? (Foto: Herrndorff / Fotolia)


Blutabnahme für das Neugeborenen-Screening oder nach einer Entbindung, wo Zange oder Saugglocke zum Einsatz kommen: Auch gesunde Neugeborene haben Schmerzen. Dazu kommen die, die aufgrund eines operativen Eingriffs oder einer Untersuchung eine Analgesie benötigen. Ein Cochrane-Review ging der Frage nach, ob der Einsatz von Paracetamol in dieser Altersgruppe zu empfehlen ist. 

Das Review untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Paracetamol für die vorbeugende Schmerzbehandlung bei Eingriffen sowie die Schmerzstillung nach Operationen in der Klinik. Verglichen wurde die Wirksamkeit verschiedener Dosen und Verabreichungsformen (enteral, intravenös oder rektal).

In das Review wurden die Daten von neun Studien mit  geringem Risiko für systematische Fehler miteinbezogen, die Paracetamol zur Schmerzbehandlung bei insgesamt 728 Kindern einsetzten. Verglichen wurde gegen Placebo oder andere schmerzreduzierende Interventionen. Die untersuchten schmerzhaften Prozeduren waren ein Nadelstich in die Fußsohle (Anmerk. Redaktion: zur Blutentnahme beim Guthrietest, der Bestandteil des Neugeborenenscreening ist), Anwendung von Geburtszange oder Saugglocke bei vaginaler Geburt, Untersuchung des Auges auf Retinopathie bei Frühgeborenen sowie postoperative Zustände. 

Die Ergebnisse der einzelnen Studien konnten nicht in einer Metaanalyse verglichen werden, da die schmerzhaften Prozeduren, die Gaben von Paracetamol und den Vergleichsinterventionen sowie die Messart der Ergebnisse unterschiedlich waren. 

Bei Augenuntersuchung und Fersenpiekser 

Paracetamol verglichen mit Wasser, nach Kirsch schmeckende Zuckerlösung (beides Placebo) oder Emla Creme (Lidocain und Prilocain) reduzierte den Schmerz nach einem Fersenpiekser nicht signifikant. Die Gruppe, die Paracetamol bekam, zeigte sogar eine stärkere Schmerzreaktion als die Gruppe, die eine Zuckerlösung erhielt.

Paracetamol reduzierte nicht die Schmerzen von Kindern, die mithilfe einer Saugglocke oder Geburtszange zur Welt kamen und deren Reaktion auf einen späteren Fersenpiekser an Geburtstag zwei bis drei war stärker als mit Placebo. Bei der Augenuntersuchung zeigte Paracetamol Wirksamkeit bei der Schmerzreduktion verglichen mit Wasser in einer Studie, aber die Schmerzreaktion war stärker bei den Paracetamol-behandelten Kindern als bei Kindern, die eine 24-prozentige Zuckerlösung erhielten. Bei Kindern, die einer großen Operation an Brust oder Bauch unterzogen wurden, hatten die mit Paracetamol und Morphin Behandelten innerhalb der ersten 48 Stunden nach der OP einen geringeren Morphinbedarf als solche, die nur Morphin erhielten.

Gute Qualität der Studien aber zu wenig Daten

Die Studien waren zwar generell von guter Qualität. Aber der Mangel und die geringe Qualität der vorhandenen Daten – die Anzahl der Kinder war in den verschiedenen Studien zu klein – können keine Evidenz für die Wirksamkeit von Paracetamol bei Neugeborenen, die schmerzhaften Prozeduren ausgesetzt sind, liefern. Paracetamol, das nach Geburtshilfeeingriffen gegeben wird, erhöht möglicherweise sogar die Reaktion auf ein späteres schmerzhaftes Ereignis. Die Wirksamkeit von Paracetamol für andere schmerzhafte Zustände bei Neugeborenen müssen in weiteren kontrollierten, randomisierten Studien untersucht werden. Die Ergebnisse dieses Reviews sind nicht ausreichend, um Paracetamol bei der Schmerzstillung von schmerzhaften Eingriffen bei Neugeborenen zu etablieren.
Paracetamol kann möglicherweise die Dosis von Morphin reduzieren, die in den ersten 48 Stunden nach einer großen Brust- oder Unterleibsoperation benötigt wird. Hierzu werden weitere Studien benötigt.


Jasmin Andresh, freie Journalistin
redaktion@daz.online


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