Apothekerverband Schleswig-Holstein

„Kein Bedarf für Rx-Versand“

Kiel - 21.11.2016, 09:30 Uhr

Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein: Hase und Igel als Motiv für eine Kamgagne der Apotheken im Norden. (Foto: Müller-Bohn)

Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein: Hase und Igel als Motiv für eine Kamgagne der Apotheken im Norden. (Foto: Müller-Bohn)


Die Apotheker in Schleswig-Holstein wollen mit einer eigenen Kampagne deutlich machen, dass der Arzneimittelversand überflüssig sei. Die Hintergründe stellte Dr. Peter Froese bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes dar.

Bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein am vergangenen Samstag in Kiel gab es mit den Reaktionen auf das EuGH-Urteil zur Preisbindung fast nur ein Thema. Für den Verbandsvorsitzenden Dr. Peter Froese kam das Urteil völlig überraschend. Denn die gesamte Rechtsprechung der vorigen Jahre habe stets die Vorfahrt des Subsidiaritätsprinzips bei der Gesundheitsversorgung bestätigt, erklärte Froese. Doch „wie mit einem Dampfhammer wird nun die menschenschützende nationale Souveränität in Gesundheitsfragen zerschlagen und eine brutale gewinnorientierte und kapitalgetriebene Umsetzung des Binnenmarktes an das Ruder gesetzt“, sagte Froese. Er fürchte, die EU-Kommission werde dort nicht Halt machen, sondern auch versuchen, Dienstleistungen zu deregulieren, und dabei blind dem freien Binnenmarkt folgen.  

Folgen des Preiswettbewerbs

Froese warnte: „Läuft erst einmal die Walze Preiswettbewerb bei Rx an, wird sie wie ein Steinbrecher einen Betrieb nach dem anderen knacken, erst langsam und dann immer schneller.“ Sie werde nicht steuerbar sein und Sinnvolles überstrahlen. Froese fürchtet: „Als Erstes wird sie den strukturellen Verbraucherschutz knacken.“ Das Ziel der Apotheker sollte nun sein, die Ausnahme vom Verbringungsverbot für Arzneimittel nach § 73 AMG zu modifizieren – so das korrekte „Wording“ nach der Einschätzung von Froese. Warum solle Insulin durch die Sommerhitze reisen, ein Asthmaspray im Päckchen hin- und hergeschlagen werden und ein Benzodiazepin bei spielenden Kindern im Hausflur abgelegt werden, fragte Froese rhetorisch. Deutschland solle sich dieses hohe Niveau der Arzneimittelsicherheit leisten, zumal es keine zusätzlichen Kosten hervorrufe. Daher sollte neu definiert werden, bei welchen Arzneistoffen der Versand sicher erscheint. Die Sicherheit sei das wichtigste Argument. Außerdem dauere der Versand viel länger als die Versorgung vor Ort.  

Neue Kampagne 

Der EuGH habe in seinem Urteil ausgeführt, dass die traditionelle Apotheke qualitative Vorteile gegenüber dem Versand biete. Froese folgerte, die Apotheker sollten als zentrale Botschaft vermitteln: „Es gibt keinen Bedarf für Rx-Versand.“ Die Politiker wollten ein Problem lösen, das nicht existiert. Denn noch seien die Apotheken flächendeckend vertreten. Dies würden die Apotheker in Schleswig-Holstein künftig mit einer Kampagne vermitteln. Diese nutze die Fabel vom Hasen und vom Igel als zentrales Motiv. Der Igel und der niederdeutsche Spruch „Ick bün all dor“ würden die Vor-Ort-Apotheke verkörpern. „Wir sind schon da,“ fasste Froese die Botschaft zusammen. Aus Apotheken sollten Postkarten an Politiker geschickt werden, in denen über reale Versorgungsprobleme berichtet wird, die nur vor Ort zu lösen waren. Gefragt seien reale Fälle wie im „Reality-TV aus der Apotheke“, so Froese.  

Fremdbesitz droht 

Verbandsgeschäftsführer Dr. Thomas Friedrich bezeichnete das Urteil als „schallende Ohrfeige für den deutschen Staat und sein Recht“. Es brüskiere auch die Politiker und treibe sie damit zum Handeln. Das größte Problem sehe er darin, dass im Versandhandel dieselben Marktkräfte aktiv seien, die auf den Fremdbesitz zielen. Letztlich werde hier auch das Fremdbesitzverbot unterwandert. „Die Tür zum Fremdbesitz ist ein Stück weit auf“, warnte Friedrich. Auch Friedrich verwies auf die Argumentation des EuGH, dass der Versand die Versorgung vor Ort nicht angemessen ersetzen könne. Dies entkräfte die Argumentation des SPD-Fraktions-Vizes Lauterbach für den Versand. Friedrich setzte dagegen: „Wir können alles, was der Versand nicht kann.“  


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.