Hamburger Apothekerverein

„Nicht nur auf die Versandbeschränkung verlassen“

Hamburg - 25.11.2016, 12:00 Uhr

Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, mahnt, dass man auch die Alternativen zu einer Versandbeschränkung im Auge behalten sollte. (Foto: tmb / daz)

Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, mahnt, dass man auch die Alternativen zu einer Versandbeschränkung im Auge behalten sollte. (Foto: tmb / daz)


Wegen der Fristen für die Gesetzgebung sollten sich die Apotheker nicht allein auf die Versandbeschränkung verlassen, mahnte Dr. Jörn Graue und zeigte sich zugleich optimistisch für alternative Reaktionen auf das EuGH-Urteil.

Der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins, Dr. Jörn Graue, präsentierte seine Position bei der Mitgliederversammlung des Vereins am Donnerstag. Zunächst erläuterte er die für Apotheker erfreulichen Entwicklungen, die Schiedsstellenentscheidungen zu Retaxationen, die zu erwartenden Honorarerhöhungen für Rezepturen und BtM sowie die geplante Streichung der Selektivverträge für Zytostatika. Letzteres wäre ein „Befreiungsschlag“. Denn die derzeitigen Ausschreibungen würden das flächendeckende Apothekennetz grundsätzlich aufs Spiel setzen, weil schnell auch Forderungen nach Ausschreibungen für andere kostenintensive Versorgungsbereiche laut geworden wären, erklärte Graue. Da die neuen Regelungen über alle Fraktionen hinweg begrüßt würden, sei zu erkennen, dass die Politik gewillt war, „das bewährte bestehende System der Arzneimittelversorgung zu erhalten“, erklärte Graue. Er denke, dass dies auch nach dem EuGH-Urteil noch gelte. Allerdings werde das Urteil zweifellos Einfluss auf das Preisgefüge haben, erwartet Graue. Er beklagte, die ABDA hätte spätestens nach dem Votum des Generalanwalts mit ihrer Aufklärungsarbeit beginnen sollen. Man habe das „auf die leichte Schulter genommen“.

Mühsamer Weg

Ausführlich erläuterte Graue die regulatorischen Hürden für die geplante Versandbeschränkung. Dies sei eine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie 2015/1535 der EU, sodass ein Notifizierungsverfahren stattfinden müsse. Die Regelung dürfe drei Monate nach der Unterrichtung der EU nicht in Kraft treten. Komme von der EU eine „ausführliche Stellungnahme“, verlängere sich diese Frist um weitere drei Monate. Dies alles könne innerhalb der verbleibenden Legislaturperiode nur gelingen, wenn der Entwurf im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr wesentlich verändert werde. Sonst werde die Notifizierung hinfällig, erläuterte Graue. Da Gesundheitsminister Gröhe das laufende Verfahren für das AM-VSG wohl nicht auf unabsehbare Zeit verschieben möchte, bestehe kaum noch eine Chance, die Versandbeschränkung in diesem Gesetz zu regeln. Der Antrag Bayerns, über den der Bundesrat am Freitag abstimme, richte sich zwar auf das AM-VSG, sei aber zugleich ein wichtiger Stimmungstest für den Bundesrat. Außerdem erinnerte Graue an die Diskontinuität. Unerledigte Gesetzentwürfe verfallen am Ende der Legislaturperiode.

Neue Hoffnung

Die Apotheker sollten daher den Plan der Versandbeschränkung unterstützen, sich aber nicht darauf verlassen, dass er durchkomme. Doch es gebe elegantere Wege, die öffentlich nicht so stark wahrgenommen würden, womit Graue insbesondere auf die Verankerung der Preisbindung im Sozialrecht oder in Verträgen anspielte. Dabei gab sich Graue nicht verzagt. Schon bei der Niederlassungsfreiheit 1959 hätten sich viele Befürchtungen nicht bewahrheitet. Graue forderte die Apotheker auf, Ruhe zu bewahren. Auch mit früheren Boni hätten die ausländischen Versender keine namhaften Marktanteile erzielen können. Allerdings ziele die Auseinandersetzung letztlich auf den Fremdbesitz. Außerdem sei es ein Angriff auf die Solidargemeinschaft und „kaum etwas schadet der Idee des Sozialstaats so sehr wie sein Missbrauch“, erklärte Graue.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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