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Experten wollen Umgehung der Preisbindung verbieten lassen
Neben dem Rx-Versandverbot sollten die Apotheker auf ein Verbot von Umgehungen der Preisbindung hinarbeiten. Dies empfahl eine Expertenrunde bei einem Treffen im Hamburger Apothekerhaus.
Am gestrigen Montag folgten der Arzneimittelzulassungsexperte Prof. Dr. Harald G. Schweim, Bonn, und die Juristen Prof. Dr. Hilko J. Meyer, Frankfurt/Main, und Prof. Dr. Elmar Mand, Marburg, einer Einladung des Hamburger Apothekervereins und des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein. In Hamburg diskutierten sie mit den Verbandsvorsitzenden Dr. Jörn Graue (Hamburg) und Dr. Peter Froese (Schleswig-Holstein) über die Strategie der Apotheker nach dem EuGH-Urteil zur Preisbindung.
Alle Experten begrüßten den Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Gröhe, mit dem der Versand auf OTC-Arzneimittel begrenzt werden soll. Dies sei die Lösung mit den wenigsten Nebenwirkungen. Allerdings sieht Schweim viele Hindernisse für die kurzfristige Umsetzung dieses Plans. Schweim empfahl daher zusätzlich, die Rechtslage in den Niederlanden intensiver zu prüfen. Es sollte geklärt werden, ob die dortigen Versandapotheken allen niederländischen Regularien gerecht würden. Denn ihre Arbeit ziele auf den deutschen Markt. Außerdem sollte hinterfragt werden, ob die dortigen Rechtsvorschriften den deutschen Regeln so ähnlich sind, wie es das einschlägige Gesetz fordert, empfahl Schweim.
Umgehung verbieten
Meyer bekräftigte seinen Vorschlag aus der DAZ Nr. 48. Demnach betrachtet er den Versand von Rx-Arzneimitteln durch niederländische Versandapotheken nach Deutschland als Umgehungsgeschäft. Denn die Arzneimittel würden Deutschland nur „für eine juristische Sekunde“ verlassen, um damit die Preisbindung zu umgehen. Daher könne dies in § 78 AMG verboten werden, folgerte Meyer und nannte dies „die eleganteste Lösung“. Außerdem verwies Meyer auf eine kürzlich erfolgte Neuregelung der Buchpreisbindung. Analog dazu könne auch die Arzneimittelpreisbindung im Sozialrecht verankert werden.
Nochmal zum EuGH
Mand betonte, dass der EuGH bis 2005 über die Argumentation mit den Grundfreiheiten in nationale Regeln eingegriffen habe, dann aber umgeschwenkt sei. Seitdem habe der EuGH in 49 aufeinander folgenden Entscheidungen den EU-Mitgliedsstaaten immer wieder einen Wertungsspielraum zuerkannt. Mit dem jüngsten Urteil zur Preisbindung habe der EuGH diese Linie jedoch wieder verlassen, aber diese Abweichung von seiner über zehn Jahre vertretenen Position nicht einmal begründet, erklärte Mand verwundert. Damit stelle sich die Frage, ob dies ein Ausreißer oder ein Paradigmenwechsel sei. Daher sei es aussichtsreich, einen ähnlichen Fall erneut dem EuGH vorzulegen und die große Kammer damit zu befassen, folgerten Meyer und Mand übereinstimmend. Dazu müsse ein Fall so vorangetrieben werden, dass der BGH für eine solche Vorlage entscheidet. Dies werde allerdings nicht kurzfristig geschehen.
Gegen alle Ansätze über das Sozialrecht wandte Mand ein, dies könne zu getrennten Entwicklungen für die GKV und die PKV führen. Dies sei politisch problematisch. Möglicherweise biete das Heilmittelwerberecht eine Alternative.
Gefahr bei Bonusregelung
Letztlich kam die Runde zu einer gemeinsamen Empfehlung: Zusätzlich zum Rx-Versandverbot oder für den Fall, dass der Gesetzentwurf an der Diskontinuität nach der Bundestagswahl scheitern sollte, empfahlen die Experten, dem Vorschlag von Meyer zu folgen. Demnach sollte der Versand von Rx-Arzneimitteln durch ausländische Apotheken nach Deutschland als Umgehungsgeschäft verboten werden. Ebenso einig waren sich die Beteiligten in ihrer Bewertung zur Regelung von Boni. Ein komplettes Boniverbot im Sozial- oder Heilmittelwerberecht sichere die Preisbindung. Doch die Experten warnten davor, dass dieser Ansatz möglicherweise nur zu einer Begrenzung der Boni führen könnte.
Auch mit einem kleinen Bonus von vielleicht nur einem Euro würde die strikte Preisbindung in Deutschland aufgehoben und die Idee der Gleichpreisigkeit aufgegeben. Dann würde das EuGH-Urteil in das deutsche Recht transportiert. Aus Apothekersicht wäre dies schlechter, als gar nicht zu reagieren, folgerten die Experten. Dieses Problem befürchten die Experten auch, wenn die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten würden, die Boni einzustreichen. Denn dies könnte Anreize schaffen, die Versicherten umzusteuern.
Kritik an ABDA-Kampagne
Außerdem äußerten sich die Teilnehmer der Runde besorgt, dass die jüngste ABDA-Kampagne als europakritisch wahrgenommen werde. Graue und Froese distanzierten sich von pauschaler Kritik an Europa. Graue erklärte, es gehe um Kritik am EuGH, nicht an der EU. Dies sei unglücklich formuliert worden, so Graue. Zugleich beklagte er, dass die ABDA vorher nicht über die Formulierungen informiert habe.
2 Kommentare
W&B Kampagne
von Ulrich Ströh am 13.12.2016 um 13:34 Uhr
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Ursachenforschung und Populismus.
von Christian Timme am 13.12.2016 um 11:53 Uhr
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