Kunden- und Umsatzangaben

Wie verlässlich sind die Zahlen der Versandapotheken?

Berlin - 26.12.2016, 12:45 Uhr

Wie viel denn nun? Recherchen von DAZ.online zufolge sind die Angaben der Versandapotheken hinsichtlich ihrer Bestellungen und ihrer Kundenzahl nicht wirklich schlüssig. (Foto: wes)

Wie viel denn nun? Recherchen von DAZ.online zufolge sind die Angaben der Versandapotheken hinsichtlich ihrer Bestellungen und ihrer Kundenzahl nicht wirklich schlüssig. (Foto: wes)


Über 40 Prozent aller Deutschen haben Arzneimittel online bestellt, sagt DocMorris – um für den Versandhandel zu werben. Stimmt das? Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken argumentiert mit ähnlichen Zahlen – doch Recherchen von DAZ.online zufolge ist zweifelhaft, ob sie stimmen.

In der aktuellen Kampagne gegen das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Rx-Versandverbot argumentiert DocMorris zweigleisig: Einerseits hätten Versandapotheken nur einen Marktanteil von 3 Prozent. „Das hat keinen Einfluss auf den Bestand stationärer Apotheken“, betont der niederländische Versender. Gleichzeitig erklärt die Firma, über 40 Prozent aller Deutschen hätten bereits online Medikamente bestellt. „Sie sollen weiter die Wahl haben“, heißt es auf der Webseite.

Steht beides nicht im Widerspruch? Und stimmen die Zahlen? Auf Nachfrage von DAZ.online bezieht sich DocMorris auf Presseerklärungen des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). In den Umfragen des Verbands wird jährlich erhoben, inwiefern Internetnutzer auch online einkaufen – mit einem Häkchen sollen sie auch angeben, ob sie bereits Arzneimittel online eingekauft haben. 55 Prozent der gut 1150 Teilnehmer tat dies der Umfrage zufolge. Da die Umfrage laut Bitkom für die Gesamtheit der deutschen Internetnutzer repräsentativ ist, rechnete der Verband anhand dieses Anteils hoch, wie viele Deutsche bislang den Arzneimittel-Versandhandel genutzt haben. „Das entspricht 31 Millionen Menschen“, erklärt Bitkom.

Tatsächlich repräsentativ?

Recherchen von DAZ.online zufolge hat die Methodik der Umfrage allerdings Schwächen. Bezogen auf die gut 80 Millionen Einwohner Deutschlands ergibt sich zwar tatsächlich ein Anteil von gut 38 Prozent. Aber kann dieser hohe Anteil stimmen – auch angesichts des geringen Marktanteils von Versandapotheken? Eine Nachfrage beim Verband Bitkom ergibt Details zur Methodik der online durchgeführten Umfrage. Hier wurden die Angaben der für die Teilnahme an der Umfrage bezahlten Befragten zwar gewichtet, um die Statistik etwa an die Alters- und Geschlechterverteilung aller deutschen Internetnutzer anzupassen. Nicht erfasst wurde jedoch beispielsweise, wie internet-affin die Umfrageteilnehmer sind.

Es ist gut möglich, dass Personen, die bereit sind, an einer Umfrage teilzunehmen, auch mit höherer Wahrscheinlichkeit Arzneimittel online kaufen – und so die Ergebnisse verfälscht werden. Auf Nachfrage verweist Bitkom allgemein darauf, dass teilweise Fragen parallel telefonisch und online erhoben wurden. „Die Ergebnisse waren ähnlich“, erklärt eine Sprecherin allgemein.  

Die Wirtschaftspsychologin Anja Göritz von der Uni Freiburg schrieb auf Nachfrage, dass sich auch aufgrund der recht detaillierten Aussagen von Bitkom zur Studie noch nicht schließen lasse, ob die Ergebnisse sich tatsächlich verallgemeinern ließen. Derartige Umfragen seien „fast nie repräsentativ“, erklärt der auf Methoden der empirischen Sozialforschung spezialisierte Professor Jörg Blasius von der Uni Bonn gegenüber DAZ.online – da beispielsweise Befragte aus unteren Bildungsgruppen meistens fehlten. „Daraus abzuleiten, wie viele Millionen in welcher Altersgruppe online Medikamente einkaufen, ist alles andere als sinnvoll“, betont er.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


5 Kommentare

Warum fragt man nicht einfach die, die es wissen sollten .....

von Gunnar Müller, Detmold am 28.12.2016 um 15:34 Uhr

Per E-Mail v. 26.12.
"Belieferung durch Ausländische Versandapotheken
Offener Brief an: AOK NordWest, AOK-Bundesverband, GKV-Spitzenverband

Sehr geehrter Herr Ackermann,
sehr geehrter Herr Litsch,
sehr geehrte Frau Dr. Pfeiffer,

als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse bitte ich Sie um Mitteilung folgender Angaben bezüglich der Mitglieder der von Ihnen vertretenen Krankenkasse/n:
Wie hoch ist der Anteil der Mitglieder, die bei ausländischen Versandapotheken Arzneimittel zu Lasten der Krankenkasse/n beziehen?
Wie viele Mitglieder sind es in absoluten Zahlen?
Wie viele Packungen an Rx- bzw. non-Rx-Arzneimittel beziehen diese Mitglieder über ausländische Versandapotheken?
Wie hoch ist dieser Anteil am jeweiligen Gesamtumfang?
Wie hoch ist der Nettoumsatz der Rx- sowie der non-Rx-Arzneimittel, die von diesen über ausländische Versandapotheken bezogen werden?
Wie hoch sind diese Anteile am jeweiligen gesamten Rx-/non-Rx-Netto-Umsatz?

Da diese Zahlen offensichtlich momentan auch von der Politik benötigt werden, erlaube ich mir, entsprechende Kreise nachrichtlich zu beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen"

Reaktion/Antwort bislang: -
Zur ggf. weiteren Verwendung als Anschreiben an Ihre gesetzliche KK. Viel Spaß beim Schreiben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

reines Wunschdenken

von Alfons Neumann am 23.12.2016 um 2:31 Uhr

DoMo u. Co. biegen sich die Zahlen so zurecht wie´s halt gerade passen tut - postfaktisch eben !
Und Spargel-Karl + Konsorten ignorieren es einfach (z.B. Unterschied Umsatz<->Gewinn??) - wohl für ihre Lobby ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Trickser und Täuscher

von G. Wagner am 22.12.2016 um 21:27 Uhr

Es ist das alte und übliche Lied: Versender täuschen und tricksen - mal mit (zu) hohen, mal mit (zu) niedrigen Zahlen - je nach politischer Opportunität. Und die Multiplikatoren in Medien und Politik? Einer schreibt vom anderen ab - gut, dass die Zahlenspielereien und Pseudo-Statistiken der Freunde des Versandhandels und Fremdbesitzes enmal hinterfragt werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Viele Besteller und geringer Marktanteil?

von Andreas Grünebaum am 22.12.2016 um 19:21 Uhr

Also wenn ich wüsste, dass der halbe Ort in den letzten Jahren schon einmal bei mir in der Apotheke gekauft hat und ich dennoch nur einen Marktanteil von < 1% hätte, müsste ich mir Gedanken machen ;-)

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Es gibt keine AAA-Zahlen und schon gar nicht im Versandhandel

von Christian Timme am 22.12.2016 um 18:49 Uhr

Wenn jedes Top-Unternehmen, gegen Honorarzahlung, mit AAA-Zertifikat auftrumpft und 5 Min. später die Vollpleite hinlegt, ist das völlig normal. Da war doch 2008 irgendwas?. Jeder nach seiner Façon oder wie aktuell von DocMorris: Über 40% der Deutschen haben bereits Medikamente online bestellt. Nur leider nicht bei uns.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.