Kiefer bei Pharmacon-Eröffnung

„Fernabsatz hat nichts mit Digitalisierung zu tun“

Schladming - 16.01.2017, 10:00 Uhr

BAK-Präsident Kiefer wies bei der Eröffnung des Pharmacon in Schladming Kritik an der ABDA-Kampagne zum EuGH-Urteil zurück. (Foto: jb / DAZ.online)

BAK-Präsident Kiefer wies bei der Eröffnung des Pharmacon in Schladming Kritik an der ABDA-Kampagne zum EuGH-Urteil zurück. (Foto: jb / DAZ.online)


Bei der Eröffnung des Pharmacon-Kongresses im österreichischen Schladming betonte der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, die Bedeutung der Apotheke als öffentliches Gut. Er verwahrte sich gegen Argumente, ein Rx-Versandverbot sei anachronistisch. Im Gegensatz zu Projekten wie ARMIN habe das Verschicken von Päckchen nichts mit Digitalisierung zu tun. 

Am gestrigen Sonntagabend nutzte der Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), Dr. Andreas Kiefer, die Eröffnung des Pharmacon-Fortbildungskongresses in Schladming dazu, die Bedeutung der öffentlichen Apotheken zu betonen. Die flächendeckende Infrastruktur stelle ein öffentliches Gut dar, das diskriminierungsfrei von jedermann genutzt werden kann. „Jeder, der eine Apotheke benötigt, kann sie nutzen, ohne dafür zur Kasse gebeten zu werden“, so Kiefer. Das gelte auch nachts, an Sonn- und Feiertagen. Ähnlich hatte im November der Gesundheitsökonom Prof. Uwe May auf dem OTC-Gipfel argumentiert.

Diesem öffentlichen Gut der Apotheke vor Ort stellte Kiefer das Renditedenken von Kapitalgesellschaften gegenüber, denen es eben nicht um die Gesundheitsversorgung gehe. Man könne in dieser Hinsicht von einer Auseinandersetzung zwischen Gesundheits- und Wirtschaftspolitik sprechen. Denn wenn dem gemeinwohlorientierten System Geld entzogen werde, gerate dieses System in Gefahr. 

„Erfreulich“ nannte Kiefer den Gesetzentwurf Gröhes, mit dem dieser den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel verbieten möchte, sowie den Umstand, dass sich alle Parteien grundsätzlich zum bestehenden System bekannt hätten. Auch wenn es noch Uneinigkeit über den richtigen Weg gebe, wie das System weiterentwickelt werden soll. 

„Die ABDA-Kampagne ist nicht anti-europäisch"

Besonders ärgert sich Kiefer über die Argumentation der Versandapotheken, ein Rx-Versandverbot sei in Zeiten der Digitalisierung anachronistisch und unrealistisch. Natürlich lasse sich die Digitalisierung nicht verbieten, „Schneefall können Sie auch nicht verbieten“, so Kiefer. Dabei habe der Fernabsatz verschreibungspflichtiger Arzneimittel überhaupt nichts mit der Digitalisierung zu tun. „Es ist doch geradezu lächerlich, Versandapotheken mit der Digitalisierung zu verbinden“, sagte Kiefer. Da seien die Apotheken mit ihren vielen Modellprojekten deutlich weiter, betonte Kiefer. Die Technologie von ARMIN beispielsweise sei „viel eher unter Digitalisierung zu verstehen als das Verschicken von Päckchen“.

Die Apothekerinnen und Apotheker vor Ort rief Kiefer dazu auf, sich an der Unterschriftenaktion der ABDA zu beteiligen. Es sei wichtig, die Bevölkerung über die Folgen des EuGH-Urteils zu informieren und so Gröhes Gesetzentwurf zu unterstützen. Kiefer wies Kritik an der ABDA-Aktion zurück. Den Vorwurf des Anti-Europäismus widerlegt für Kiefer bereits die Wahl der Pharmacon-Veranstaltungsorte in Österreich und Italien. Aber es müsse möglich sein, Ross und Reiter zu nennen. Die Entscheidung des EuGH spiegele eben nicht die grundsätzliche Arbeitsteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten in Fragen des Gesundheitswesens wider, so Kiefer, „sondern nimmt eine andere Richtung“. 

Rückendeckung aus Österreich und der Schweiz

Unterstützung bekam Kiefer aus Österreich signalisiert. Dr. Gerhard Kobinger, Präsident der Landesgeschäftsstelle Steiermark der Österreichischen Apothekerkammer, warf der EU vor, die Freien Berufe zugunsten des Shareholder-Value „am liebsten aufschnupfen“ zu wollen.

Aus der Schweiz berichtete der Präsident des dortigen Apothekerverbands PharmaSuisse, Fabian Vaucher, von den Problemen mit der "grenzüberschreitend invasiven Pflanze“ Zur Rose. Dieses „umtriebige Unternehmen“, das seit 2012 Eigentümerin von DocMorris ist, habe auch in der Schweiz eine lange Geschichte von Rechtsbrüchen vorzuweisen. Gerade in Zeiten, in denen sich die Erkenntnis durchsetze, wie wichtig die Apotheke als erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen sei und welchen Stellenwert die hochqualifizierte persönliche Beratung darstelle, sei das reine Profitstreben der Versandapotheke erstaunlich. „Es darf aber nicht sein, dass Arzneimittel wie BigMacs über die Theke gehen“ so das Fazit. Seine trotz des ernsten Themas sehr humorvolle Rede beendete Vaucher mit einem optimistischen Bild: „Rosen verblühen – spätestens im Herbst“. Die Blütezeit der Apotheken dagegen habe gerade erst begonnen.


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1 Kommentar

Ein Bild sagt mehr als ...

von Christian Timme am 16.01.2017 um 12:15 Uhr

Abgesehen von der Krawatte und dem offenen Hemd, das Dilemma nimmt dann auch noch in der Wortwahl seinen Lauf. Wenn es schon nicht mehr ist als der Versuch einer Argumentation, auch daraus hätte man noch etwas machen können. Als Schneemann vor dem Kongresseingang wäre der Auftritt eines Präsidenten, der deutschen Apothekerschaft auf einem Politikkongress, sinnvoller gewesen. Nun denn, es gibt ja immer noch schwarze Pisten.

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