EuGH-Urteil

Bundesregierung vertröstet EU-Kommission beim Versandhandel

Berlin - 17.01.2017, 11:00 Uhr

Mehr Zeit für Rx-Boni: Die zuständigen Ministerien BMWi und BMG erbitten sich bei der EU-Kommission mehr Zeit für die Umsetzung des EuGH-Urteils. (Foto: Sket)

Mehr Zeit für Rx-Boni: Die zuständigen Ministerien BMWi und BMG erbitten sich bei der EU-Kommission mehr Zeit für die Umsetzung des EuGH-Urteils. (Foto: Sket)


Am gestrigen Montag ist eine Frist abgelaufen, bis zu der die Bundesregierung der EU-Kommission mitteilen sollte, wie sie sich nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 zur Thematik „Rx-Boni“ positioniert. Zwei Ministerien haben nun geantwortet und darauf hingewiesen, dass die Angelegenheit weiterhin geprüft werde.

Der EuGH hatte am 19. Oktober 2016 entschieden, dass es den freien Warenverkehr beschränke, wenn EU-ausländische Versandapotheken sich bei der Lieferung rezeptpflichtiger Arzneimittel nach Deutschland an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen. Der Gerichtshof erklärte somit einen bestimmten Passus im deutschen Recht für europarechtswidrig, den der Gesetzgeber erst vor einigen Jahren eingeführt hatte: Mit der 16. AMG-Novelle hatte der Bundestag 2012 beschlossen, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für DocMorris und Co. gilt, wenn sie Medikamente nach Deutschland versenden (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG).

In der Praxis gilt dieser Passus schon jetzt nicht mehr – schließlich bieten DocMorris und die Europa Apotheek Venlo ihren Kunden nach dem EuGH-Urteil jetzt wieder Rx-Boni an. Trotzdem muss die Bundesregierung nach dem Urteil dafür sorgen, dass der europarechtswidrige Paragraf aus dem Sozialgesetzbuch V nicht mehr angewendet wird. Und genau danach hat sich die EU-Kommission schon vor einigen Wochen beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das für den Warenverkehr zuständig ist, erkundigt.

Ein Sprecher des BMWi sagte schon im Dezember gegenüber DAZ.online: „Die Europäische Kommission hat die Bundesregierung um Mitteilung gebeten, welches weitere Vorgehen als Konsequenz des Urteils ins Auge gefasst werde. Die Beantwortung wird vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) als dem fachlich federführenden Ressort innerhalb der Bundesregierung vorbereitet.“ Im BMG wollte man sich nicht zu dem Schreiben äußern.

Gröhe und Gabriel brauchen mehr Zeit für Rx-Boni

Nach Informationen von DAZ.online ist am gestrigen Montag allerdings die Antwortfrist der EU-Kommission abgelaufen. Und: Beide Ministerien haben der Kommission dem Vernehmen nach auch gemeinsam und fristgerecht geantwortet. Die Ministerien erbitten sich mehr Zeit: BMWi und BMG sollen darauf verwiesen haben, dass noch kein politischer Konsens hergestellt worden sei. Deswegen könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mitteilen, wie man mit dem EuGH-Urteil umgehen wolle.

DAZ.online liegt ein Auszug aus dem Schreiben an die EU-Kommission vor. Wörtlich heißt es darin: „Die Bundesregierung prüft gegenwärtig die erforderlichen Maßnahmen, die durch das Urteil des Gerichtshofs veranlasst sind, um sowohl die festgestellte Beschränkung des freien Warenverkehrs abzustellen als auch in Zukunft in Deutschland eine flächendeckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten. Die Bundesregierung wird die Kommission unaufgefordert über die Prüfungsergebnisse informieren.“

Interessant ist allerdings, dass das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verfolgte Rx-Versandverbot in dem Schreiben dem Vernehmen nach nicht erwähnt wurde. Wahrscheinlich will die Bundesregierung der EU-Kommission das Rx-Versandverbot erst mitteilen, wenn man sich politisch darüber einig ist. Sobald eine Einigung zwischen Union und SPD erfolgt ist, müssen die Ministerien sich ohnehin an die Kommission und alle anderen EU-Staaten wenden, weil ein Gesetz, das den freien Warenverkehr in der EU betrifft, ein sogenanntes EU-Notifizierungsverfahren mit sich zieht. Alle Staaten und die Kommission müssen also die Möglichkeit bekommen, hierzu Stellung zu beziehen.

Die gute Nachricht für die Apotheker ist: Der vom BMG vorgelegte Referentenentwurf zum Rx-Versandverbot könnte die Anforderungen des EuGH und der EU-Kommission erfüllen. Schließlich enthält der Entwurf eine Regelung, die die Streichung des oben genannten Paragrafen zum Rx-Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken vorsieht. Ob allerdings das Rx-Versandverbot selbst europarechtskonform ist, ist derzeit noch umstritten und wird von den Verbotskritikern infrage gestellt.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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