Stufenplanverfahren

Die große Packung Colchicin-Tropfen soll verschwinden

Stuttgart - 13.02.2017, 12:30 Uhr

Die kleinere Packung Colchysat wird es auch weiterhin der Apotheke geben. (Foto: Bürger)

Die kleinere Packung Colchysat wird es auch weiterhin der Apotheke geben. (Foto: Bürger)


In Zukunft sollen Colchicin-Tropfen nur noch in einer kleinen Packung mit 30 ml erhältlich sein. Denn bei dem Arzneimittel, das beim akuten Gichtanfall eingesetzt wird, kommt es immer wieder zu Überdosierungen. Dem will das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte jetzt durch eine Begrenzung der Packungsgröße entgegenwirken.

Die große Packung Colchysat, die 100 ml enthält, wird wohl in naher Zukunft vom Markt verschwinden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) will die Packungsgröße des Colchicin-haltigen Arzneimittels auf 30 ml begrenzen. Das entspricht der derzeit im Handel befindlichen kleineren Packung. Die Maßnahme sei nach Bewertung aller vorliegenden Erkenntnisse erforderlich, um ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels aufrechtzuerhalten, schreibt das BfARM in seiner Stellungnahme. Oder anders herum: Ohne diese Änderung ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach Ansicht der Bundesoberbehörde negativ.

Überdosierungen mit tödlichem Ausgang

Was war passiert? In der Vergangenheit war es immer wieder zu Überdosierungen gekommen. Mindestens 15 von 102 Fällen in der UAW-Datenbank wurden in diesem Zusammenhang gemeldet. In zehn Fällen endete das Ganze tödlich, darunter auch ein gut dokumentierter aktueller Fall. Ein Patient hatte während eines akuten Gichtanfalls den Tropfeinsatz der Flasche entfernt und eine unkontrollierte Menge genommen, etwa 50 ml. Er verstarb etwa 50 Stunden später. Aber es liegen nicht nur Fälle vor, in denen die Einzel- oder die Maximaldosis überschritten wurden, sondern auch solche, in denen das Arzneimittel über einen zu langen Zeitraum eingenommen wurde. Im Zusammenhang mit dem beschriebenen, aktuellen Fall hatte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft konkrete Maßnahmen gefordert, wie eben eine Begrenzung der Packungsgröße oder sogar eine Abschaffung von Colchicin in flüssiger Form. Letzteres scheint derzeit allerdings nicht zur Diskussion zu stehen.

Warum 30 ml? Die Packungsgröße muss groß genug sein, dass die Wirksamkeit gewährleistet ist. Aber eben auch nicht zu groß, um das Risiko für Überdosierungen zu minimieren. Die Höchstdosis laut Packungsbeilage beträgt 8 mg innerhalb von 24 Stunden. Eine Gesamtdosis pro Gichtanfall darf 12 mg Colchicin nicht überschreiten. Das entspricht 24 ml Colchysat-Tropfen. Hat der Patient weiterhin Beschwerden, sei es ihm angesichts der Risiken zuzumuten, nochmals einen Arzt aufzusuchen, findet das BfArM. Mit einer weiteren Packung à 30 ml werde man dann beidem gerecht - sowohl dem Therapiebedarf des Patienten als auch der notwendigen Risikominimierung, heißt es in der Stellungnahme. Dass mit dieser Maßnahme absichtliche Überdosierungen in suizidaler Absicht nicht verhindert werden können, ist dem BfArM allerdings klar. 

In anderen Ländern liegt die Maximaldosis niedriger

Außerdem sollen Hinweise zur korrekten Anwendung des Senkrechttropfers in die neue Packungsbeilage aufgenommen werden. Das soll für eine größere Dosiergenauigkeit sorgen. Wann die Maßnahmen genau umgesetzt werden, ist unklar. Der Hersteller hat nun im Rahmen des Stufenplanverfahrens bis Ende Februar Zeit, dazu Stellung zu nehmen.

Derzeit sind zwei Colchicin-Präparate auf dem deutschen Markt: einmal die bereits erwähnten Colchysat-Tropfen in Packungsgrößen à 30 und 100 ml, sowie Colchicum-Dispert-Tabletten. Sie enthalten jeweils 0,5 mg Colchicin. Sie werden in 30er- und 50er-Packungen vertrieben. In anderen Ländern liegen die Empfehlungen für die maximale Tagesdosis niedriger als in Deutschland, in Frankreich beträgt sie zum Beispiel am ersten Tag 3 mg und wird an den folgenden Tagen reduziert. Das Dosierschema wurde erst vor Kurzem geändert, weil bereits bei Dosierungen von 6 bis 7 mg tödliche Intoxikationen auftraten. In der Schweiz ist gar kein Colchicin-Präparat verfügbar.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Schluck aus der Pulle

von norbert brand am 14.02.2017 um 10:14 Uhr

was hat denn bitte das Entfernen des Tropfeinsatzes mit bestimmungsgemäßem Gebrauch zu tun? Wenn sich eine derart "proaktive" Denke durchsetzt, dann können wir die Regale ausräumen. In jedem Fall wird hier nicht eher Ruhe einkehren, bis ein weiteres traditionelles Phyto abgesägt ist. Passend zum Zeitgeist folgt dann dessen Relaunch als NEM.

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