Folgen des EuGH-Urteils

Apotheken droht die „schiefe Ebene“

Hamburg - 24.02.2017, 15:00 Uhr

Dr. Frank Diener brachte zu einem Seminar in Hamburg frische Daten zum Rx-Absatz der Apotheken mit. (Foto: Treuhand Hannover)

Dr. Frank Diener brachte zu einem Seminar in Hamburg frische Daten zum Rx-Absatz der Apotheken mit. (Foto: Treuhand Hannover)


Ohne Rx-Versandverbot würden immer mehr Apotheken auf einer „schiefen Ebene“ in eine betriebswirtschaftlich unsichere Zone abrutschen. Das erwartet der Treuhand-Generalbevollmächtigte Dr. Frank Diener.

Was sind die Folgen des EuGH-Urteils zur Preisbindung? Dazu referierten Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, und Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Steuerberatung Treuhand Hannover, bei einem Seminar der Deutschen Apotheker- und Ärztebank und der Treuhand Hannover am 22. Februar in Hamburg. Siemsen beschrieb das Urteil als Paradigmenwechsel. Bisher sei die Daseinsvorsorge auf der nationalen Ebene geregelt worden, denn „der Staat hat Verantwortung für seine Bürger“, erklärte er. Dafür würden die Politiker gewählt.   

Folgen des Urteils 

Zu den Folgen des Urteils erklärte Siemsen: Wenn die relativ einfach zu beliefernden Chroniker-Rezepte an Versender abwandern würden, bliebe den Apotheken vor Ort nur die kostenintensive Akutversorgung. Wenn in Deutschland begrenzte Boni zugelassen würden, fehle auch den verbleibenden Apotheken das nötige Geld für qualitativ hochwertige Arbeit. Sie müssten Personal abbauen und Leistungen reduzieren. Siemsen folgerte: „Das Prinzip der Freiberuflichkeit beruht auf Gleichpreisigkeit.“ Der Preiswettbewerb bedrohe langfristig auch das Sachleistungsprinzip und damit den diskriminierungsfreien Zugang zu Arzneimitteln. Boni sozialrechtlich zu verbieten, sieht Siemsen nicht als Lösung an. Denn das könne ausgehebelt werden: „Das Urteil des EuGH macht vor dem SGB nicht Halt“, erklärte Siemsen. Daher appellierte der Kammerpäsident an die Apotheker, weiter für das Rx-Versandverbot zu kämpfen. Denn sonst erodiere das ganze System. Eine andere Frage ist jedoch, ob schon jetzt Wirkungen des Urteils messbar sind. Dazu erklärte Siemsen, einzelne Kollegen hätten ihm berichtet, dass drei bis fünf Prozent ihrer Chroniker „verschwunden“ seien. Doch das seien keine verlässlichen Angaben.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Die Schiefe Ebene ist schon da !

von Alfons Neumann am 02.03.2017 um 4:03 Uhr

Im öffentlichen Dienst sind andere Größenordnungen beschlossen worden: http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-261363.html
Die bisher bei uns durchgeführte 0,3%-ige Jahres-Erhöhung des Fixhonorars ist dagegen ein schlechter Witz - wir führen doch auch Gemeinwohl-Pflichten aus - sind WIR es nicht wert ??

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Wo ist die schiefe Ebene ?

von Reinhard Rodiger am 24.02.2017 um 20:13 Uhr

Besonders schief ist die Ebene,auf der die Fakten abrutschen.Niemand registriert, dass die Monopolkommission darauf hingewiesen hat,dass der Versand (durch die Freigabe der OTC-Preise) die Zahl der Apotheken vermindert hat. Der Grund ist nachhaltige Senkung der Erträge. Die bisherige Erfolglosigkeit der Rx-Versandaktivitäten ändert sich schlagartig bei Preisfreigabe.Das war vorhersehbar. Wer muss sich für dieses Zeitschinden und die Verschiebung dieses Warnsignals verantworten? Natürlich wieder keiner.
Weitsichtige Politik hätte dies sehen können.Es handelt sich um die Wiederholung des gleichen Prinzips.
Zusätzlich ist zu fragen, wieviele Apotheken werden von der Treuhand nicht erfasst? Die Gefährdungsziffer (20%) ist bemerkenswert klein gegenüber dem Anteil der unterdurchschnittlichen,unverkäuflichen Apotheken.(über 50%)

Das ist die wahre schiefe Ebene, auf der mehr als zugegeben abwärts rutschen.Schon lange.Deshalb sind solche Treuhand-Beschönigungen kontraproduktiv.Der richtige Zeitpunkt für die Mahnung ist verpasst.Cui bono?

Selbst so grobe Angaben wie bis zu 3% des GKV-Marktes gehe über Versender sollte Warnglocken läuten lassen.Es geht um etwa 1 Mrd Umsatzentzug mit unlauteren Mitteln.Dies als bedeutungslos darzustellen ist verantwortungslos.Max Müller sprach von einem Anteil an "seinem" Umsatz von 2/3 ! Das passt alles nur sehr ungefähr zusammen.Tatsache bleibt, es ist Aderlass, der mit nicht legalen Mitteln erkauft wurde.Dies ist natürlich abgeleitet von nicht gezahlten Strafen.(DMo)

Wann gibt es rechtzeitige und umfassende Analysen?

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Was ist die Steigerung von Warnungen?

von Christian Timme am 24.02.2017 um 17:45 Uhr

Änderungen im Kaufverhalten erfolgen selten in "Echtzeit" (Weihnachtsbutter/CMA), deshalb sind erlaubte Boni, egal in welcher Höhe, erstmal ein schleichendes "Anfüttern". Wenn sich dann erst mal der "Geschmack" einstellt hat, ist er sozusagen wahrgenommen, wird weiter gelernt und ist ausbaufähig. Derartige Prozesse treten nun wirklich nicht das erste Mal auf?. Der bereits genannte Datenanbieter erhebt nicht erst seit gestern und IMS Health bzw. AC Nielsen gibt es seit über 60 Jahren ...

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