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Schmerz kann zermürben – die Betroffenen und die Angehörigen. Und damit meine ich nicht den Schmerz nach dem Hammerschlag auf den Daumen, sondern chronische Schmerzen, unerträgliche, oft ohne erkennbare Ursache. Diese sind Thema des dreiteiligen „Pharmako-logisch! Update Schmerz“ in der aktuellen DAZ, das ich Ihnen in dieser Woche zur Lektüre empfehlen möchte.
Professor Thomas Herdegen zeigt, dass wir zwar mittlerweile beeindruckend viel über die molekularen Grundlagen neuropathischer Schmerzen oder chronischer Nicht-Tumorschmerzen wissen. Aber wie die menschliche Schmerzempfindung wirklich funktioniert, darüber wissen wir wenig. Klar ist nur, dass sich mit Analgetika allein diese Schmerzen nicht beseitigen lassen. Zu groß scheint der Einfluss psychosozialer Faktoren bei der Frage, wie intensiv Menschen z.B. neuropathische Schmerzen empfinden. „Gute“ körperliche und „soziopsychische“ Aktivitäten sind als therapeutische Basis unabdingbar, so Herdegen.
Erschreckend die Erkenntnis, dass bei Tumorschmerzen Opioide immer noch zu wenig eingesetzt oder zu niedrig dosiert werden und dass bei neuropathischen oder entzündlichen Schmerzen noch immer zu viele Opioide verordnet werden. Ganz toll die praktischen Tipps, die eigentlich altbekannt sind und die Herdegen wieder in Erinnerung ruft: Für Nicht-Tumorschmerzen sollten nur Opioide mit verzögerter Freisetzung eingesetzt werden, als Bedarfsmedikation sollten möglichst retardierte Opioide angewendet werden. Nur wenn Opioide eindeutig bei chronischen Nicht-Tumorschmerzen gewirkt haben, sollten sie länger als drei Monate eingesetzt werden. Und man kann es gar nicht oft genug sagen: Es sind die allgemeinen Regeln der Opioid-Therapie zu berücksichtigen: orale langsam anflutende bzw. langwirkende Formulierungen bevorzugen, gleiches zeitliches Dosierungsintervall einhalten, nach dem WHO-Stufenschema vorgehen und die Krankheitsproblematik des Patienten sowie individuelle Opioid-Eigenschaften berücksichtigen. Ganz sicher gibt es auch in Ihrer Apotheke Patienten mit chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen– schauen Sie doch beim nächsten Mal genauer hin, ob diese Regeln eingehalten werden.
Herdegen T. „Neuropathische Schmerzen – eine Herausforderung“, DAZ 2017, Nr. 9, S. 40 - 43, Herdegen T. „Opioide jenseits von Tumorschmerzen: Wissenswertes zum Einsatz bei chronischem Nicht-Tumorschmerz“, DAZ 2017, Nr. 9, S. 44 – 48.
Neues vom Coffein in Analgetika
Sehr interessant fand ich auch den Abschnitt zum „Koanalgetikum Coffein“, das weltweit am häufigsten konsumierte Psychostimulans. Lange wurde der Zusatz von Coffein zu Analgetika kritisch gesehen. Ein Suchtpotenzial wurde ebenso beschworen wie die Zunahme der Kopfschmerzhäufigkeit sowie eines Medikamenten-induzierten Kopfschmerz. Nichts davon tritt beim bestimmungsgemäßen Gebrauch auf. Mittlerweile gilt es als belegt, dass Coffein die analgetische Wirkung von nicht-steroidalen Analgetika um ca. 40% verstärkt und beschleunigt. Effektivität und Sicherheit sind wirklich gut dokumentiert, so Herdegen.
Herdegen T. „Koanalgetikum Coffein: Ein Psychoanalgetikum als Wirkverstärker“, DAZ 2017, Nr. 9, S. 50 - 53
Auch lesenswert:
Ilse Zündorf und Theo Dingermann blicken kritisch auf den Kampf gegen die Malaria. Es wird weltweit sehr viel Geld in neue Arzneimittel und Impfstoffe investiert - und doch sterben jedes Jahr über 400.000 Menschen an dieser Infektionskrankheit. Zwei neue Malaria-Impfstoffe stellen die Autoren vor, mit denen eine Ausrottung der Malaria möglich sein könnte, wenn sie sich im Feldversuch und unter natürlichen Infektionsbedingungen als effizient gegen Malaria erweisen – und wenn sie für die Bewohner der von Malaria betroffenen Länder Afrikas tatsächlich erschwinglich sind.
Zündorf I, Dingermann T. „Quicklebendige Sporozoiten plus Chloroquin - Neuer Malaria-Impfstoff lässt hoffen“, DAZ 2017, Nr. 9, S. 35 - 38.
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