5α-Reduktasehemmer

Dauerhaft impotent durch Haarwuchsmittel

Stuttgart - 17.03.2017, 14:00 Uhr

Wehret den Anfängen: Viele Männer erkundigen sich bei beginnendem Haarausfall in der Apotheke nach Haarwuchsmitteln. (Foto: goodluz / Fotolia)

Wehret den Anfängen: Viele Männer erkundigen sich bei beginnendem Haarausfall in der Apotheke nach Haarwuchsmitteln. (Foto: goodluz / Fotolia)


Sexuelle Funktionsstörungen sind eine bekannte Nebenwirkung von 5α-Reduktasehemmern wie Finasterid, das gegen Haarausfall oder benigne Prostatahyperplasie eingesetzt wird. Auch dass diese Störungen nach Absetzen bestehen bleiben, ist bekannt. Allerdings gab es bislang keine Zahlen, wie oft das der Fall ist.

Auch nach dem Absetzen der Behandlung könne es zu andauernden Schwierigkeiten bei der Erektion, zur Abnahme des sexuellen Verlangens sowie zu Ejakulationsschwierigkeiten kommen. So steht es beispielsweise in der Packungsbeigabe von Propecia, einem Finasterid-Präparat zur Behandlung der androgenetischen Alopezie, also Haarausfall vom männlichen Typ. Die Häufigkeit sei aber nicht bekannt, da sie auf der Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar sei, heißt es weiter. Kurz gesagt: Man weiß nicht, wie viele Männer auch nach Absetzen des Präparats noch sexuelle Funktionsstörungen haben. Und das gilt nicht für Finasterid in der niedrigen bei Haarausfall eingesetzten Dosis, sondern  – vielleicht sogar in viel größerem Ausmaß – für die höhere, mit der die benigne Prostatahyperplasie behandelt wird. Und auch bei Dutasterid, wie Finasterid ebenfalls ein Wirkstoff aus der Gruppe der 5α-Reduktasehemmer mit der Indikation Prostatavergrößerung, kann die bei bis zu einem von zehn Männern auftretende Impotenz auch nach Therapieende bestehen bleiben. Dazu, wie oft das passiert, findet sich auch hier in der Packungsbeilage kein Hinweis.

1,4 Prozent haben dauerhaft Probleme

Grund genug für ein Forscherteam, dieser Frage nachzugehen. Sie wollten wissen, wie oft die Probleme auftreten und ob und wie stark die Dauer der Einnahme das Risiko beeinflusst. Dazu haben sie sich die Daten von fast 12.000 Männern angesehen, die mit 5α-Reduktasehemmern behandelt wurden. Innerhalb dieses Kollektivs wurde noch die Altersgruppe der Männer zwischen 16 und 42 Jahren, die 1,25 mg Finasterid täglich oder mehr eingenommen hatte, separat betrachtet.

Demnach litten 167 von 11.909 Männern auch 90 Tage nach dem Absetzen noch an einer erektilen Dysfunktion. Das entspricht einer Rate von 1,4 Prozent. Und dabei ging es nicht um wenige Monate, sondern um mehr als dreieinhalb Jahre – im Durchschnitt hielten die Probleme 1348 Tage an. Die Forscher bezogen eine Reihe von möglichen Risikofaktoren, die unter Umständen die Entstehung einer andauernden Impotenz begünstigen, in ihre Auswertung mit ein, zum Beispiel die Anwendungsdauer, eine Prostataerkrankung, die Einnahme nicht-steroidaler Antirheumatika oder das Alter.

Längere Anwendung erhöht das Risiko

Der Knackpunkt scheint dabei vor allen die Anwendungsdauer zu sein. So war in der gesamten Kohorte nach Prostata-Erkrankung und Prostata-Operation der Zeitraum, über den die Arzneimittel eingenommen wurden, der stärkste Prediktor für das Auftreten einer andauernden erektilen Dysfunktion. In der Subgruppe der jüngeren Männer war die Dauer der Einnahme sogar der größte Risikofaktor. Nahmen sie Finasterid länger als 205 Tage ein, war ihr Risko, an dauerhaften Erektionsstörungen zu leiden, 4,9 mal höher als das von Männern, die die Arzneimittel über einen kürzeren Zeitraum anwendeten. Das sollten Anwender und Ärzte in Betracht ziehen, wenn sie sich für eine Therapie entscheiden, empfehlen die Autoren. Zumal es sich bei benigner Prostatahyperplasie und androgenetischer Alopezie zwar um chronische, aber nicht um lebensbedrohliche Beschwerden handelt – und die Wirkung beim Haarausfall nur anhält, solange man das Mittel auch nimmt. 

Ob niedrige oder hohe Finasterid-Dosen eingenommen werden, spielt als Risikofaktor übrigens nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das zeige, schreiben die Autoren, dass mit großer Wahrscheinlichkeit bereits 1 mg Finasterid die 5α-Dihydrotestosteronsynthese fast maximal blockiert. 

5α-Reduktasehemmer

Das Enzym 5α-Reduktase katalysiert die Umsetzung von Testosteron zu dessen aktiven Metaboliten 5α-Dihydrotestosteron (DHT). Am Androgenrezeptor weist DHT eine größere biologische Aktivität auf als Testosteron selbst und ist in vielen Zielgeweben die eigentliche Wirkform, während Testosteron als Prohormon fungiert.

So stimuliert DHT zum Beispiel das Wachstum der Prostata. Blockiert man dessen Synthese mit 5α-Reduktasehemmern, verkleinert sie sich. Das nützt man als Therapieansatz bei der benignen Prostatahyperplasie aus. Zum Einsatz kommen hier Finasterid oder Dutasterid.

Beim erblich bedingten Haarausfall sind die Haarwurzeln genetisch bedingt empfindlich gegenüber DHT. Haarfollikel werden durch DHT geschädigt und geschwächt, was letztendlich zum Haarverlust führt. In dieser Indikation wird Finasterid in der Regel in niedrigerer Dosis angewendet, also 1 mg statt 5 mg wie bei Prostatavergrößerung. Nach Absetzen setzt sich der Haarausfall jedoch fort.

Impotenz ist eine bekannte Nebenwirkung dieser Wirkstoffe. Bei Dutasterid tritt sie häufig auf, bei Finasterid je nach Dosierung gelegentlich bis häufig. 

Handelsnamen: Finasterid: Proscar (5 mg), Propecia (1 mg) plus Generika; Dutasterid: Avodart

Kiguradze T, Temps WH, Yarnold PR, Cashy J, Brannigan RE, Nardone B, Micali G, West DP, Belknap SM. (2017) Persistent erectile dysfunction in men exposed to the 5α-reductase inhibitors, finasteride, or dutasteride. PeerJ 5:e3020 https://doi.org/10.7717/peerj.3020

Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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