Unbeschwerter Spaß oder bedenklich?

Gleitgele im Ökotest

Stuttgart - 01.05.2017, 10:00 Uhr

Drei Viertel der Gele im Test genügen den Kriterien von Ökotest, darunter auch welche aus der Apotheke. (Foto: SENTELLO / Fotolia)

Drei Viertel der Gele im Test genügen den Kriterien von Ökotest, darunter auch welche aus der Apotheke. (Foto: SENTELLO / Fotolia)


Wer bei Gleitgelen oder -cremes nur an zwielichtige Sexshops denkt, liegt falsch. Auch in der Apotheke haben sie ihren festen Platz. Wer sie kauft? Beispielsweise Frauen, die nach der Menopause unter Scheidentrockenheit leiden. Das Verbrauchermagazin Ökotest hat ein paar gängige unter die Lupe genommen. 

Die gute Nachricht vorab: Fast drei Viertel der Gleitgele, die Ökotest sich angesehen hat, schnitten mit der Testnote „gut“ oder „sehr gut“ ab. Allerdings fielen auch vier mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“ durch.  Die Verbraucherschützer testeten unterschiedliche Arten von Gleitgelen: auf Wasserbasis, auf Silikonbasis und fettbasierte Mittel, darunter auch spezielle Gleitgele bei Kinderwunsch und medizinische Cremes gegen Scheidentrockenheit. Rechtlich gesehen sind Gleitgele übrigens Medizinprodukte der Klassen I oder IIa oder Kosmetikprodukte.

Die Gele auf Wasserbasis enthalten in der Regel Konservierungsmittel – dass das bei dieser Grundlage aus mikrobiologischen Gründen nicht anders machbar ist, weiß wohl jeder Apotheker. Doch nicht alle eingesetzten Substanzen sind in den Augen von Ökotest unbedenklich. So gilt beispielsweise Benzylalkohol, das in Vagisan® Feuchtcreme enthalten ist, als kondomschädigend. Paare, die auf diese Weise verhüten und/oder sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen, sollten dies bedenken. Andere Konservierungsmittel, die Ökotest gar nicht gerne sieht, sind Polyhexanid (in Prefert® Vaginal Gel) und Methylisothiazolinon (in Flutschi® Professional). Letzteres ist ein Kontaktallergen. Die Anwendung in Kosmetika, die auf der Haut bleiben, ist verboten. In Medizinprodukten ist es aber erlaubt. Ökotest straft die beiden Produkte mit schlechten Noten – Prefert® mit mangelhaft und Flutschi® Professional gar mit ungenügend – und rät von der Verwendung ab. 

Gleitgele auf Wasserbasis kommen am besten weg

Insgesamt kommen aber die Gele und Cremes auf Wasserbasis am besten weg. Alle mit „sehr gut“ bewerten Mittel haben diese Grundlage. Zu den Testsiegern gehören zum Beispiel Kadefungin® Befeuchtungsgel, Ritex® Bio Gleitgel, Durex® Natural Intimgel und Fromms FF® Massagegel. Mit „befriedigend“ wurden Dr. Wolff Vagisan® Feuchtcreme und Durex K-Y Jelly® bewertet. Sie haben Inhaltsstoffe, die Ökotest bedenklich findet, unter anderem PEG-Derivate.
Allerdings haben die wässrigen Gele einen Haken. Sie stehen in dem Ruf, wenig ergiebig zu sein und schnell ihre Gleiteigenschaften zu verlieren. Eine mögliche Alternative ist Silikon. Die beiden Gele im Test, Pjur® Original Bodylife und Ritex® Kinderwunsch-Gel, bekamen beide die Note „gut“. 

Was können Spezial-Gele für den Kinderwunsch?

Was ist das Besondere an einem „Kinderwunsch-Gel“? Auch das erklärt Ökotest in dem Artikel: Wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt, bedeute das für Paar Stress, heißt es. Die Lust könne abnehmen. Scheidentrockenheit sei oft die Folge. Die Betroffenen greifen zum Gleitgel. Doch das soll Untersuchungen zufolge für den Kinderwunsch kontraproduktiv sein. Denn durch den sauren pH der Gleitgele nehme die Beweglichkeit der Spermien ab, erklärt Ökotest. Die seien nämlich bei einem pH zwischen 7,2 und 8,5 am agilsten. Die Hersteller haben sich hier etwas einfallen lassen. So entsprächen die speziellen Mittel, was den pH angeht, dem vaginalen pH während der fruchtbaren Tage, heißt es. Ob es funktioniert? Für das Marketing vermutlich ja. Bezüglich des Kinderwunsches ist die Datenlage laut Ökotest sehr dünn. 

Die dritte Variante, die Ökotest bewertet hat, sind die Gele auf Fettbasis. Ganz wichtig bei dieser Klasse – auch bei der Beratung in der Apotheke: Man darf sie nicht mit Latexkondomen verwenden. Die Vorteile sind: Sie sind ergiebiger als wasserbasierte Gele und die gute Hautverträglichkeit, sofern unbedenkliche Öle verwendet werden. Letzteres war der Knackpunkt beim einzigen Mittel aus dieser Gruppe im Test: Gleitgelen® aus dem Haus Dr. Wolff. Es enthält Paraffin. Und wo Paraffin drin ist, wittert Ökotest immer aromatische Kohlenwasserstoffe, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Und tatsächlich konnten diese auch nachgewiesen werden. Daher das Urteil „mangelhaft“. 

 „Wasserbasis für den reinen Spaß am Sex“ 

Ökotest rät aufgrund dieser Ergebnisse „für den reinen Spaß am Sex“ zu den „sehr guten“ wasserbasierten Gleitgelen. Silikon- und fetthaltige Mittel seien Spezialprodukte, die nur in Ausnahmefällen verwendet werden sollen, schreiben die Verbraucherschützer. Längere Scheidentrockenheit sollte aber auf jeden Fall mit dem Gynäkologen abgeklärt werden, der dann unter Umständen eine hormonelle Behandlung veranlasst. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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