Positive Fehlerkultur macht Fortschritte
Ein wichtige Rolle spielen Checklisten, die sich bereits in 95 Prozent der chirurgischen Abteilungen bewährt haben, wie die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) bei einer Befragung von 3000 Ärzten, die in der Chirurgie arbeiten, herausgefunden hat. Checklisten helfen dabei, Fehler zu vermeiden, die eigentlich nicht passieren dürften. Laut Aussage von Professor Dr. Matthias Rothmund, ehemaliger Chefarzt der chirurgischen Abteilung in Marburg, hat man von Wirtschaftsunternehmen gelernt: Kein Flugzeug startet, ohne dass Checklisten durchgegangen werden. Rothmund hält dieses Vorgehen auch in der Medizin für unbedingt nötig, vor allem in den Bereichen, die mit einem hohen Risiko für die Patienten verbunden sind.
Checklisten in der Apotheke
Auch die Einnahme von Arzneimitteln kann gefährlich werden, insbesondere bei der Polymedikation. Dr. Oliver Schwalbe, Abteilungsleiter Ausbildung, Fortbildung und Arzneimitteltherapiesicherheit bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, hält deshalb Checklisten für eine gute Idee, um die positive Fehlerkultur voranzubringen. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe betreibt zusammen mit der Apothekerkammer Nordrhein das Berichts- und Lernportal für Fehler im Internet: CIRS (Critical Incident Reporting System). Es sammelt anonym Fehlermeldungen und Beinahe-Fehler, die in Apotheken passieren. „Seitdem wir das Portal CIRS-Pharmazie im Mai 2016 eingerichtet haben, sind bereits um die 70 Fehlerberichte eingegangen. Diese Berichte könnten wir analysieren und daraus Checklisten für die Bereiche entwickeln, in denen besonders häufig oder besonders schwerwiegende Fehler passieren,“ so Oliver Schwalbe.
Er stellt fest: „Die eingegangenen Meldungen drehen sich besonders häufig um Fehlerketten, an deren Ende ein Medikationsfehler steht. Das ist interessant, denn man hat bei diesen Verkettungen eine Reihe von Möglichkeiten, die ungünstige Entwicklung aufzuhalten. Ich sehe Checklisten gerade in diesen Fällen als geeignetes Instrument an, Fehler zu vermeiden.“
Aus Beinahe-Fehlern lernen
An zweiter Stelle der Fehlerreports stehen die Beinahe-Fehler. „Wir sind über Berichte von Beinahe-Fehlern froh, weil man bei der Analyse die Faktoren findet, die dazu beigetragen haben, dass der Fehler nicht passiert ist. Sie sagen uns also etwas über die Resilienz von Systemen.“ Schwalbe versteht unter resilienten Systemen solche, die es erlauben, flexibel auf unterschiedliche Situationen zu reagieren. „Man weiß, dass man durch starre Vorgaben Fehler weniger gut verhindern kann, als wenn man das Augenmerk auf die Faktoren legt, die den korrekten Prozess möglich machen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Notlandung eines Passagierflugzeugs auf dem Hudson-River in New York, die vor einigen Jahren Schlagzeilen gemacht hat. Hier hat man gesehen, dass der Pilot in der Lage war, die Faktoren für eine sichere Landung auf eine nicht vorausgesehene Situation zu übertragen.“
Ein Lernergebnis der CIRS-Analysen könnten solche Checklisten sein. Sie könnten dazu beitragen flexible Prozesse zu etablieren, indem sie Faktoren enthalten, die helfen, Fehler zu vermeiden. Für Apotheken, die mit einem Qualitätsmanagementsystem arbeiten, sind Checklisten nicht neu. Sie haben sich bewährt, um Abläufe zu standardisieren, unerfahrene Mitarbeiter zu unterstützen oder selten anfallende Aufgaben sicherer zu machen. Doch bei den QM-Systemen fehlt bislang der Fokus auf die Patientensicherheit.
Patienten stärker beteiligen
Auf dem Patient Safety Summit in Berlin wurde außerdem eine stärkere Patientenbeteiligung als wichtiges Instrument gesehen, Fehler zu vermeiden. Professor Rothmund hielt Ansätze für vielversprechend, die die Patienten stärker einbeziehen. Oliver Schwalbe stimmt ihm zu: „Die Patienten dafür zu sensibilisieren, dass sie selbst etwas dafür tun können, dass Arzneimittel keinen Schaden anrichten, ist enorm wichtig. Wir als Apothekerkammer unterstützen die Apotheken mit einem Laienvortrag für Patienten, wie Medikamente sicherer eingenommen werden können. Zu unserer Strategie gehört auch, darüber zu informieren, dass Patienten eine Medikationsanalyse in Anspruch nehmen können.“ Oliver Schwalbe wünscht sich, dass Apotheken die Evaluierung des Medikationsplans als Dienstleistung etablieren können.
Das Problem ist allerdings: Medikationsanalysen können zurzeit noch nicht regulär abgerechnet werden. Lediglich in Sachsen und Thüringen ist das im Rahmen von Armin möglich, und im Kammerbezirk Westfalen-Lippe kann die Analyse im Rahmen eines Vesorgungsforschungsvorhabens für Patienten, die bei der AOK-Nordwest versichert sind, mit 100 Euro vergütet werden.
So kann man Patienten informieren
Apotheken, die im Bereich Patientenbeteiligung aktiver werden möchten, können Patienten mit Tipps vom Bundesgesundheitsministerium zum sicheren Umgang mit Medikamenten allgemein und vom Aktionsbündnis Patientensicherheit zum sicheren Umgang mit Medikamenten zu Hause versorgen.
Mehr über das Fehlermeldesystem CIRS-Pharmazie lesen Sie bei DAZ.online im Beitrag Nordrhein und Westfalen-Lippe gemeinsam für eine bessere Fehlerkultur in Apotheken und hier mehr zum richtigen Umgang mit Fehlern.