Sildenafil

Rx-Status bröckelt weiter

Großbritannien / Remagen - 02.06.2017, 09:30 Uhr

Sildenafil: Großbritannien will den Viagra-Wirkstoff rezeptfrei abgeben. (Foto: MAY / dpa)

Sildenafil: Großbritannien will den Viagra-Wirkstoff rezeptfrei abgeben. (Foto: MAY / dpa)


Sildenafil in der Apotheke ohne Rezept, das wäre doch kein großer Sprung, meinen die britischen Apotheker. In Neuseeland und Polen ist der Viagra-Wirkstoff gegen erektile Dysfunktion schon für die Selbstmedikation zu bekommen.

Im nächsten Jahr wird Sildenafil, das erste orale Mittel gegen erektile Dysfunktion, 20 Jahre alt. Es ist nach wie vor überwiegend nur auf Rezept erhältlich. Ende März 2017 hatte der Originalanbieter Pfizer bekannt gegeben, dass er bei der britischen Arzneimittelbehörde (MHRA) die Entlassung aus der Verschreibungspflicht beantragt hat. Nun sondiert die MHRA den Rücklauf an Stellungnahmen, die sie im Rahmen der Anhörung vom 27. März bis zum 18. April 2017 zu dem etwaigen Switch bekommen hat.

EMA hatte zunächst abgewunken

Dies ist nicht der erst Anlauf von Pfizer, Sildenafil in Europa aus der Rezeptpflicht heraus zu bekommen. Bereits vor zehn Jahren war das Unternehmen mit einem EU-weiten Switch-Antrag bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vorstellig geworden. Die EMA hatte jedoch Bedenken wegen der fehlenden ärztlichen Überwachung geäußert. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) befürchtete überdies einen Missbrauch als Lifestyle-Arzneimittel, besonders unter jüngeren Männern. Im Jahr 2008 zog Pfizer den Antrag wieder zurück.

Apotheker sollen Risiken abfangen

Nun sieht es aber ganz nach einem Erfolg für Pfizer aus. Wie der Pharmaceutical Journal (PJ) berichtet, befürwortet die MHRA die Entlassung aus dem „prescription only medicine (POM)-Status in den „pharmacy medicine (P)“-Status für Filmtabletten mit 50 mg Sildenafil für erwachsene Männer (über 18 Jahre). Im Entwurf des öffentlichen Beurteilungsberichts der Arzneimittelbehörde zu der Umstufung wird ausführlich auf den Benefit und die möglichen Risiken der Freigabe eingegangen. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Verfügbarkeit von Sildenafil-Filmtabletten für Männer mit erektiler Dysfunktion von Wert sein könnte. Die Patienten könnten von einem Apotheker auf ihre Eignung für das Präparat geprüft und auf etwaige Risiken aufmerksam gemacht werden, wie etwa Situationen, in denen die Einnahme nicht angebracht sein könnte, oder auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Zudem würde das Risiko einer indirekten Gefährdung durch fehlende Diagnosen einer Grunderkrankung durch den Apotheker minimiert, der die Patienten gegebenenfalls zum Arzt schicken könnte. Auch das Risiko direkter Gefahren oder eines Missbrauchs wird als gering erachtet.

Fälschungen für fast 16 Millionen Pfund

Im Übrigen werde das geringe Risiko bei weitem durch die Vorteile aufgewogen, heißt es in dem Bericht weiter. Über die Abgabe in der Apotheke käme nämlich eine ansonsten schwer zu erreichende Gruppe von Männern in den Bereich der Gesundheitsversorgung, wo etwaige Herzkrankheiten eher identifiziert werden könnten. Außerdem würden die Risiken durch Fälschungen aus dem illegalen Markt gemindert. Nach Angaben des Pharmaceutical Journal hat die britische Arzneimittelbehörde 2016 und 2017 nicht zugelassene und gefälschte Mittel gegen erektile Dysfunktion im Wert von 15.7 Millionen Pfund beschlagnahmt. Die allermeisten waren nicht zugelassen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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