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Wie „digitalisiert“ sind eigentlich unsere Apotheken? Hält sich noch in Grenzen, oder? Vielleicht auch kein Wunder: Wir vermissen so richtig zündende digitale Impulse aus dem ABDA-Haus. Aber digital ist nicht alles, erst recht nicht auf dem Apothekertag. Vor der Wahl zählen andere Dinge: Politiker für uns gewinnen! DocMorris verschickt sogar Broschüren mit Mythen. Und eigenen Fakten. Immerhin: Die CSU mag uns! Vergelt’s Gott!
4. September 2017
Da geht noch ein bisschen mehr, mein liebes Tagebuch: Nur ein Drittel der deutschen Apotheken treibt digitale Konzepte voran und profitiert von den damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteilen. Aliud Pharma hat 300 Apotheker und rund 2000 Verbraucher zum Thema Digitalisierung befragt. Ja klar, Digitalisierung halten nahezu alle Apotheken (95 %) für wichtig. Aber so ganz mit Feuer und Flamme sind längst nicht alle Apotheken dabei, die digitalen Services und Helferlein so richtig für ihre Beratung, für Informationen, für den Verkauf zu nutzen. Eine Website beispielsweise, wirklich ein Muss heutzutage, haben längst nicht alle Apotheken, für 15% ist das Neuland. Mein liebes Tagebuch, eigentlich ist ein Unternehmen ohne Website heute nicht existent. Im Internet vertreten zu sein, gehört einfach dazu. Dabei ist das nicht schwer: Es gibt Dienstleister, die eine Website erstellen, die sie im Auftrag der Apotheke auch pflegen. Apropos Pflege: Schaut man sich die Internetseiten von Apotheken an, stößt man immer wieder auf Verstaubtes. Wenn an Ostern noch die Ankündigung für den Nikolaus in der Apotheke zu finden ist oder im Sommer noch auf den bevorstehenden Frühling und die Heuschnupfenzeit hingewiesen wird, dann weiß man, wie die Apotheke tickt. Mein liebes Tagebuch, noch immer verschenken Apotheken Potenzial, wenn sie kein Click&Collect anbieten: Man bietet damit dem Kunden die Möglichkeit, Arzneimittel übers Internet vorzubestellen, damit er sie dann in der Apotheke abholen kann. Und Facebook: Egal, ob man das mag oder nicht: Für ein Unternehmen, das sich fortschrittlich geben möchte, das sich auch an jüngere Kunden wenden möchte, gehört eine Facebook-Seite dazu. Sie bietet Werbe- und Kontaktmöglichkeiten – wenn man’s richtig macht. Die Umfrage zeigte auch, dass sich rund 54% der Apotheker überfordert fühlen, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche der digitalen Möglichkeiten sie einsetzen sollen, in welche digitale Hardware sie investieren wollen. Mein liebes Tagebuch, da gibt es noch Beratungsbedarf! Übrigens, es gibt kompetente Dienstleister dafür!
5. September 2017
Bleiben wir beim Thema Digitales. Es gibt sie, die Digital-Freaks unter den Apothekern. Das Cockpit von Raumschiff Enterprise ist nichts gegen die modernen Offizinen einiger fortschrittlicher Apotheken mit Monitorwänden, Tablets, totaler Vernetzung und mehr. Aber das sind nur wenige. Die Mehrheit hat da noch nicht mitgezogen. Woran liegt es eigentlich, dass die deutschen Apotheken bei der Digitalisierung nicht in der ersten Reihe mitspielen? Mein liebes Tagebuch, das zu ergründen wäre mal eine Diplomarbeit wert. Klar, Digitales kostet: die Hard- und Software, die Dienstleister, die Schulungen. Aber vielleicht hat es auch damit zu tun, dass das deutsche Internet und Funknetz schwächelt. Und es liegt mit Sicherheit daran, dass die – nennen wir sie mal – digitale Stimmung innerhalb unserer Berufsvertretung nicht von Bits und Bytes durchzogen ist. Viele Jahre wurde diesem Thema offiziell kein Augenmerk geschenkt. Es gab keine Arbeits- oder Expertenkreise dazu, auf Apothekertagen spielte es viele Jahre keine Rolle, obwohl um uns herum schon die Digitalisierung tobte. Erst in den letzten zwei, drei Jahren hat die ABDA gespürt, ups, da müssen wir ran. Eine Abteilung IT/Telematik wurde gegründet und seit April gibt es die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA), die, wie der Name verrät, die Vernetzung der Apotheken unterstützen soll. Mein liebes Tagebuch, ja, es gibt 2017 immer noch keine Vernetzung der Apotheken untereinander, keine sicheren Kommunikationswege, keine interne Plattform für alle Apotheken, auf der man sich austauschen könnte. Ein Unding, oder? Und dann kommt da Securpharm auf uns zu, der elektronische Medikationsplan, und… Mein liebes Tagebuch, Digitalisierung und Apotheke – da gibt es noch einige kleinere Arbeiten.
Die Rx-Preisbindung und die flächendeckende Arzneimittelversorgung ist miteinander verknüpft. Gibt es keine einheitlichen Preise mehr bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, werden den dadurch entstehenden Wettbewerb viele Apotheken, vor allem in ländlichen Regionen, nicht aushalten und schließen müssen: Die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln ist in Gefahr. Ein Gutachten von May, Bauer und Dettling, in Auftrag gegeben vom Deutschen Apotheker Verlag und der Noweda, hat diese Argumentationskette aufgezeigt. Der Europäische Gerichtshof hatte in seinem Urteil zur Rx-Preisbindung bemängelt, dass die Bundesrepublik Deutschland diese Verknüpfung von Rx-Preisbindung und flächendeckender Versorgung nicht ausreichend nachgewiesen habe – jetzt liegt sie vor in Form des Gutachtens. Mein liebes Tagebuch, während andere nur lamentieren, haben der Deutsche Apotheker Verlag und die Noweda gehandelt. Das Gutachten haben sie Bundesgesundheitsminister Gröhe übergeben. Er sieht es als Beleg: „Ein Rx-Versandverbot ist der richtige Weg.“ Es sind die Bausteine, die zeigen, wo’s lang geht. Ja, Gröhe steht nach wie vor eisern zum Rx-Versandverbot, es ist seine Überzeugung, dass Beratung bei Arzneimitteln mehr denn je wichtig ist und ein aggressiver Preiswettbewerb hier nichts zu suchen hat. Mein liebes Tagebuch, ob es eines Tages so weit kommen wird, dass wir ein Rx-Versandverbot haben, steht natürlich in den Sternen – es wird nicht fachlich, sondern politisch entschieden. Immerhin, Gröhe will, sollte er wieder Gesundheitsminister werden, ein Rx-Versandverbot in Koalitionsverhandlungen einbringen. Es ist ihm eine Herzensangelegenheit, wie man merkt. Mein liebes Tagebuch, es bleibt nach wie vor ein Rätsel, warum eine sozialdemokratische Partei, aber auch die Grünen den Versicherten Preiskämpfe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zumuten wollen. An der Buchpreisbindung hält man doch auch fest, warum nicht bei Arzneimitteln?
6. September 2017
Das Wahlradar ortet die ersten Politiker-Meinungen. Nachdem die ABDA-PR-Kampagne „Wahlradar Gesundheit“ noch bis zur letzten Woche schwächelte, scheint sie nun ein wenig in Gang zu kommen, auch mit prominenten Stimmen. Union-Fraktionschef Volker Kauder wurde geortet. Sein Statement: Er will den Rx-Versand verbieten und kann sich eine bessere Vergütung der apothekerlichen Gemeinwohlaufgaben vorstellen. Kauder will sich für die elektronische Gesundheitskarte einsetzen und mit der Telemedizin den Menschen ein Angebot machen. Und der CDU-Bundestagsabgeordnete und Ärztefunktionär Rudolf Henke, Chef des Marburger Bundes, stellt sich in seiner Wahlradar-Antwort hinter die Forderungen der Apotheker: Rx-Versandverbot, Apothekerhonorar weiterentwickeln, Anreize für Landapotheken. Mein liebes Tagebuch, schöne Statements, an die wir uns dann nach der Wahl gerne erinnern.
Die Apobank hat eine neuen Chef: Ulrich Sommer. Im DAZ.online-Interview konnte man den Manager ein wenig kennenlernen. Mein liebes Tagebuch, er kennt die Apothekers. Und so sieht er die richtige Richtung, wo’s lang geht sollte: Wenn eine Apotheke ein gutes Marketingkonzept hat, wenn sie kreative, gute und zukunftsfähige Ideen vorlegen kann, dann sieht er sie auf dem richtigen Weg. Dann wird Geld locker gemacht, Als ein Beispiel nennt er die Entwicklung digitaler Möglichkeiten, um die Compliance von Patienten besser im Auge zu behalten. Das sieht er wohl richtig. Mein liebes Tagebuch, da solche Konzepte sichtlich nicht „von oben“ kommen, werden wir Apothekers selbst aktiv werden müssen. Ich bin überzeugt, dass bei den jungen Pharmazeuten einige dabei sind, die digital vordenken und nicht altbacken nachmachen.
Mir kommen die Tränen, mein liebes Tagebuch. Hätte ich schon eher gewusst, dass DocMorris so ein liebes, fürsorgendes, gesetzestreues, von bösen gesetzlichen Auflagen nur so gebeuteltes und durch und durch altruistisches Unternehmen ist, ich hätte alle meine Freunde und Bekannte gebeten, nur noch dort zu bestellen. Ja, wir wären sogar nach Hüffenhardt gefahren, um unsere Rezepte dem großen schwarzen Automaten zu übergeben. Ach, danke, DocMorris, dass du nun endlich mal Klartext redest und uns in deiner neuesten Broschüre über Mythen und Fakten aufklärst. Mein liebes Tagebuch, mal im Ernst: Dem Versender von Arzneimittelpäckchen kann man nicht vorwerfen, untätig zu sein. Vor der Wahl dreht das schweizerisch-niederländische Unternehmen noch mal richtig mit einer Kampagne auf: E-Mails an Kandidaten für den nächsten Deutschen Bundestag, außerdem verschickt der Versender noch Broschüren mit dem Titel „Der Rx-Versandhandel: Mythen und Fakten“ an Politiker. Mit der Broschüre will DocMorris „zu einer sachlichen Diskussion“ zurückkehren. Der Versender zählt seine bekannten Argumente gegen ein Rx-Versandverbot auf, behauptet, keine Gefahr für die Apotheke vor Ort in Deutschland zu sein, und, ach wie harmlos, nur jedes hundertste Rezept wird bei Versandapotheken eingelöst. Natürlich steht kein Wort darüber drin, dass die Rx-Umsätze nach dem EuGH-Urteil kräftig gestiegen sind. Dann beschwört die Broschüre die Sicherheit des Versandhandels: Eine Übergabe der Arzneimittel an Kinder sei ausgeschlossen, weil auf den Päckchen doch stehe, dass nur Erwachsene die Sendung empfangen dürften. Mein liebes Tagebuch, nett, oder? Dabei gibt der Logistiker DHL die Parole aus, dass sich seine Paketboten gerade nicht an solche Aufkleber halten sollen. Und natürlich fertigt DocMorris auch Rezepturen an – bis auf wenige Ausnahmen. Welche Ausnahmen das sind, wird nicht verraten. Und, ach ja, Versandapotheken haben mehr Pflichten als stationäre Apotheken, heißt es in der Broschüre, z. B. weil die Arzneimittel binnen zwei Tage beim Besteller sein müssen. Das Fazit der Broschüre: Der Rx-Versandhandel ist so was von rein, fein und gut – wie kann man nur ohne ihn leben. Mein liebes Tagebuch, das Gute an dem Mythen-Fakten-Werk: Es ist so dick aufgetragen, dass es jeder Politiker merken muss…
7. September 2017
Charme-Offensive der CSU: Ministerpräsident Horst Seehofer und Innenminister Joachim Herrmann schreiben alle bayerischen Apotheker an und bitten um Unterstützung. „Wir setzen uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland ein“, heißt es in dem Brief. Und man hält die flächendeckende Versorgung mit Apotheken für unabdingbar. Klingt so richtig gut, mein liebes Tagebuch, geht runter wie bayerisches Starkbier. Und was sollen die bayerischen Apothekerinnen und Apotheker dafür tun? Ganz einfach: Wenn man dafür sorgen wolle, dass auch zukünftig in allen Regionen Bayerns Apotheken bestehen können (und wer will das nicht!), solle man beide Stimmen der CSU geben. Na, Madl und Buam, auf geht’s.
8. September 2017
Da ist mächtig Konfliktstoff drin, mein liebes Tagebuch: Einige Apothekenleiter könnten wegen des EuGH-Urteils die jüngste Tariferhöhung nicht umsetzen, sprich, sie verweigern ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gehaltserhöhung, weil sie sich in ihrer Existenz bedroht fühlten, sagt Andreas May, der Vorsitzende der Apothekengewerkschaft Adexa im DAZ.online-Interview. Wie das ausgeht, steht in den Sternen, denn beide Seiten sind voneinander abhängig: Ohne Mitarbeiter funktioniert keine Apotheke und vice versa. Ein weiteres Problem ist immer noch Sachsen: Dort besteht für die Apotheken nach wie vor keine Tarifbindung, da der Sächsische Apothekerverein nicht im Arbeitgeberverband der Apotheken und damit nicht an die ausgehandelten Tariferhöhungen gebunden ist. Was sich Adexa außerdem wünscht: eine tarifliche Honorierung für Fort- und Weiterbildung und eine eigene Tarifgruppe für Filialleiter. Und der Wunsch an die Politik: rauf mit dem Apothekenhonorar und eine regelmäßig Anpassung – davon profitieren dann auch die Mitarbeiter. Mein liebes Tagebuch, vielleicht hilft die CSU (siehe oben)?
Ab Mittwoch nächster Woche ist es soweit: Deutscher Apothekertag! Wer berufspolitisch engagiert ist, trifft sich in Düsseldorf. Hauptthema wird das EuGH-Urteil, das die Rx-Preisbindung für ausländische Versender aufgehoben hat. Außerdem auf dem Programm: Lieferengpässe und die Sicherheit der Lieferkette Hersteller – Großhandel – Apotheke. Und viele weitere Themen. Auch ein bisschen Digitalisierung und so. Warum nur ein bisschen? Mein liebes Tagebuch, wir sind gespannt auf die Rede des Präsidenten zur Lage. Wie soll’s denn weitergehen mit den Apotheken? In einer Woche wissen wir mehr. Aber dann!
4 Kommentare
Digital ist wichtig, aber nicht das Wichtigste
von Andreas Grünebaum am 10.09.2017 um 15:47 Uhr
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Verkehrte Welt?
von Bernd Jas am 10.09.2017 um 10:26 Uhr
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Weiter so?
von Ulrich Ströh am 10.09.2017 um 8:47 Uhr
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Apothekertag
von Frank ebert am 10.09.2017 um 8:21 Uhr
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