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Die neue Glaeske-Bibel in der einen Hand, in der anderen digitales Equipment wie Tablet und Smartphone, in einer kleinen Apotheke in 1A-Lage, mit super-kompetenten Mitarbeitern, die über alle Backen freundlich strahlen und als Königsdisziplin mit Empathie und Zuwendung das OTC-Arzneimittel überreichen und notfalls mit dem Fahrrad nach Hause bringen – diese Apotheke hat alles richtig gemacht, da passt kein Versender zwischen den Kunden und dieser Apotheke. Und wenn man dann noch fünf Jahre lang jeden Sonntag das liebe Tagebuch gelesen hat – da ist der Pharmazeut auf Wolke 7. In diesem Sinne: Danke an alle Tagebuch-Freundinnen und -Freunde.
9. Oktober 2017
Die Glaeske-Bibel ist wieder da, ganz neu! Und dieses Mal macht es der Pharmazieprofessor aus Bremen seinen Leserinnen und Lesern einfach, aber so richtig einfach, sozusagen Ampel-einfach: rot – gelb – grün, oder schlecht – geht so – gut. Die neueste Ausgabe des Buches „Medikamente im Test“ von Stiftung Warentest unter Mitwirkung von Professor Glaeske bewertet rund 9000 rezeptfreie und rezeptpflichtige Arzneimittel, u. a. mit einem Ampelschema. Endlich! Damit kann nun wirklich Hinz und Kunz den Apotheker spielen. Ja, mein liebes Tagebuch, dass wir da nicht selbst darauf gekommen sind: So einfach kann Pharmazie und Pharmakologie sein. Da schauen wir doch gleich mal in unsere Hausapotheke und werfen alle vom Arzt verordneten Arzneimittel, bei denen die Ampel auf Rot steht raus und nehmen sie auf keinen Fall mehr ein. Und da der eine oder die andere immer nur das Beste für sich will, dann räumen wir so richtig auf und kippen auch die Arzneimittel, die ein Gelb haben, in den Müll: Für uns nur das Allerbeste, wir nehmen nur die Grünen – also, nicht die Grünen, sondern die Arzneimittel mit dem grünen Ampelsignal. Und wie zu erwarten, wenn Glaeske Hand anlegt: Kombis sind des Teufels, also dunkelrot. Mein liebes Tagebuch, im Ernst: Vereinfachungen sind immer gut gemeint, aber ist das auch gut gemacht? Ist Pharmakologie so simpel? Pharmazie für Dummies? Passt eine Ampel zur Arzneibewertung oder sollte man da nicht doch das eine oder andere differenzierter sehen. Können sich die Verbraucher die Beratung von Arzt und Apotheker zum Arzneimittel nun schenken? Ist die Glaeske-Bibel das neue Glaubensbekenntnis? Eher nicht. Um Himmelswillen nein!
10. Oktober 2017
Der AOK geht’s zu langsam mit der Digitalisierung voran und deshalb erprobt sie jetzt eigene E-Health-Strategien. In Modellregionen von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin soll ein Gesundheitsnetzwerk aufgebaut und getestet werden, in dem sich Ärzte, Krankenhäuser und Patienten digital vernetzen: Jeder teilnehmende Patient erhält eine digitale Patientenakte, die alle Behandlungsdokumente enthält und die er selbst einsehen kann. Und auch die Heilberufler sollen untereinander leichter Dokumente austauschen können. Die Patientenakte soll auch Dokumente wie den Mutterpass oder Daten von Fitness-Trackern enthalten. Und klar, ein Medikationsplan ist auch dabei, ein eigener AOK-Medikationsplan. Und klar, die Apotheker sind nicht dabei. Angeblich sollen sie aber später dazukommen. Kennen wir ja schon. Abgesehen davon, dass man Apotheker eigentlich von Anfang an hätte mit einbinden können: Diese AOK-Initiative kann durchaus einen guten Impuls geben, dass vielleicht alles ein wenig schneller mit E-Health & Co. gehen könnte. Mein liebes Tagebuch, eigentlich sollte es Anliegen der Gematik sein, die Digitalisierung voranzutreiben und alle Leistungserbringer mit einzubeziehen. Im Konstrukt Gematik sitzen sie alle schon drin, die Verbände von Kassen-, Ärzten und Apothekern. Aber dieses bürokratische Konstrukt Gematik scheint sich seit Jahren immer wieder selbst zu blockieren. Vielleicht lässt sich Digitalisierung doch besser ohne die deutsche Überbürokratie in kleinen Regionen erproben, wie es die AOK in eigener Regie jetzt vorhat. Andererseits, da werden dann doppelt Gelder ausgegeben. Mein liebes Tagebuch, es ist irgendwie zum Heulen (aber nur digital), dass wir da nicht richtig vorankommen.
Wie stellen sich eigentlich unsere Ober-Apotheker die digitale Zukunft vor? Von möglichen Szenarien hört und liest man da noch wenig. Laut ABDA soll das Digitale ja auch nur dienenden Charakter haben. Mein liebes Tagebuch, Enthusiasmus und Brennen für den Fortschritt klingen anders. Man muss ja wirklich nicht alles hochjubeln, aber ein paar Diskussionen mehr zu diesem Thema wären nicht verkehrt: Wie steht die ABDA zum elektronischen Rezept auf der Gesundheitskarte? Wie schätzt sie die Befürchtung ein, dass immer mehr Patienten dann ihre Rezepte elektronisch an Versender übermitteln? Wo sollten die Apotheker im „digitalen Alltag“ – neben dem Medikationsplan – noch stärker eingebunden werden? Was macht die ABDA-Abteilung IT/Telematik? Wie weit ist der Aufbau unseres Apotheker-Netzes vorangeschritten? Vielleicht wäre das mal eine ABDA-Veranstaltung wert.
11. Oktober 2017
Das isser wieder, der Gesundheitsbus fürs Land, favorisiert von der SPD Brandenburg. Schon im letzten Wahlkampf 2014 waren die brandenburgischen SPD-Herzen Feuer und Flamme für einen Apothekenbus, um die Arzneimittelversorgung auf dem Land zu gewährleisten. Für den Sonderparteitag im November haben sie nun wieder einen Bus im Programm, dieses Mal einen „Medibus“, eine Art rollende Arztpraxis. Das Projekt hat die SPD von der Deutschen Bahn ausgeliehen, die den Medibus als Prototypen bereits gebaut hat. Er wurde bereits eingesetzt z. B. für betriebliche Gesundheitsuntersuchungen. Ab Januar 2018 soll der Medibus übers hessische Land fahren in Orte, in denen es keine Hausärzte mehr gibt. Ob der Medibus tatsächlich durchs Brandenburgische Land fahren wird, ist offen. Und von einem Apothekenbus ist derzeit nicht mehr die Rede. Mein liebes Tagebuch, ein Bus als Arztpraxis wäre in der Tat eine Option für abgelegene Orte und leichter zu realisieren als ein Apo-Bus. Denn fürs Apothekensortiment müsste man schon eher Sattelschlepper übers Land schicken. Es sei denn, man kreiert eine rollende Rezeptsammelstelle, so ein kleines Wohnmobil – aber da steht ja noch eines in der Garage, in den Niederlanden, unmittelbar an der deutschen Grenze und wartet darauf, aus seinem Dornröschenschlaf geküsst zu werden. Wird wohl vom digitalen Briefkasten überholt.
12. Oktober 2017
Recht vernünftige Ansichten zur Digitalisierung kommen aus dem Norden. Der Chef des schleswig-holsteinischen Apothekerverbands, Peter Froese, hat sich mit der Digitalisierung näher befasst. Wie er auf der Mitgliederversammlung sagte, habe er was dagegen, wenn Digitalisierung als Totschlagargument verwendet werde. Recht hat er, mein liebes Tagebuch, vor allem wenn es ums Päckchen packen geht: Und dieser Satz von Froese ist besonders schön: „Der einzige Prozess, der absolut und gar nicht digital ist, ist der ökologisch höchst fragwürdige, energetisch katastrophale, ökonomisch sinnlose und pharmazeutisch problematische Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.“ Wie Recht er hat!
Mein liebes Tagebuch, bei dieser Gelegenheit: Ich freue mich schon auf die Auswertung und Veröffentlichung einer Arbeit, die die Zustellungen von Versandapotheken untersuchte und unter die Lupe nahm. Was ich da im Vorfeld erfahren durfte – eine Katastrophe. In Kürze hier mehr dazu!
Es ging um unsere „Königsdisziplin“, die Selbstmedikation. Der Apothekerverband Nordrhein hatte schon zum fünften Mal zum OTC-Gipfel geladen zu Themen rund um OTC und Selbstmedikation. Gut, dass sich ein Verband dieses Themas annimmt. Also ehrlich, mein liebes Tagebuch, es wundert mich, dass dazu nicht mehr Veranstaltungen von Apothekerseite durchgeführt werden. Unsere „Königsdisziplin“ – den Begriff brachte vor einiger Zeit Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, ins Spiel – schöner hätte er es gar nicht ausdrücken können. Wir sollten uns immer wieder vor Augen halten: Das ist unsere ureigene Spielwiese, hier können wir uns austoben (natürlich positiv gemeint), unsere geballte Kompetenz einbringen, empfehlen, beraten, abraten, evidenzbasieren. Da freute sich sogar der Verbraucherschützer auf dem OTC-Gipfel über die Institution Apotheke und lobte sie in höchsten Tönen: Gut, dass es sie gibt. Eigentlich müsste man sogar eher den Versandhandel mit OTC verbieten als den mit Rx, ließ er durchblicken. Na, na, mein liebes Tagebuch, das können wir so auch nicht stehen lassen. Von mir aus auch OTC-Versand verbieten, das ist ja wirklich ein unkontrollierter Selbstbedienungsladen, aber dieser Zug ist abgefahren. Rx-Versand sollte man allerdings auf alle Fälle verbieten, lieber Herr Verbraucherschützer, denn da sollten Sie nicht nur die vermeintliche Bequemlichkeit für den Verbraucher sehen, sondern die fehlende Beratung und die mittelfristigen Folgen für die flächendeckende Versorgung: Auf dem Land gehen die Apothekenlichter aus! Das kann doch nicht im Sinne des Verbrauchers sein.
Was übrigens auch gegen den gesichtslosen und anonymen Versand spricht: Wir Apothekers sind auch Droge. Oder zumindest Teil der Droge! Wenn ein Apotheker ein Arzneimittel persönlich überreicht, kann das positiv zur Wirkung beitragen, ging aus dem Vortrag vom Psycho-Professor Schedlowski auf dem OTC-Gipfel hervor. Mein liebes Tagebuch, der Apotheker als Wirkverstärker, der Apotheker als Placebo. Aber gerne! Das sollten wir uns viel öfters bewusst machen, welche Wirkung wir haben. Was sich daraus auch ableiten lässt: Der persönliche Dialog zwischen Apotheker und Patient lässt sich nicht digitalisieren und ist durch nichts zu ersetzen: persönlich ist persönlich, von Mensch zu Mensch.
Interessant waren auch Ergebnisse, die der Apotheken-Ökonom Kaapke auf dem OTC-Gipfel vorstellte: Mit einer Umfrage unter Apothekenkunden untersuchte er, welche Eigenschaften bzw. Angebote einer Vor-Ort-Apotheke Einfluss darauf haben, dass ein Kunde diese Apotheke wieder aufsucht. Und mein liebes Tagebuch, rate mal, welche Eigenschaften das sind? Vielleicht die Website der Apo oder die moderne Ladengestaltung? Alles falsch! Am meisten begeistert die Kunden die Kompetenz der Mitarbeiter. Dann spielt natürlich der Standort eine große Rolle. Und auf Platz drei die Freundlichkeit der Mitarbeiter, gefolgt vom Heimlieferservice. So gesehen kann das Erfolgsrezept für eine Apotheke so einfach sein: Ein Laden an einem guten Standort mit freundlichen Mitarbeitern, die kompetent beraten und Arzneimittel auch nach Hause bringen. Die Apotheke, die das hat, hat alles richtig gemacht.
13. Februar 2017
„Bis zu 30 Euro pro Rezept“, „Bonus fürs Rezept und 10 Euro Kennenlern-Gutschein“ – die Kampagnen und Werbemaßnahmen der ausländischen Versender und Päckchenpacker, die es auf die Rezepte der Versicherten abgesehen haben, wirken. Die Arzneimittelausgaben der GKV für den ausländischen Versandhandel sind im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2016 um 13,5 Prozent gestiegen, nämlich von 175,7 Mio. Euro auf 199,4 Mio. Euro und damit wesentlich stärker als die gesamten Arzneimittelaugaben der GKV. Auch wenn der Anteil der EU-Versender mit 1,1 Prozent der GKV-Arzneiausgaben noch relativ gering ist: Der Ausgabenanstieg zeigt, dass die Prophezeiungen eintreten: Die Auswanderung der Rezepte nach Holland kommt in Gang, noch nicht dramatisch, aber stetig. Mein liebes Tagebuch, gibt es noch Hoffnung auf einen Stopp?
Und jetzt noch ein kleiner Schluck auf 5 Jahre „Mein liebes Tagebuch“. Danke an alle, die es aufgeschlagen haben, sich darin verewigt haben. Darüber freue ich mich!
5 Kommentare
DANKE!
von Dr. Christian Meisen am 15.10.2017 um 22:00 Uhr
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5 Years ago
von Dr.Diefenbach am 15.10.2017 um 16:32 Uhr
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Es ist eine Frage des Willens ...
von Gunnar Müller, Detmold am 15.10.2017 um 15:34 Uhr
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Danke für fünf Jahre Tagebuch
von Thesing-Bleck am 15.10.2017 um 8:31 Uhr
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AW: Danke für fünf Jahre Tagebuch
von Ulrich Ströh am 15.10.2017 um 9:05 Uhr
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