Gutachten des BMWi

Gibt es tatsächlich einen Milliardenüberhang beim Apothekenhonorar?

Stuttgart - 09.11.2017, 16:24 Uhr

Bekommen die Apotheken zu viel Honorar? Die Gerüchteküche, was das Gutachten ergeben könnte, brodelt. (Foto: dpa)

Bekommen die Apotheken zu viel Honorar? Die Gerüchteküche, was das Gutachten ergeben könnte, brodelt. (Foto: dpa)


Was steht im Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums? Die Gerüchteküche kocht. Angeblich soll das Gutachten behaupten, die deutschen Apotheken erhielten 1,7 Milliarden Euro zu viel Honorar. Ein Gesundheitsexperte, der Einblick in das Gutachten hat, hat diese Zahl gegenüber DAZ.online bestätigt. Die über einen Beirat am Gutachten beteiligten Verbände ABDA und Phagro hingegen wollen sich an den  Spekulationen nicht beteiligen.

Laut einem Bericht des Branchenportals „Apotheke Adhoc“ sollen die Gutachter der mit der Erstellung beauftragen Agentur 2hm zu dem Schluss gekommen sein, dass die deutschen Apotheken massiv überfinanziert seien. Von 1,7 bis 2 Milliarden Euro ist die Rede, die angeblich jedes Jahr zu viel an Honorar in System fließen sollen. Ein Gesundheitsexperte, der Einblick in das Gutachten hat, bestätigt gegenüber DAZ.online, dass 2hm tatsächlich von einem Milliardenüberhang ausgehe. Nach seiner Aussage soll dieser sich auf 1,7 Milliarden Euro belaufen.  

ABDA und Phagro: „Wir kennen den Inhalt nicht"

Die ABDA und der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), die über einen Beirat in die Gespräche über das Gutachten eingebunden sind, bestätigen dies nicht. Sie erklären, den Inhalt des Gutachtens nicht zu kennen, ebenso wenig wie den Zeitpunkt der Veröffentlichung. „An Spekulationen zu der Veröffentlichung beteiligen wir uns daher auch nicht“, sagte ein ABDA-Sprecher gegenüber DAZ.online. Die gleiche Aussage kommt vom Phagro. Auch mehreren Gesundheitsexperten von Union, SPD, Grünen und Linken ist der Inhalt des Gutachtens nicht bekannt, wie sie gegenüber DAZ.online erklären. Seitens des BMWiheißt es: „Das Gutachten zur Arzneimittelpreisverordnung ist noch nicht final abgenommen. Dieses Verfahren läuft noch und dauert an.“

85.000 pro Apotheke zu viel?

Dass das Gutachten Einsparpotenziale und eine Überfinanzierung im System offen legen könnte, hatte sich bereits angedeutet. Die Zahl von 1,7 Milliarden Euro dürfte jedoch die meisten überraschen – sollte sie sich tatsächlich in dieser Größenordnung bewegen. Laut offizieller Statistik der GKV beläuft sich das Apothekenhonorar insgesamt auf etwa 5 Milliarden Euro im Jahr. Demnach würde im Durchschnitt jede Apotheke etwa 85.000 Euro im Jahr zu viel erhalten. Das läge über dem Teilbetriebsergebnis, das eine durchschnittliche Apotheke mit der Gesetzlichen Krankenversicherung erwirtschaftet. Dieses lag 2016 laut ABDA bei 83.000 Euro. 

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Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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10 Kommentare

Grundannahmen falsch

von Landapotheker am 09.12.2017 um 8:53 Uhr

Die Annahme im Gutachten man könne die Kosten in der Apotheke runterbrechen und aufteilen auf die Abgabe von OTC, Apothekenübliche Waren und Rx (und nur dieser Anteil soll von der GKV honoriert werden ohne Quersubventionierung) ist leider grundfalsch.
Die mit Abstand meisten Kosten in der Apotheke (nach Wareneinsatz) ergeben sich aus der Einhaltung gesetzlicher Regelungen. Dazu gehören die vorgeschriebenen Größen der Betriebsräume, die Mindestausstattung an pharmazeutischen Personal, Dokumentation usw.... Diese Kosten entstehen bevor auch nur eine einzige Packung (egal von was) abgegeben wird, sind aber Voraussetzung dafür, dass die Behörde die Betriebserlaubnis erteilt. Diese ist Grundvoraussetzung dafür, das überhaupt Arzneimittel abgegeben werden dürfen. Die damit verbundenen Kosten sind also mit der Fähigkeit verbunden überhaupt Arzneimittel abgeben zu können(und damit den gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen) und können nicht anteilig auf Rx,OTC und apothekenübliche Waren(die übrigens auch in jeder Drogerie verkauft werden) runtergebrochen werden.
Diese Kosten müssen demnach auch vollumfänglich von der Krankenversicherung getragen werden.

Die Behörde macht einen den Laden zu, wenn man die Anforderungen nur anteilig erfüllt.

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Andere Lesart

von Andreas Grünebaum am 12.11.2017 um 15:04 Uhr

Die andere Lesart wäre, dass die Apotheke noch Luft zur Einsparung hätten: das Gutachten hat ergeben, dass 85.000 Euro Einsparungspotential bei den variablen Kosten drin wären. Darunter vor allem die Personalkosten für die überflüssige PTA, Helferin und Aushilfsapothekerin, sowie für völlig unnötige Werbe- und Repräsentationskosten. Schließlich macht die PTA des befragten Apothekers die Rezepturen "mit links" und völlig nebenbei - da kann es doch stattdessen auch gleich der Apotheker im Notdienst selbst machen. Falls man doch einmal Leerlauf hätte, könnte man dann währenddessen die Standgefäße füllen oder abstauben.
Also: auch wenn man keine 85.000 finden sollte, sind doch entsprechende Einsparungspotentiale vorhanden. ;-)

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Ist das Kompetenz

von Ratatosk am 10.11.2017 um 10:58 Uhr

Sollte es auch nur halbwegs stimmen, zeigte sich die völlige Inkompetenz der Gutachter, oder einfach wieder der Wille zur Apothekenvernichtung.
Und weil wir ja alle viel zu viel verdienen, schließen immer schneller immer mehr Apotheken, ob auf dem Land und auch schon in den Städten !

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Honorar

von Michael Zeimke am 10.11.2017 um 8:51 Uhr

Wir erhalten genau 5 Mrd zuviel.

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AW: Honorar

von Andreas Grünebaum am 12.11.2017 um 16:30 Uhr

... von 2,3 Milliarden Wertschöpfung in 2016 gemäß ABDA Daten und Fakten für 2016

"Helfe bei Hausaufgaben für Mittagessen"

Wenn jemand meine

von Peter Lahr am 09.11.2017 um 17:23 Uhr

85 000 Euro findet darf er sie behalten, bei mir sind sie jedoch leider nicht zu finden, egal wie lange ich suche. Auf adhoc ist ja eine heitere Diskussion im Gange wobei ich zwei Varianten als am logischsten erachte.

Die erste wäre, dass man versehentlich den Bruttobetrag ohne Zwangsabschlag eingearbeitet hat, das wären um die 10€ die den wirklichen 6,86€ gegenüberstehen.

Die zweite wäre, dass man eventuell das Vorzeichen übersehen hat. Über den Daumen hat die Apotheke seit Einführung 30% Kostensteigerung erfahren aber auf Honorarseite keine Inflationsbereinigung, -22% und nur 24% mehr Packungen wodurch sich +2 auf der Einnahmen- und +30 auf der Ausgabenseite prozentual gegenüber stehen, bezogen jetzt rein auf das Honorar. Das wären dann von den +- 40% "zuviel" 30% für die Ausgaben und 10% echte Ertragssteigerung aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Denn rein durch die Inflation müsste im Vergleich zum Ertrag 2004 von 163 000 zum Zeitpunkt der Einführung +22% 2017 eigentlich 198 000 stehen, alles auf die hypothetische Durchschnittsapotheke bezogen. Die Zahlen von 2016 weisen bei der Durchschnittsapotheke ein Ergebnis von ca. 140 000 aus, +10% aus RX wären das 154 000 . Dann noch das AMNOG rausgerechnet käme eine Unterdeckung von 1,7 Mrd. der Logik am nächsten denn das AMNOG waren ja 400 Mio pro Jahr oder 20 000 pro Apotheke. Damit wären wir im Vergleich zur Inflation "nur" bei +- 20 000 echtem Ertragsverlust 2004-2017.

Was ich mir persönlich nicht vorstellen kann ist dass man in dem Gutachten wirklich davon ausgeht dass 85 000 Euro pro Durchschnittsapotheke Luft wären. Denn 140 000 abzgl. 85 000 wären 55 000 als Betriebsergebnis, vor Steuern, Abgaben, Vorsorge, Tilgung. Wohlgemerkt, für die Durchschnittsapotheke mit +- 2,3 Mio Nettoumsatz. Und weil die Gutachter wohl im Zuge des Gutachtens festgestellt haben dürften, dass dieser Durchschnitt von der Mehrzahl der deutschen Apotheken garnicht erreicht wird sondern deutlich darunter liegt finde ich es recht unwahrscheinlich dass man gewillt ist den Ertrag der deutschen Apotheke um knapp 60% mit diesem Gutachten mehr als zu halbieren.

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AW: GKV-Statistik

von Christoph Heiring am 09.11.2017 um 19:36 Uhr

"Laut offizieller Statistik der GKV beläuft sich das Apothekenhonorar insgesamt auf etwa 5 Milliarden Euro im Jahr"

Was ist das für eine "offizielle Statistik" ? Wie kommt die GKV auf diese Zahl?

Was meint die GKV mit "Apothekenhonorar" , doch wohl nicht etwa den Rohertrag:

https://www.gkv-spitzenverband.de/presse/themen/apothekenhonorierung/thema_apothekenhonorierung_1.jsp

????

Interessant

von Anita Peter am 09.11.2017 um 17:08 Uhr

"Demnach würde im Durchschnitt jede Apotheke etwa 85.000 Euro im Jahr zu viel erhalten. Das läge über dem Teilbetriebsergebnis, das eine durchschnittliche Apotheke mit der Gesetzlichen Krankenversicherung erwirtschaftet. Dieses lag 2016 laut ABDA bei 83.000 Euro. "

Aha, dann müssen wir zukünftig Geld an die GKVs abführen um ihre Kunden bedienen zu dürfen. Interessant.

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Bauchgefühl

von Christian Giese am 09.11.2017 um 16:48 Uhr

Wenn ich etwas runterhandeln will, sage ich immer, bisher war es eh zu viel.

Politiker stimmen zumeist mit ihrem Bauchgefühl ab.

Also, wenn die eh zu viel bekommen haben, ist es ja wohl rechtens, wenn man ihnen dieses bisher eh zu viel zukünftig streicht.
So geht´s!

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Mal abwarten

von Peter Bauer am 09.11.2017 um 16:42 Uhr

Erst mal abwarten was wirklich in dieser Studie steht.Und dann muß man weiter abwarten welche Folgen dann angedacht sein werden.Nach diesen Gerüchten wären ja alle in die Angelegenheit involvierten Ministerien ,Krankenkassen und Apotheker in den letzten Jahren mit absoluter Blödheit geschlagen und hätten in einer anderen Welt gerechnet. Fakt ist momentan,dass jeder Euro Kürzung des Apothekenhonorars die Anzahl der Apothekenschließungen beschleunigt.
Also liebe Kollegen:weiterhin nicht zittern beim Abfüllen!

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