Neuer Bluttest

Paracetamol-Vergiftungen schneller erkennen

Stuttgart / Edinburgh - 21.11.2017, 16:30 Uhr

In Deutschland unterliegt Paracetamol ab 10 g pro Packung der Verschreibungspflicht. (Foto: dpa)

In Deutschland unterliegt Paracetamol ab 10 g pro Packung der Verschreibungspflicht. (Foto: dpa)


Paracetamol ist ein sicheres Analgetikum – wenn Patienten es in der richtigen Dosierung einnehmen. Überdosierungen mit Paracetamol sind jedoch die häufigste Ursache akuter Leberschädigung. Das Antidot ist ACC. Nur wann ist eine Gabe sinnvoll? Die bislang genutzten Marker sind wenig spezifisch. Forscher berichten im Lancet über einen neuen Bluttest, der die Therapie der Paracetamol-Vergiftung verbessern könnte.

Ob unbeabsichtigt oder missbräuchlich – Paracetamol ist die häufigste Ursache für eine akute Leberschädigung, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa. Das Antidot Acetylcystein (ACC) hilft bei Paracetamol-Überdosierungen, indem es den Glutathion-Pool regeneriert – wenn Patienten es innerhalb weniger Stunden nach Intoxikation erhalten. Die Entscheidung, ob ACC nach einmaliger Überdosierung gegeben wird oder nicht, stützen Ärzte derzeit auf die berichtete eingenommene Dosis und der gemessenen Paracetamol-Konzentration im Blut des Patienten.

Als Marker zur Beurteilung der Leberschädigung dient außerdem die Serum-Alanin-Aminotransferase ALT. Auch wenn Ärzte die Schwelle zur entgiftenden Gabe von ACC eher niedrig ansetzen, entwickeln dennoch manche Patienten eine akute Leberschädigung. Denn beide Marker – Paracetamol Konzentration und ALT – sind, insbesondere wenn sie kurze Zeit nach der Einnahme bestimmt werden, wenig spezifisch, und beide haben nur geringen Wert, ein Leberversagen vorauszusagen. Der Grenzwert für eine ACC-Gabe liegt in der Regel bei einer ALT von 100 U/l.

Noch kritischer ist die Situation bei einer „gestaffelten“ Überdosierung: Der Patient nimmt das „Zuviel“ an Paracetamol nicht als Einzeldosis, sondern verursacht die Intoxikation durch mehrmalige Paracetamol-Einnahmen. Diese „staggered overdose“ geht mit einem noch höheren Risiko für eine akute Leberschädigung einher als die einmalige. Und dass es Komplikationen zu verhindern gilt, ist nicht nur gesundheitlich für den Patienten bedeutsam, sondern auch im Hinblick auf die entstehenden Kosten: Akute Leberschädigung korreliert direkt mit einer längeren Aufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus. In schweren Fällen bei akutem Leberversagen sogar mit einer Lebertransplantation. Warum geben die Ärzte dann nicht einfach ACC? Die Standardinfusionsdauer von Acetylcystein liegt in UK bei 21 Stunden – was natürlich auch Betten in Krankenhäusern unnötig belegt, wenn der Zustand des Patienten eigentlich unkritisch ist.

Neue Marker zeigen Paracetamol-Vergiftung früher an

Die Situation der Antidot-Gabe von ACC bei Paracetamol-Vergiftungen ist folglich wenig optimal, exaktere Voraussagen sind wünschenswert. Erste Gehversuche zu neuen Markern muten optimistisch an, sodass sogar der Lancet diesen einen Platz in der Lancet Gastroenterology& Hepatology vom November 2017 einräumt. Zwei Kohortenstudien an 1187 Patienten konnten zeigen, dass die Biomarker microRNA-122 (miR-122), high mobility group box-1 (HMGB1) und keratin-18 (K18) einen besseren prädiktiven Wert bei einer Paracetamol-induzierten Leberschädigung haben als ALT allein.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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