Interview Sabine Richard (AOK-BV)

„Mit AOK-Verträgen hätte der Zyto-Apotheker keine Chance gehabt“

Berlin - 30.11.2017, 07:00 Uhr

Sabine Richard, Versorgungschefin des AOK-Bundesverbandes, sprach mit DAZ.online über die Kontrollmöglichkeiten der Kassen gegenüber Zyto-Apothekern. (Foto: DAZ)

Sabine Richard, Versorgungschefin des AOK-Bundesverbandes, sprach mit DAZ.online über die Kontrollmöglichkeiten der Kassen gegenüber Zyto-Apothekern. (Foto: DAZ)


Hätte der Skandal um den Bottroper Zyto-Apotheker früher aufgedeckt werden können, wenn es exklusive Zyto-Verträge gegeben hätte? Dieser Meinung ist jedenfalls die Versorgungs-Chefin des AOK-Bundesverbandes, Dr. Sabine Richard. Im Interview mit DAZ.online erklärt sie, warum der beschuldigte Apotheker Peter S. „keine Chance“ bei der AOK gehabt hätte. Und: Richard erklärt, warum der Start der neuen Zyto-Rabattverträge so schleppend anläuft.

DAZ.online: Sehr geehrte Frau Dr. Richard, seit einigen Wochen experimentieren die Kassen nun mit neuen Rabattverträgen für Zytostatika. Welche Erfahrungen macht das AOK-System?

Richard: Ernüchternde. In den Regionen, in denen wir an Ausschreibungen beteiligt sind, ist das Interesse der Hersteller nicht gerade groß. In Nordrhein-Westfalen haben wir acht Wirkstoffe vergeben, ausgeschrieben waren 55 Wirkstoffe. Sehr erstaunt bin ich auch über einige Apotheker, die uns jetzt fragen, ob sie die Rabattverträge überhaupt bedienen müssen. Dabei waren es doch auch die Apotheker, die die Herstellerrabattverträge als Ersatz für die Exklusiv-Verträge mit Apothekern forderten. Und letztlich merken wir auch finanziell, dass die Rabattverträge derzeit aufgrund der geringen Teilnahme der Hersteller, aber auch dauerhaft keine Kompensation für die weggefallenen Exklusiv-Verträge sind. Hierauf hatten wir ja schon im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen.

DAZ.online: In Hochrechnungen haben Sie angegeben, dass das GKV-System pro Jahr 600 bis 800 Millionen Euro mit den exklusiven Apothekenverträgen sparen konnte. Wie viel verlieren Sie denn jetzt bei den Einsparungen durch das neue Konstrukt?

Richard: Derzeit die vollen 600 bis 800 Millionen Euro, weil die Verträge ja quasi noch gar nicht existent sind und die neuen Preise in der Hilfstaxe ja aufgrund der stockenden Verhandlungen auch noch nicht geklärt sind.

Zur Person

Sabine Richard ist Diplom-Volkswirtin. Zwischen 1993 und 2001 arbeitete sie beim damaligen BKK Bundesverband in Essen. Anschließend war sie Leiterin des Bereichs Arzneimittel bei der AOK Berlin und sammelte dort erste Erfahrungen mit Rabattverträgen. Von 2010 bis 2013 war sie Leiterin Arzneimittel bei der AOK Berlin-Brandenburg, die dann später in die AOK Nordost aufging. In dieser Funktion experimentierte sie in Berlin auch als eine der ersten mit exklusiven Verträgen für Zyto-Apotheker. Dr. Richard ist derzeit Geschäftsführerin der Geschäftsführungseinheit Versorgung beim AOK-Bundesverband.

DAZ.online: Warum beteiligen sich die Hersteller denn nicht besser? Vermuten Sie einen Boykott?

Richard: Über die Gründe können wir nur spekulieren und hoffen nun, dass etwas Bewegung in den Markt kommt, wenn sich immer mehr Firmen anschließen. Ähnliche Erfahrungen haben wir ja damals auch mit den ersten Generika-Ausschreibungen gemacht.

DAZ.online: Oder sind vielleicht einfach die Rabatte zu hoch, die die Kassen von den Unternehmen verlangen?

Richard: Nein, das kann ich ausschließen. Wir haben uns mit unseren Rabatten an den Erfahrungen und den Marktgegebenheiten orientiert.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Behauptung und Wahrheit

von Markus M. am 30.11.2017 um 12:08 Uhr

1."Mit Zyto-Verträgen hätte er keine Chance gehabt..."
In den mir bekannten Zyto-Ausschreibungsverträgen sind viele Qualitätskriterien von seiten den jeweiligen Kasse vorgegeben. Leider musste man diese nicht belegen. Eine einseitige! unterschriebene Erklärung über die Einhaltung der Kriterien reichte allen Kassen. Dies wurde von keiner Kasse im Vorfeld oder während der Laufzeit kontrolliert. Kein Einsenden von QMS-Zertifikaten, kein Überprüfen der Qualitätsstandards (ordentliches QMS-System?). Einziges Kriterium für den Zuschlag war der Preis...
Im Übrigen war die Bottroper Apotheke auch unter den Ausschreibungsgewinnern.
2. "Verträge stärken die regionale Versorgung..."
In allen Verträgen war es möglich mit weiteren Apotheken oder Herstellbetrieben als Nachunternehmer zusammenzuarbeiten. Wo diese herstellten war zweitrangig. Somit konnten sich im Einzelfall Apotheken ohne Zytostatika-Labor oder meist mit einem sehr kleinen Labor zusammen mit einem Nachunternehmer berwerben. Dieser Nachunternehmer war nicht selten ein Herstellbetrieb, der über hunderte Kilometer die Zubereitungen heranschaffte. Ausgeliefert hat die "regionale" Vertrags-Apotheke vor Ort. Nur ad hoc Zubereitungen wurden dann wirklich regional hergestellt.

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schlechtes Interview...

von Michael Weigand am 30.11.2017 um 9:41 Uhr

...man hätte die Dame mal fragen sollen, was dann so schlecht an den GWQ-Verträgen ist. Laut Medien war der Bottroper Apotheker ja dort Losgewinner...so AOK-Ausschreibungen gut und GWQ schlecht? Auch hier ist es eigentlich wieder mehr als unmoralisch, wie eine Tragödie für die Opfer instrumentalisiert wird. An den Interviewer die Frage, war es verboten da genauer nachzufragen???

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