„Verbände und Experten haben vor DocMorris gewarnt“
Es gibt wohl keinen Ort in Deutschland, an dem die beiden Fronten im Apothekenmarkt so direkt aufeinander treffen, wie im baden-württembergischen Hüffenhardt. Auf der einen Seite sind da die Apotheker: Nach der Schließung der einzigen Apotheke im Ort gestaltete sich die Nachfolgersuche schwierig, die Kammer ließ eine Rezeptsammelstelle zu und meint bis heute, damit sei die Versorgung im Ort gesichert. Auf der anderen Seite steht die niederländische Versandapotheke DocMorris, die in den Geschäftsräumen der alten Apotheke einen Abgabe-Automaten errichten ließ, an dem sich die Hüffenhardter per Video-Schalte von Holland aus beraten lassen konnten. Doch der Automat hatte nur eine kurze Halbwertszeit: Erst von der Überwachungsbehörde geschlossen, ist er nun auch erst einmal gerichtlich untersagt.
Wie es in Hüffenhardt mit der Arzneimittelversorgung weitergeht, entscheiden aber nicht nur die Gerichte, sondern auch die Politik. Denn es war Bürgermeister Walter Neff, der die Kooperation mit DocMorris überhaupt erst an Land zog. Auch in einem Interview mit DAZ.online äußerte er die Hoffnung, dass die Versorgung nach dem Wegfall der Apotheke durch die Niederländer gesichert werden könnte. Wörtlich sagte er: „Ob ein Apotheker vor Ihnen steht oder ob er über Video zugeschaltet ist und er die Abgabe des Arzneimittels freischaltet, ist im Prinzip dasselbe.“ Auch der Hüffenhardter Gemeinderat war voll im DocMorris-Fieber: Von der Versandapotheke eingeladen, reiste das gesamte Gremium im vergangenen Jahr nach Holland, um sich die Unternehmenszentrale anzuschauen.
Neff und Hagendorn streiten über DocMorris
Doch nun stehen in Hüffenhardt am kommenden Sonntag Bürgermeisterwahlen an. Neff tritt gegen den parteilosen Herausforderer Armin Hagendorn an. Hagendorn ist gebürtiger Berliner und arbeitet im Kultusministerium Baden-Württemberg. Im Wahlkampf der vergangenen Wochen stritten die beiden Kontrahenten zuletzt über die Themen Windkraft, Busverkehr, Straßenbeleuchtung, die Parkplatzsituation – und die Arzneimittelversorgung.
Auf Nachfrage von DAZ.online wollte sich Hagendorn kurz vor der Wahl am Sonntag nicht mehr zu dem Thema äußern. Mit der lokalen Rhein-Neckar-Zeitung führten beide Kandidaten allerdings ein Interview, in dem auch die Causa DocMorris thematisiert wurde. In diesem Interview liefert Hagendorn eine spannende Neuigkeit. Denn offenbar habe es einen Apotheker gegeben, der sich für eine Übernahme der leerstehenden Apotheke ins Spiel gebracht hatte. Wörtlich sagt Hagendorn in dem Interview: „Obwohl ein ortsansässiger Interessent in der ehemaligen Brunnen-Apotheke eine klassische Apotheke betreiben wollte, ließ sich unser Bürgermeister auf DocMorris und deren umstrittenes, internetbasiertes Geschäftsmodell ein - mit dem Ergebnis, dass Hüffenhardt nun ohne Apotheke dasteht. Nachdem Apothekerverbände und Gesundheitsexperten seit Jahren vor DocMorris warnen, war diese Pleite für jeden absehbar.“
Neff: Ja zu neuen Versorgungsformen
Völlig anders sieht dies nach wie vor Amtsinhaber Neff. Er stellt in erster Linie klar, dass er nicht im Interesse der Versandapotheke, sondern im Interesse der Hüffenhardter gehandelt habe. Neff in dem Interview: „Ich bin weder Lobbyist der Apotheker noch eines Konzerns. Wir konnten 2015 keinen Apotheker als Nachfolger für die örtliche Apotheke gewinnen. Mir ist eine Versorgung mit Medikamenten und Beratung wichtig. Deshalb setze ich mich dafür ein, für meine Gemeinde und grundsätzlich für den ländlichen Raum, dass die Versorgung mit Medikamenten auch auf andere, sichere Weise möglich ist. Deshalb: Ja zu neuen Versorgungsformen.“
So wie die beiden Lokalpolitiker ist sich übrigens auch die baden-württembergische Landesregierung uneins über den Abgabeautomaten von DocMorris. Während Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) das Geschäftsmodell ablehnt und auf eine Versorgung durch die Apotheke setzen will, würde Innen- und Digitalminister Thomas Strobl (CDU) es begrüßen, wenn auch in der Arzneimittelversorgung neue Versorgungsformen wie der Arzneimittel-Automat ans Netz gehen könnten.