Kammern teils unzufrieden mit Honorar-Strategie der ABDA
Beim diesjährigen Pharmacon in Schladming hatte es heftige Diskussionen zwischen Apothekern und der ABDA-Spitze bezüglich des Honorar-Gutachtens vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gegeben. Mehrere Apotheker wollten von der Standesvertretung wissen, warum man sich nicht offensiver und argumentativ mit dem Papier auseinandersetze. Die Apotheker wurden teils gar nicht zu Wort gelassen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt antwortete dann aber doch auf eine Frage. „Dieser Text, der jetzt vorliegt, darf keine Grundlage für eine echte politische Auseinandersetzung werden, weil er dafür ungeeignet ist!“, so der ABDA-Präsident. Nach Ansicht Schmidts enthält das Gutachten derart viele falsche Prämissen, die unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen führen. Das sei für eine Reform der Arzneimittelpreis-Verordnung keine geeignete Basis.
Anscheinend war diese hitzige Debatte nun auch für einige Vorsitzende und Präsidenten der Mitgliedsorganisationen zu viel. Dem Vernehmen nach hat Günter Hanke, Kammerpräsident in Baden-Württemberg, einen Brief an die ABDA geschrieben. In diesem Schreiben bittet Hanke darum, dass sich die Standesvertretung in Berlin stärker inhaltlich mit dem Gutachten beschäftigt. Ziel von Hanke ist es, dass die Apotheker in öffentlichen Gesprächen die Schwachstellen des Gutachtens aufzeigen können. Auch aus der Apothekerkammer Niedersachsen kam Protest: Schon beim Pharmacon-Kongress hatte Präsidentin Magdalene Linz öffentlich moniert, dass die ABDA ihre Mitglieder kein einziges Mal darüber informiert habe, wie man sich zum Gutachten positioniere und welche Strategie eingeschlagen werde.
ABDA-Mitglieder beschweren sich bei Schmidt
Doch damit noch nicht genug: Anfang der Woche soll nach Informationen von DAZ.online eine Video-Konferenz des ABDA-Gesamtvorstandes stattgefunden haben. Zum ABDA-Gesamtvorstand gehören neben Schmidt und seinem Vize Mathias Arnold insgesamt 34 Vertreter aus allen Kammern und Verbänden in Deutschland. Einige Standesvertreter aus den Ländern sollen Schmidt relativ deutlich zur Rede gestellt haben und auch darauf verwiesen haben, dass die Apotheker auch in der Öffentlichkeit sehr gerne einen größeren Widerstand gegen das Gutachten sehen würden, das – wenn es denn 1:1 umgesetzt würde – für viele Kollegen das aus bedeuten könnte.
Aber auch in dieser Gesprächsrunde soll Schmidt dabei geblieben sein: Die ABDA wird sich nicht mit den Inhalten des 2HM-Gutachtens beschäftigen – zumindest in der Öffentlichkeit nicht. Um seine Argumentation zu untermauern, hat der Präsident am gestrigen Donnerstag noch einen Brief an die Mitglieder des Gesamtvorstandes geschickt, der DAZ.online nun vorliegt. Dort heißt es: „Wir wollen erreichen, dass die politische Diskussion über die angemessene Honorierung der in der Apotheke erbrachten Leistungen mit den richtigen politischen Prämissen geführt und innerhalb der richtigen Leitplanken geführt wird. Das Gutachten von 2HM ist für eine solche Diskussion keine geeignete Grundlage und eine vertiefte Diskussion hierüber, die in der Gedankenwelkt dieses Gutachtens verharrt, wäre für die Apothekerwelt schädlich.“
Schmidt: RX- und OTC-Versorgung nicht getrennt betrachten
Schmidt zählte im Folgenden auf, welche Prämissen im Gutachten aus seiner Sicht so falsch sind, dass sie nicht einmal einer Diskussion würdig seien. Konkret geht es der ABDA um die Feststellung, dass bereits ein „großmaschiges“ Apothekennetz ausreiche, um die Versorgung zu sichern. Schmidt ist sich auch sicher, dass das Gutachten fehlerhafte Rechnungen enthält. So sei die Annahme, dass die Rx- und die OTC-Versorgung als zwei getrennte Versorgungsbereiche zu betrachten sind, nicht richtig. Beide Bereiche sind laut Schmidt gleich relevant und könnten nicht getrennt voneinander betrachtet werden.
In der Tat war eine der zentralen Aussagen des Gutachtens, dass die Rx-Vergütung für die Apotheker derzeit die OTC-Versorgung mitfinanziere. Das gefiel den Gutachtern nicht – deswegen rechneten sie das Fixhonorar klein. Aus Schmidts Sicht ließe das nur eine Konsequenz zu: „Eine Entlastung der Krankenkassen durch die Absenkung der Vergütung für Rx-Arzneimittel müsste durch Preisanhebungen bei verschreibungsfreien Medikamenten kompensiert werde, die die Patienten selbst bezahlen müssen, und zwar ohne eine soziale Belastungsgrenze.“ Des Weiteren stört sich Schmidt daran, dass die Gutachter willkürlich einen „gerechtfertigten“ Lohn für die Apotheker festgeschrieben habe. Das unternehmerische Risiko werde dabei aber verkannt.
Bei einigen „Standesfürsten“ soll Schmidt mit dieser Argumentation durchaus überzeugt haben. Ein Teilnehmer der besagten Video-Konferenz erklärte gegenüber DAZ.online, dass man diese Annahmen schon „halb hinnimmt“, wenn man überhaupt darüber spreche. Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, hat ebenfalls großes Verständnis für das Vorgehen der ABDA: „Das Gutachten enthält nun einmal mehrere handwerkliche Fehler, sogar die falsche Apothekenzahl. Die größte Fehlannahme ist es aber, dass man versucht, die Rx- und die OTC-Versorgung zu differenzieren. Paragraf 1 des Apothekengesetzes enthält die Sicherstellung der Versorgung mit ALLEN Arzneimitteln. Somit muss auch die Versorgung mit OTC-Präparaten solidarisch finanziert und sichergestellt sein. Wenn ich anfange, über die Inhalte des Gutachtens zu sprechen, bestätige ich solche Fehlannahmen zumindest teilweise.“