Große Koalition

„Das Rx-Versandverbot wird die Maut des Jens Spahn“

Berlin - 15.03.2018, 09:00 Uhr

Martina Stamm-Fibich (SPD) wartet gespannt auf den Gesetzentwurf zum Rx-Versandverbot aus dem BMG. (Foto: dpa)

Martina Stamm-Fibich (SPD) wartet gespannt auf den Gesetzentwurf zum Rx-Versandverbot aus dem BMG. (Foto: dpa)


Koalitionsverträge sind für die Vertragspartner zwar rechtlich nicht bindend, politisch sind sie jedoch eine klare Vorgabe. Beim Rx-Versandverbot scheint aber einer der beiden Koalitionspartner große Probleme mit dem Vertrag zu haben: Auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sagte Martina Stamm-Fibich, Arzneimittel-Expertin in der SPD-Bundestagsfraktion, dass der neue Bundesgesundheitsminister große Probleme mit dem Verbot bekommen werde.

Dass die SPD über das Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag nicht gerade begeistert ist, war klar. Zu groß war der Widerstand der Sozialdemokraten gegen das Verbot in der vergangenen Legislaturperiode. Die neue gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Sabine Dittmar, hatte im DAZ.online-Interview allerdings klargestellt: Hier gehe es nicht um eine Gewissensentscheidung, die SPD werde sich an den Koalitionsvertrag halten. Auch Edgar Franke, in der SPD-Fraktion in dieser Legislaturperiode für Apothekenthemen zuständig, äußerte sich ähnlich zu dem Thema. Franke sagte sogar, dass man das Verbot jetzt umsetzen müsse.

Anders scheint dies aber die bayerische Abgeordnete Martina Stamm-Fibich zu sehen. Stamm-Fibich ist wie in der vergangenen Wahlperiode Berichterstatterin für das Thema Arzneimittel innerhalb der SPD und kümmert sich hauptsächlich um Themen rund um die Pharmaindustrie. Bei einer Podiumsdiskussion des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in Berlin am gestrigen Mittwochabend taute die SPD-Politikerin aber erst bei einem Apothekenthema so richtig auf. Als die Diskussion schon fast vorbei war, sprach der Moderator noch den Arzneimittel-Versandhandel an.

Stamm-Fibich sagte dazu: „Ich warte gespannt auf den Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium. Aber ich sage eines voraus: Das Rx-Versandverbot wird die Maut des Jens Spahn!“ Doch Stamm-Fibich war nicht die einzige, die bei der BPI-Diskussion Stimmung gegen die wichtigste politische Forderung der Apotheker machte. Auch Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, wiederholte ihre Kritik an dem Vorhaben der Großen Koalition. Immer wieder warf die FDP-Politikerin ein: „Lassen Sie es doch die Menschen entscheiden! Der Versandhandel hat einen Marktanteil von 2 Prozent, da mache ich doch nicht die Apotheker stark, wenn ich diese 2 Prozent streiche. Wir sehen ganz andere Hilfen für die Apotheker, wie etwa einen Fonds oder Sicherstellungszuschläge.“

Kippels (CDU): Apotheker denken digital

Auch die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche kritisierte das Verbot. Die in der Grünen-Fraktion für Arzneimittel zuständige Politikerin sagte: „Es widerspricht gegen alle meine Empfindungen von Gerechtigkeit, den seit Jahren bestehenden Wettbewerb zu verbieten.“ Aus Sicht der Grünen-Politikerin ist die Apotheken-Struktur und die damit zusammenhängende Landversorgung ein viel wichtigeres Thema. „Aber durch das Verbot verlieren die Apotheker weitere Jahre, vielmehr sollten sie über andere Versorgungsformen nachdenken, um die Strukturprobleme zu lösen.“

Lediglich Georg Kippels, CDU-Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, verteidigte den Koalitionsvertrag. Auf die Frage, ob das Verbot in dieser Legislaturperiode eine Chance habe, sagte er, dass es aufgrund des Vertrages eine „gute Basis“ gebe. Kippels erklärte weiterhin: „Bevor wir noch länger warten und es zu längerfristigen Marktveränderungen kommt, bevorzuge ich das Verbot. Der Rabattkampf kann zur Schieflage führen.“ Dass die Apotheker sich jeglicher Digitalisierung versperren würden, ließ Kippels nicht gelten: „Ich habe in meinen Gesprächen mit den Apothekerverbänden erfahren, dass sie sehr wohl offen eingestellt sind gegenüber neuen Versorgungsformen, etwa bei der Auslieferung oder beim Ordern von Arzneimitteln.“


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Projekt 18

von Ratatosk am 15.03.2018 um 19:05 Uhr

Evt. sollte die SPD mal nachdenken, warum sie auf Projekt 18 und weniger zusteuert.
Keine echte Kompetenz, aber immer auf die miese Masche agieren.
Einsatz fürs Großkapitlal lohnt sich für den einzelnen, aber nicht für den normalen Bundesbürger/in. Das ganze juristische Gelaber soll ja nur davon ablenken, daß die Regierung immer wenigerr in der Lage ist, korrekte Gesetze zu erstellen. Überall klappen solche Dinge, aber bei uns wäre es wieder mal nicht möglich ? - gehts noch!

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Immer noch nicht verstanden

von Anita Peter am 15.03.2018 um 9:12 Uhr

Liebe Frau Christine Aschenberg-Dugnus,

haben Sie immer noch nicht verstanden, dass das RXVV die einzige Möglichkeit ist, die Preisbindung in Deutschland zu erhalten? Wenn die PB in Deutschland fällt, brauchen Sie einen sehr großen Fonds um die Vor Ort Versorgung weiter zu sichern....

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AW: Immer noch nicht verstanden

von Christiane Patzelt am 15.03.2018 um 10:19 Uhr

Ach werte Kollegin, Sie werden doch von der Politik nicht so etwas wie Weitsicht erwarten. Und Frauensolidarität schon mal gar nicht, was kümmern sich gut verdienende Frauen um mies bezahlte Frauen..?
Eine perfide Taktik nimmt seinen Lauf:
Der unbeliebte Spahn darf das gehasste Kind RX-Versandverbot anfassen und damit die medialen Schmutzkinder Apotheker vor den unheimlichen Saudis retten (jetzt mal plakativ gesprochen). Wenn Jens Spahn linear vorgeht, geht entweder er drauf oder die ganze Preisgestaltung fliegt uns um die Ohren oder in der Zwischenzeit haben so viele Apotheken geschlossen, dass es eh nicht mehr viel zu retten gibt.
Sollte Jens Spahn ein intelligenter, geistreicher Politiker sein, denkt er die Problematik mal ganz neu! Es gibt mit Sicherheit gerade in Zeiten des Datenschutzes und der Digitalisierung mehr Wege als nur das RX-Versandverbot, um die Versender von der Versorgung im größeren Stile auszuschließen!

Und liebe Kollegen, mal unter uns - es liegt auch tagtäglich an uns, die Versandapotheken unattraktiv zu machen und dem Patienten den Mehrwert Apotheke vor Ort aufzuzeigen.

Ich blicke jedenfalls gespannt in die Zukunft!

Und für unsere Berufspolitik wünsche ich mir so langsam mal eine Gegenbewegung -- die Frauengruppe ABDA zum Beispiel! Lasst uns einen Fond gründen Mädels und das geeignete Personal anheuern--wir haben hier noch sehr viel Luft nach oben!

AW: Immer noch nicht verstanden die Dummnuss

von Dr. Schweikert-Wehner am 15.03.2018 um 15:38 Uhr

Da sind sie aber etwas Naiv Frau Kollegin Patzelt.
Ich hatte letzte Woche eine Patientin da, die von mir ihre Funktionelle Insulintherapie erläutert haben wollte. Frage: Ist die Beratung umsonst? Antwort: Nur wenn Sie Ihre Medikation über uns beziehen. Das versprach Sie und lies sich 30 Minuten aufklären und beraten. 2 Tage später der Anruf: Keine Medikamente von uns, aber danke für die Hilfe in Holland könne sie ja soviel sparen....

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