Gesundheitsbehörden zu Lieferengpässen

Hessen und Saarland fordern Reform der Rabattverträge

Berlin - 12.04.2018, 11:50 Uhr

Die Landesgesundheitsbehörden in Hessen und im Saarland fordern eine umfassende Reform der Rabattverträge, um Lieferengpässe zu vermeiden. (Foto: Imago)

Die Landesgesundheitsbehörden in Hessen und im Saarland fordern eine umfassende Reform der Rabattverträge, um Lieferengpässe zu vermeiden. (Foto: Imago)


Die Landesgesundheitsbehörden in Hessen und Im Saarland fordern eine umfassende Reform des gesamten Vertragssystems der Krankenkassen im Arzneimittelbereich. Gemeinsam wollen die beiden Länder der Gesundheitsministerkonferenz empfehlen, dass Rabattverträge für „lebenswichtige“ Arzneimittel hinterfragt werden und es nur noch Mehrfachvergaben für Generika gibt. Und: Die Landesbehörden wollen die Apotheker in Sachen E-Health besser mit den Ärzten vernetzen.

Im Juni treffen sich die Gesundheitsminister aller Bundesländer zur 91. Gesundheitsministerkonferenz (GMK). Wie üblich haben die Landesgesundheitsbehörden in den vergangenen Wochen Themen vorbereitet, die den Ministern im Juni dann zum Beschluss vorgelegt werden. Um diese Themen und politischen Forderungen zu finalisieren und zu beschließen, treffen sich noch vor der GMK Anfang Mai die Chefs der Landesgesundheitsbehörden. Zur Sitzung des Behördenchefs bringen die Vertreter aus dem Saarland und Hessen einen Antrag zur Reformierung des Vertragswesens mit, der auch für die Apotheker sehr interessant sein dürfte.

Der Antrag, der DAZ.online vorliegt, trägt den Titel „Steuerungsinstrumente für versorgungsrelevante Arzneimittel“ und beschäftigt sich mit Arzneimittel-Lieferengpässen. Um diesen weiter vorzubeugen, soll die Ministerkonferenz nun das Bundesgesundheitsministerium bitten, zu überprüfen, „inwieweit eine Notwendigkeit gesetzlicher Änderungen oder anderer Maßnahmen besteht“. Das klingt zunächst recht unkonkret – doch die Landesbehörden liefern gleich einen ganzen Ideenkatalog mit, wie man das Vertragsgeschehen im Arzneimittelbereich so ändern kann, dass Lieferengpässe weiter eingedämmt werden können.

Die Forderungen aus Hessen und dem Saarland im Einzelnen:

  • Wettbewerbliche Steuerungsinstrumente (Vertragswettbewerb) und die Überprüfung von Preissteuerungsinstrumenten für versorgungsrelevante Arzneimittel sollten „nachjustiert“ werden.
  • Rabattverträge für lebenswichtige Arzneimittel sollten „hinterfragt“ werden.
  • Ausschreibungen von Krankenkassen und Einkaufsgemeinschaften sollten stets konsequente Mehrfachvergaben mit definierten Liefermengen zur Vermeidung von Lieferausfällen vorsehen.
  • Analog den Hilfsmittelverträgen sollten gesetzliche Regelungen für Verhandlungsverträge im Arzneimittelbereich erwogen werden, „um durch den Verhandlungsprozess auch das gegenseitige Verständnis für die besondere Marktsituation zu fördern“.
  • Außerdem sollten Anreize für die vermehrte Herstellung von Arzneimitteln in europäischen Produktionsstätten geprüft werden. Zu diesen Anreizen könnten „niedrigere oder keine Abschläge“ gehören, um höhere Produktionskosten in Europa zu kompensieren.

„Preis- und Rabattdruck“ Ursache für Lieferengpässe

Die Antragsteller bemängeln in ihrer Begründung, dass trotz der nach dem Pharmadialog umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation weiterhin Lieferengpässe auftreten. Aus Sicht der beiden Behörden aus Hessen und dem Saarland gibt es dafür „herstellungsbedingte Ursachen“, also etwa die Zunahme regulatorischer Anforderungen, Produktionsprobleme  oder Engpässe bei Ausgangsstoffen. Andere Gründe für Engpässe seien Nachfrageschwankungen, der „Preis- und Rabattdruck“, Verteilungs- und Lagerprobleme sowie unternehmerische Entscheidungen. Dass die Pharmaunternehmen selbst eine Mitschuld an der Situation haben, ist für die Landesbehörden ausgeschlossen. Schließlich seien die Unternehmen „gewinnorientiert“, deswegen sei davon auszugehen, dass sie „alles daransetzen“ Engpässe zu vermeiden. Zwangsmaßnahmen gegenüber der Industrie seien daher „ultima ratio“.  Beschließen die Behördenchefs aus allen Bundesländern diesen Antrag im Mai, wandert er weiter in die Gesundheitsministerkonferenz. Dort wäre dann ein Beschluss sehr wahrscheinlich.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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