AOK: Indometacin-Import

Geht Paragraf vor Patient?

Stuttgart - 05.06.2018, 15:50 Uhr

Wenn die Bürokratie einer (raschen) Patientenversorgung im Wege steht. (Foto: imago)

Wenn die Bürokratie einer (raschen) Patientenversorgung im Wege steht. (Foto: imago)


„Die AOK erstattet Yogakurse – doch wie wird ein Patient versorgt, der dringend nicht lieferbare Arzneimittel benötigt?“. Diese Frage stellt ein Berliner Apotheker. Er importierte Indometacin-Zäpfchen, da der einzige Hersteller in Deutschland, Ratiopharm, nicht liefern kann. Der apothekerliche Faux-pas: Er vergaß die Genehmigung der AOK. Auch wenn der „Fehler“ bei der Apotheke liegt, regt die Einzelimport-Versorgung dennoch zum Nachdenken an – auch die AOK? DAZ.online hat nachgefragt.

Welche Zäpfchen gibt es mit dem Wirkstoff Indometacin? Die Ausbeute der Lauer-Taxe ist überschaubar, und sie ist an exakt zwei Fingern abzuzählen: Der einzige Pharmahersteller mit rektalen Indometacin-Arzneimitteln ist aktuell noch Ratiopharm. Das zum Teva-Konzern gehörende Generikaunternehmen bietet Indomet-ratiopharm® Zäpfchen in den Stärken à 50 mg und à 100 mg an.
Solche monopolistischen Herstellerstrukturen werden genau dann zum Problem – für Patienten und Apotheker, wohlgemerkt – wenn dieser einzig noch verbliebene „letzte Mohikaner“ dieses Arzneimittel nicht liefern kann.

Der Indometacin-Ratiopharm-Engpass ist nun mitnichten ein Novum in der Historie der Arzneimittelversorgung. Lieferengpässe ziehen sich – perlenschnurgleich – seit Jahren durch den Alltag von öffentlichen und Krankenhausapotheken. Eine Lösung für dieses Problem existiert: Arzneimittel dürfen nach § 73 Arzneimittelgesetz (AMG) Absatz 3 auch aus dem Ausland importiert werden. Einzelimporte erlaubt der Gesetzgeber allerdings nur, so gewisse Voraussetzungen stimmen. DAZ.online hat die wichtigsten Punkte noch einmal zusammengefasst.

§ 73 Verbringungsverbot AMG Absatz 3

Fertigarzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen oder registriert sind oder freigestellt sind von Zulassung/Registrierung, dürfen in die Bundesrepublik importiert werden, und zwar

  • von Apotheken für Einzelpersonen und in geringen Mengen,
  • wenn sie in dem Staat, aus dem sie importiert werden, rechtmäßig im Verkehr sind,
  • wenn kein Wirkstoff-identisches und hinsichtlich der Wirkstärke vergleichbares Arzneimittel in Deutschland verfügbar ist.

Indometacin-Import ohne Genehmigung: keine Erstattung

Nun zählen Indometacin-Suppositorien wahrlich nicht zu den Blockbustern und Kassenschlagern in der Apotheke, dennoch gibt es Patienten, die auf diese spezielle Darreichungsform bei dem NSAR angewiesen sind. Vor diesem Problem – der Nichtlieferbarkeit von Indometacin-Zäpfchen und folglich dem Import eines wirkstoffgleichen Präparates – stand jüngst auch ein Berliner Apotheker. Die Patientin benötigte die Suppositorien. Um eine schnellstmögliche Versorgung der Patientin zu ermöglichen, orderte der Apotheker das Präparat bei der internationalen Apotheke – und vergaß im Eifer des Gefechts die Genehmigung der Krankenkasse. Der Kostenträger der Schmerzpatientin ist die AOK Nordost. Ohne Genehmigung, keine Erstattung.

Wie sieht die Krankenkasse die Importversorgung gelöst – gut, mäßig und optimierbar? DAZ.online hat nachgehakt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Welchen Wert hat ein Krankenkassenzwangsmitglied?

von Heiko Barz am 06.06.2018 um 12:12 Uhr

"Diese Vorgehensweise hat sich bewährt"......
Wenn sich ALLE in unserem Gesundheitssystem so verhielten wie die AOK Nord-Ost, wäre dieses System nicht mehr existent.
Die AOK, mit der Verpflichtung den Beitragszahlern gegen über, zeigt damit ihren Willen den Schutzbedürftigen Vertragsmitgliedern die dringenden Versorgungsgüter zeitlich expandiert so vorzuenthalten, dass möglicherweise der Bedarf vergeht und hofft gleichzeitig auf Fehler in der Verwaltungskette mit der Hoffnung die Patienten versorgt zu wissen und sich mit Hilfe ihrer Regressunternehmen, der Bezahlung hinterhältig zu entziehen.
Diese Taktik wird von mehreren Kassen genauso verfolgt.
Juristisch mag das ja alles ausgewogen zu sein, nur die sozialen Hintergründe dabei kann man gut und gerne als abartig und absolut unwürdig bezeichnen.

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Welch doofe Frage !

von Ratatosk am 05.06.2018 um 18:39 Uhr

In Deutschland geht schon immer Paragraph vor Patientenwohl, vor allem, da ja der Einsatz einzelner dann von der GKV durch kleinste Formalien kostenmäßig abgewälzt werden kann, hat schlechte Tradition.
Man sollte sich an die Probleme der Krankenhäuser beim Einsatz neuer Medikamente bei der tödlichen EHEC Epedemie vor wenigen Jahren erinnern. Erst hieß es, natürlich muß alles getan werden, dann hieß es oft, hatte doch keine Zulassung in D dafür. Wer auf die seriöse Abwicklung auf solche Zusagen oder in Notfällen hofft, dem kann man nicht mehr helfen, vor allem da alles politisch gedeckt wird.

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Arzt und Apotheker

von Dr. Schweikert-Wehner am 05.06.2018 um 16:21 Uhr

Nicht nachvollziehbar, dass der Arzt um eine Genehmigung nachfragen muss, wenn er ein Arzneimittel mit Zulassung , GBA-Erlaubnis und entsprechender Indikation verordnet. Ein Tollhaus ist das. Eine Sonder PZN wegen Import, da nicht lieferfähig oder eine einfache Regelung im Arzneiliefervertrag muss her. Der Apotheker hat schließlich Kontrahierungszwang und muss helfen. Bei Negierung dergleichen kommt einer Körperverletzung seitens der AOK nahe.

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AW: Arzt und Apotheker

von A. Grossmann am 05.06.2018 um 19:39 Uhr

Fairerweise sollte dargestellt werden, dass der Arzt für die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnung zur Rechenschaft gezogen werden kann und das wirtschaftliche Risiko für einen etwaigen Import beim Verordner liegt. Der Arzt sollte, daher auch die Chance bekommen, unter diesen Aspekten seine Therapientscheidung zu überdenken - es gibt schließlich auch Suppositorien mit anderen NSAR, die verfügbar und nicht zu importieren wären. Es steht den Apothekern sicherlich gut an, wenn sie den Arzt auf das bestehende Wirtschaftlichkeitsrisiko hinweisen. Sollte er auf die Verordnung in der vorgelegten Form bestehen, kann die abgebende Apotheke dies auf dem Verordnungsblatt dokumentieren. Dann ist nicht mehr das ob, sondern nur noch der Abrechnungspreis offen und hier greifen unterschiedliche Voraussetzungen bzw. Bedingungen aus den regionalen Lieferverträgen.

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