Hauptstadtkongress

Lieferengpässe: Becker fordert gesetzliche Meldepflicht für Hersteller

Berlin - 08.06.2018, 07:00 Uhr

DAV-Chef Becker möchte Hersteller bei Lieferengpässen mehr in die Pflicht nehmen. (Foto: bj / DAZ.online)

DAV-Chef Becker möchte Hersteller bei Lieferengpässen mehr in die Pflicht nehmen. (Foto: bj / DAZ.online)


Wie lassen sich Lieferengpässe verringern? Darüber diskutierten Vertreter von Hersteller-, Großhandels-, Behörden- und Apothekerseite am gestrigen Donnerstag in Berlin. Unter anderem ging es darum, wie man einer Marktkonzentrierung entgegenwirken und die Transparenz verbessern könne. Konkret forderte DAV-Chef Fritz Becker, dass Hersteller gesetzlich dazu verpflichtet werden müssen, Lieferschwierigkeiten zu melden und dass Rabattverträge mehrfach vergeben werden sollten.

Lieferengpässe gehören bedauerlicherweise zum Apothekenalltag. Dies spiegelt sich in aktuellen Zahlen wieder, die DAV-Chef Fritz Becker auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress „Medizin und Gesundheit“ im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorstellte. Bei der interdisziplinären Diskussionsrunde waren ebenfalls anwesend: Dr. Michael Horn (BfArM), Dr. Peter Schreiner (Gehe) und Wolfgang Späth (Pro Generika).   

Der Umfrage zufolge, die Becker thematisierte, berichteten 90 Prozent der öffentlichen Apotheken und 80 Prozent der Krankenhausapotheken in den vergangenen 3 Monaten von Lieferengpässen. Betroffen seien dabei unter anderem Herz-Kreislauf-Mittel, Antibiotika, Schmerzmittel und Antidiabetika. 

Becker: mehr Transparenz bei Lieferengpässen  

Problematisch werde es, wenn aus punktuellen Lieferengpässen kritische Versorgungsengpässe entstehen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass auch die therapeutischen Alternativen nicht mehr verfügbar sind.

„Die Studie belegt auch, dass Apotheken großen Mehraufwand treiben, um Versorgungsengpässe möglichst zu verhindern und die Therapietreue der Patienten sicherzustellen. Aber die Situation wird zusehends problematisch. Mehr Transparenz in der Lieferkette sowie Rabattverträge der Krankenkassen mit mindestens zwei pharmazeutischen Herstellern pro Wirkstoff könnten helfen“, so Becker. Und um die Transparenz zu erhöhen, fordert der DAV-Chef, dass Hersteller per Gesetz dazu verpflichtet werden müssen, Lieferengpässe frühzeitig zu melden. Denn die Meldungen über Lieferschwierigkeiten beim BfArM sind freiwillig. „Doch das System ist viel zu träge“, kritisierte Becker.

BfArM und Gehe: Meldepflicht unnötig

Michael Horn, Leiter des Bereichs Lieferengpässe beim BfArM, entgegnete, dass die Liste der freiwilligen Meldungen nahezu vollständig sei. Die wichtigsten Engpässe seien bekannt. Horn verwies auf den sogenannten Jour Fixe seiner Behörde und Vertreter der Fachkreise, der mehrmals im Jahr über Lieferengpässe berate. „Der Jour Fixe hat gute Möglichkeiten, die Patientenversorgung sicherzustellen“, erklärte Horn. So habe das Gremium den Überblick über die Marktteilnehmer und könne die Mitbewerber eines nicht-lieferfähigen Herstellers gezielt auffordern, die Produktionskapazitäten zu erhöhen.

Eine gesetzliche Meldepflicht für Hersteller ist aus Sicht des Behördenvertreters jedoch nicht erforderlich. Dem stimmte auch Gehe-Chef Schreiner zu. „Eine gesetzliche Meldepflicht würde erst dann ansetzten, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, so der Gehe-Chef.

An den Großhandel werde häufig herangetragen, er möge sich doch intensiver bevorraten, um Lieferengpässe zu verhindern. Doch eine Mehrbevorratung könne einen Lieferengpass nicht umgehen, sondern allenfalls um ein bis zwei Wochen aufschieben, so Schreiner.

Rabattverträge mehrfach vergeben?

Für Wolfgang Späth, Vorstandsvorsitzender von Pro Generika, ist die zunehmende Marktkonzentrierung als Folge der Rabattverträge die maßgebliche Ursache für Lieferengpässe. So habe sich nach Informationen von pro Generika die Zahl der Hersteller, die versorgungsrelevante Arzneimittel anbieten, innerhalb von drei Jahren halbiert. „Der Generika-Markt ist ein Mengengeschäft“, verdeutlichte Späth.

Um der Marktkonzentrierung entgegen zu wirken, sei es sinnvoll, Rabattverträge auf die Schultern mehrerer Hersteller zu verteilen, wie auch DAV-Chef Fritz Becker vorschlug. Aus Sicht von Horn greife die Verteilung der Rabattverträge allerdings zu kurz. Denn häufig kaufen Generikafirmen ihre Ausgangsstoffe von ein- und demselben Lohnhersteller. Und wenn der Wirkstoffproduzent ein Produktionsproblem habe, entstünde schnell ein Versorgungsengpass. Daher sei es wichtiger, die Versorgung auf Wirkstoffebene sicher zu stellen.


Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von Dr.Diefenbach am 08.06.2018 um 10:51 Uhr

Als Hessen genau so etwas vor JAHREN vorschlug,hat weder der DAV noch sonst eine Organisation innerhalb unseres Standes das Thema aufgreifen wollen,ja es hieß :Das ist eine subjektive Empfindung Einzelner,man kann diese rhetorische Einfalt nicht oft genug wiederholen.Was hätte uns hier aktives Handeln helfen können,unsere Positipn IM Arzneimittelwesen. zu untermauern,aber nein:Lieber vornehm die Schlangenlinie fahren.Dass die KollegInnen draußen diese Verhaltensweise mit lokalen Ärgernissen bezahlen,muss im Berliner Bau ja auch niemand miterleben.Übrigens eine weitere (!) Sachlage,die dringend die Diskussion in Gang setzen muss:DAV und BAK :Trennen!!!!

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