Mutmaßlicher, festgenommener Terrorist

Wie und wo wirkt die „Bio-Waffe“ Rizin?

Berlin - 14.06.2018, 16:15 Uhr

Rizin wird aus der Ricinus-Pflanze gewonnen. Es gibt keinen Antidot gegen das Gift, der Tod tritt nach 36 bis 72 Stunden ein. (Foto: Imago)

Rizin wird aus der Ricinus-Pflanze gewonnen. Es gibt keinen Antidot gegen das Gift, der Tod tritt nach 36 bis 72 Stunden ein. (Foto: Imago)


In Köln wurde am heutigen Donnerstag ein 29-jähriger Tunesier festgenommen. Er steht nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft im Verdacht, vorsätzlich biologische Waffen hergestellt zu haben. Konkret soll der Verdächtige mit Rizin Bio-Waffen hergestellt haben. Die Zutaten dazu soll er sich im Internet bestellt haben. Doch was genau ist Rizin? Wie und wo wirkt es? Und wo kommt es her?

Auf den in Köln lebenden Tunesier waren Sicherheitsbehörden wegen auffälliger Interneteinkäufe gestoßen. Unter anderem hatte der Mann bei einem Internet-Versandhändler 1000 Rizinus-Samen und eine elektrische Kaffeemühle gekauft. „Anfang Juni 2018 setzte der Beschuldigte sein Vorhaben um und stellte erfolgreich Rizin her“, teilte die Bundesanwaltschaft mit. „Dieses konnte bei dem Beschuldigten sichergestellt werden.“ Es sei zwar nicht abschließend geklärt, ob der Tunesier einen islamistisch motivierten Anschlag begehen wollte, hieß es weiter. Aber: „Vor diesem Hintergrund besteht derzeit kein dringender Tatverdacht wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.“ Auch Hinweise auf einen Ort oder einen Zeitpunkt für einen möglichen Anschlag gebe es nicht.

RKI: Rizin ist potenzieller Kampfstoff

Das Robert Koch-Institut (RKI) stuft das leicht erhältliche Rizin aus dem Samen des Wunderbaums als „potenziellen biologischen Kampfstoff“ ein. Handel und Umgang mit der Reinsubstanz seien nach dem Chemiewaffen-Übereinkommen von 1997 beschränkt. Schon in geringer Konzentration kann Rizin tödlich sein. Sollte das Gift gespritzt werden, wirkt es nach RKI-Angaben binnen 36 bis 48 Stunden tödlich.

Rizin kommt aus dem Wunderbaum (Ricinus communis)

Aber wo stammt Rizin eigentlich her? Und welches sind die pharmazeutischen Eigenschaften des Giftes? Es wird im Endosperm der Samen des Wunderbaums, von Ricinus communis, gebildet. Den sogenannten Castorbohnen. Es handelt sich bei Rizin um ein Lektin. Lektine, die von Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen gebildet werden können, sind in der Lage an eine Vielzahl von Zellstrukturen zu binden und so Einfluss auf diverse biochemische Reaktionen zu nehmen, zum Beispiel die Zellteilung, die ribosomale Proteinbiosynthese. Das von Influenzaviren gebildete Hüllprotein Hämagglutinin zählt beispielsweise zu den Lektinen. Pharmazeutisch verwendet werden Mistellektine in der Tumortherapie. Sie scheinen die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Im Tierversuch und in Zellkulturen wurden zudem immunstimulatorische Wirkungen nachgewiesen. 

Rizin besteht aus zwei annähernd gleich großen Proteinketten, die über eine Disulfidbrücke verbunden sind. Die B-Kette bindet an zellwandständige Glykoproteine und Glykolipide und bewirkt die Aufnahme des Rizins in die Zelle über Endozytose. Später trennt sich die Kette an der Disulfidbrücke. Die A-Kette, eine hochspezifische N-Glucosidase, spaltet aus der 28S-ribosomalen RNA einen Adeninrest ab und blockiert so die Proteinbiosynthese. Ein einziges Rizin-Molekül soll ausreichen, um eine Zelle zu zerstören.



bro / dpa
brohrer@daz.online


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