Urteil zur Selbsttötung

Ministerium: BfArM soll keine Suizid-Arzneimittel bewilligen

Berlin - 02.07.2018, 07:00 Uhr

In einem Brief an das BfArM weist Staatssekretär Lutz Stroppe die Behörde an, Anträge auf Suizid-Arzneimittel nicht zu bewilligen. (Foto: Imago)

In einem Brief an das BfArM weist Staatssekretär Lutz Stroppe die Behörde an, Anträge auf Suizid-Arzneimittel nicht zu bewilligen. (Foto: Imago)


Soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wirklich darüber entscheiden, ob Suizidwillige in einer medizinischen Notlage ein tödliches Betäubungsmittel erhalten? Das Bundesverwaltungsgericht hatte im vergangenen Jahr ein entsprechendes Urteil gesprochen. Das Bundesgesundheitsministerium hat in dieser Frage nun aber ein Machtwort gesprochen: Aus Sicht von Staatssekretär Lutz Stroppe ist der Staat nicht dafür verantwortlich, Selbsttötungshandlungen zu unterstützen.

Soll eine Behörde beim Sterben helfen? Das Urteil vom 2. März 2017 vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sieht vor, dass das BfArM den Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung in extremen Ausnahmefällen nicht verwehren darf. Schwer kranke Menschen hätten gemäß Grundgesetz das Recht zu entscheiden, wie und wann sie aus dem Leben scheiden wollen. Die Behörde selbst stand dem Urteil allerdings kritisch gegenüber und beauftragte den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Professor Udo Di Fabio, ein Gutachten zu erstellen. Di Fabio kam Anfang dieses Jahres allerdings zu dem Schluss, dass das Urteil verfassungsrechtlich nicht haltbar sei.

BMG: Das ist nicht Aufgabe des Staates

Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geführte Bundesgesundheitsministerium hat nun ein Machtwort in dieser Sache gesprochen und das BfArM aufgefordert, solche Anträge von Bürgern abzulehnen. „Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Selbsttötungshandlungen durch die behördliche, verwaltungsaktmäßige Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb des konkreten Suizidmittels aktiv zu unterstützen“, heißt es in einem Schreiben vom parlamentarischen Staatssekretär Lutz Stroppe an die Behörde.

Das Ministerium argumentiert nun, eine Kauferlaubnis mit dieser Intention sei gerade nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen. Dies würde bedeuten, dass die Beendigung des Lebens als therapeutischen Zwecken dienend angesehen würde. „Eine Selbsttötung kann jedoch keine Therapie sein“, heißt es in dem Schreiben an das Bundesinstitut.

Worum ging es in dem Fall?

Eine Frau war seit einem Unfall im Jahr 2002 vom Hals abwärts gelähmt. Sie musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Hinzu kamen schmerzhafte und häufige Krampfanfälle. Die Frau empfand ihre Lebenssituation als unerträglich und entwürdigend. Sie wollte aus dem Leben scheiden und besprach diesen Wunsch unter anderem mit ihrem Ehemann, der gemeinsamen Tochter, den behandelnden Ärzten und einem Geistlichen. Im November 2004 beantragte sie beim BfArM ihr den Erwerb von 15 g Natrium-Pentobarbital zu erlauben, um einen begleiteten Suizid durchzuführen. Das BfArM lehnte den Antrag ab. Die Begründung: Eine Erlaubnis mit dem Ziel der Selbsttötung sei nicht vom Zweck des Betäubungsmittelgesetzes gedeckt. 2005 nahm sich die Frau mithilfe des Schweizer Sterbehilfeverein Dignitas das Leben. Ihr Ehemann stritt für sie daraufhin mit dem BfArM lange Jahre vor Gericht. Am Ende stand das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.

Seit Dezember 2015 ist nach § 217 Strafgesetzbuch (StGB) die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ strafbar. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes stellte sich also auch die Frage, ob BfArM-Mitarbeiter und Apotheker sich strafbar machen, wenn sie Anträge bewilligen beziehungsweise Rezepte beliefern. Di Fabio verneinte diese Frage in seinem Gutachten: Er hält eine Strafbarkeit für nicht vertretbar – wenngleich er einräumt, dass abweichende Interpretationen der noch recht jungen Norm „auch nicht definitiv ausgeschlossen“ werden können. Er verweist darauf, dass der Gesetzgeber hier bewusst die „geschäftsmäßige“ und nicht die „gewerbsmäßige“ Förderung unter Strafe gestellt habe. Geschäftsmäßigkeit setze voraus, dass der Handelnde die Absicht hat, die tatbestandliche Handlung in gleicher Art zu wiederholen und sie zu einem wiederkehrenden Bestandteil seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Betätigung zu machen.

Zuletzt hatte die FDP-Bundestagsfraktion das Thema auf die politische Bühne gehoben. Die Liberalen wollten von der Bundesregierung wissen, welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf man nach dem Urteil sehe. Mit seinem Brief an das BfArM hat das BMG in dieser Frage nun klar Stellung bezogen.


bro / dpa
brohrer@daz.online


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