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Höchstrichterliches Urteil ohne Folgen
Suizid-Arzneimittel: Tagesspiegel klagt gegen BMG
Im März 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass unheilbar Kranken im extremen Einzelfall der Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel nicht verwehrt werden darf. Dennoch hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bislang keinen einzigen Antrag von Patienten beschieden, die ein solches Mittel erwerben wollen. Das Bundesgesundheitsministerium will, dass die Behörde diese Anträge generell versagt. Warum wehrt sich das Ministerium so hartnäckig gegen eine Umsetzung des Urteils? Ein Journalist des Tagesspiegels versucht dies im Klageweg herauszufinden.
Ein schwer und unheilbar kranker Patient hat das Recht zu entscheiden, wie und wann er sein Leben beendet. Im extremen Einzelfall kann das bedeuten, dass ihm der Staat – repräsentiert durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – nicht den Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel verwehren darf. Das hat das Bundesverwaltungsgericht im März vergangenen Jahres entschieden.
Mittlerweile sind beim BfArM 108 Anträge Schwerkranker auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung eingegangen. Doch beschieden hat die Behörde keinen von ihnen. Das BfArM zögerte und berief sich darauf, dass die Verfassungsmäßigkeit des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht endgültig geklärt ist. Eigentlich sind höchstrichterliche Urteile durchaus bindend – doch das BfArM entschied, den Verfassungsrechtler und ehemaligen Bundesverfassungsrichter Professor Udo Di Fabio zu Rate zu ziehen. Im Juni 2017 bekam er den Auftrag, ein Rechtsgutachten zu erstellen, das Aufschluss über die verfassungsrechtlichen Auswirkungen des Urteils und die Anforderungen an das künftige Verwaltungshandeln im BfArM geben sollte. Im Januar 2018 wurde es veröffentlicht. Di Fabio kommt darin zu dem Ergebnis, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ sei.
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Seitdem passierte nicht viel. Das BfArM beschied weiterhin keine Anträge von Patienten, die um die Erlaubnis baten, eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital zu erwerben. Post vom BfArM bekamen sie dennoch. Sie wurden gebeten, für die Antragsbearbeitung erforderliche Unterlagen vorzulegen. Zu prognostizieren, wann eine individuelle Entscheidung getroffen werden kann, sah sich die Behörde nicht in der Lage. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hielt sich in dieser Zeit mit klaren Ansagen in Richtung BfArM zurück – auch wenn der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bereits deutlich machte, dass er das Leipziger Urteil nicht umgesetzt wissen will: „Eine staatliche Behörde darf niemals Helfershelfer einer Selbsttötung werden“, erklärte er seinerzeit.
Im Mai dieses Jahres hakte die FDP-Bundestagsfraktion mit
einer Kleinen Anfrage nach. Sie wollte unter anderem wissen, wie die Regierung
mit dem Urteil grundsätzlich umgehen wolle. Ob sie etwa einen sogenannten
Nichtanwendungserlass plane, der das Urteil vorerst aushebeln könnte.
Diesen Vorschlag hatte Di Fabio in seinem Gutachten eingebracht. Die
Parlamentarische Staatssekretärin des BMG, Sabine Weiss, antwortete der FDP mit
lediglich einem Satz: „Die Beratungen der Bundesregierung hierüber unter
Berücksichtigung des Rechtsgutachtens von Herrn Professor Dr. Di Fabio sind
noch nicht abgeschlossen“.
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