Untersuchung von Epipen

Adrenalin-Pens nach dem Verfalldatum: Wie viel Wirkstoff ist noch drin?

Stuttgart - 29.08.2018, 09:15 Uhr

Wie viel Adrenalin ist in einem verfallenen Epipen noch vorhanden? (c / Foto: Foto: picture alliance / AP Photo)

Wie viel Adrenalin ist in einem verfallenen Epipen noch vorhanden? (c / Foto: Foto: picture alliance / AP Photo)


Halten Adrenalin-Injektoren wirklich nur so lange wie aufgedruckt? Insbesondere vor dem Hintergrund des anhaltenden Engpasses stellen sich diese Frage derzeit so manche. Wissenschaftler aus Kalifornien haben im vergangenen Jahr einmal nachgemessen, wie es mit der Stabilität des Epipen®, der in den USA vertrieben wird, über das Verfalldatum hinaus aussieht.

Adrenalin-Pens haben eine relativ kurze Laufzeit und müssen häufig ausgetauscht werden. Zwar hat aufgrund der anhaltenden Lieferprobleme die US-Aufsichtsbehörde FDA die Laufzeit um vier Monate verlängert. Aber insbesondere in den USA gibt es Patienten, die sich den Austausch nicht leisten können. Und andere besorgen sich, auch hierzulande, sei es aus Faulheit oder Vergesslichkeit, nicht immer sofort einen neuen. Oder es ist wie aktuell einfach kein neues Exemplar verfügbar.

So stellt sich die Frage, ob man das Notfallarzneimittel länger als empfohlen verwenden kann. Wissenschaftler aus Kalifornien haben im vergangenen Jahr einmal nachgemessen, wie es mit der Stabilität des Epipen®, der in Deutschland als Fastjekt® vertrieben wird, über das Verfalldatum hinaus aussieht. Das Ergebnis haben sie 2017 im Fachmagazin „Annals of internal medicine“ veröffentlicht.

Viele hatten noch ausreichend Wirkstoff, aber kein linearer Abfall

Für die Analyse haben sie 31 Epipen® und neun Epipen® junior hinsichtlich ihres Wirkstoffgehalts untersucht. Sie alle waren abgelaufen – zwischen einem und 50 Monaten. Farbliche Veränderungen fanden sich bei keinem der untersuchten Präparate. Die Gehaltsbestimmung ergab, dass 19 der Epipen® und fünf der Junior-Pens noch mindestens 90 Prozent des Wirkstoffes enthielten. Damit würden sie sogar der FDA Spezifikation genügen, die einen Wirkstoffgehalt zwischen 90 und 110 Prozent des deklarierten vorschreibt.

Allerdings war der Wirkstoffabfall nicht linear. So wurden durchaus bei mehreren Präparaten, die das Verfallsdatum um denselben Zeitraum überschritten hatten, sehr unterschiedliche Gehalte gemessen. Beispielweise hatte fünf Monate nach dem auf der Packung angegebenen Datum ein Pen noch den vollen deklarierten Wirkstoffgehalt, ein anderer nur noch 89 Prozent. Unter 80 Prozent fiel der Gehalt aber bei keinem der getesteten Präparate.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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5 Kommentare

eben nicht "Na toll"

von norbert brand am 30.08.2018 um 8:18 Uhr

Liebe Kollegen Becker und Weiß,
wie wäre es mit ein wenig fachlicher Souveränität, Pragmatismus und Berufserfahrung anstatt aufgeregtem, "hochethischem" aber letztendlich kontraproduktivem Gegackere?. Was glauben Sie, wie dankbar ein Allergiker im Notfall sein würde, wenn er wenigstens irgendeinen abgelaufenen Pen zur Hand hat? wenn es nur noch darum geht, nicht sehenden Auges zu ersticken? Mit Korinthenkackerei ist in der derzeitigen AUSNAHMESITUATION dann niemandem geholfen.

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Na toll

von Gerhardt Weiss am 29.08.2018 um 12:48 Uhr

Was ist das denn für eine Antwort einer Fachredaktion? Beraten wir so unsere Kunden in der Apotheke? „Yo, man, nehmen Sie ruhig ein bisschen mehr, so ein oder zwei Tabletten drüber sollten ok sein.“
Mit vor Entsetzen gesträubten Haaren
Gerhardt Weiss

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AW: Na toll

von Redaktion DAZ.online am 29.08.2018 um 13:12 Uhr

Lieber Herr Weiss,
wo sie das lesen, weiß ich tatsächlich nicht. Und die Leser unseres Fachmediums sind Fachleute genug, um zu wissen, dass ein Arzneimittel nicht mit Eintritt des Ablaufdatums schlagartig kaputtgeht, was ja die aktuelle Maßnahme der FDA auch zeigt. Und wenn ein Patient vor mir steht mit einem Pen, der ein paar Tage oder zwei Wochen abgelaufen ist, und einfach kein neuer zu bekommen ist, würde ich mir als Apotheker auf jeden Fall zutrauen, die Empfehlung auszusprechen, im Notfall den alten zu verwenden - in diesem speziellen Fall. Grundsätzlich befürworten wir die Anwendung abgelaufener Arzneimittel natürlich nicht. Aber darum geht es grad ja auch gar nicht. Zudem stützt die zitierte Medizinerin unsere Aussage ja, und sagt lieber einen abgelaufenen als keinen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre DAZ.online-Redaktion

Na toll

von Redaktion DAZ.online am 29.08.2018 um 12:22 Uhr

Lieber Herr Becker,

Danke für den Hinweis mit den Gehalt, da haben sie natürlich recht.
Bezüglich ihrer Bedenken hilft zumindest zum Teil die Aussage der Ärztin im letzten Absatz: "
So sagte Marina Oppermann vom Deutschen Allergie- und Asthma-Bund gegenüber dem SWR: „Sollte tatsächlich kein neuer Adrenalin-Pen zur Verfügung stehen, sollte man im Notfall auf jeden Fall den alten verwenden. Denn das Adrenalin wird nicht schlecht, es verliert nur an Wirkungskraft, aber nicht von heute auf morgen. Das heißt: Lieber einen abgelaufenen Adrenalin-Pen anwenden als gar keinen.“
Pharmazeutischer ausgedrückt: Bei Adrenalin besteht in wässriger Lösung wohl vor allem Oxidationsgefahr, das Oxidationsprodukt kommt natürlicherweise auch im Körper vor. Im Körper wird es durch das Enzym Glutathion-S-Transferase mit Glutathion konjugiert und abgebaut.

Grundsätzlich haben Sie völlig recht, man kann dem Patienten nicht empfehlen, abgelaufene Mittel zu nehmen. Aber Gegenfrage: was ist die Alternative? Nachdem die FDA die Laufzeit ja jetzt einfach mal so vier Monate raufgesetzt hat, kann man davon ausgehen, dass ein bisschen, also ein paar Wochen bis Monate, über den Verfall ok sein sollte.
Wenn Sie diese Empfehlung nicht aussprechen wollen , bleibt ihnen nur, den Patienten an den Arzt zu verweisen.
Viele Grüße
Ihre DAZ.online-Redaktion

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Na toll

von Christian Becker am 29.08.2018 um 11:41 Uhr

Es ist also vermutlich sinnvoll, den abgelaufenen Pen zu benutzen... sinnvoller zumindest, als keinen zu verwenden.
Untersucht wurde die noch vorhandene Dosis in den Pens... wie sieht es aber aus mit (u.U.) schädlichen Abbauprodukten, Sterilität etc.?
Und was soll man den Kunden raten? Wir können ja schlecht die Verwendung abgelaufener Medikamente empfehlen.

Übrigens haben Adrenalinpens keine Gehälter, nur Gehalte.

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