Gastbeitrag Dr. Franz Stadler

Arzneimittelversorgung: Sind die Handelswege das Problem?

Erding - 02.10.2018, 15:45 Uhr

Reichen bessere Arzneimittelkontrollen aus, um Skandale wie Lunapharm und Valsartan künftig zu vermeiden? Diese Frage stellt sich DAZ.online-Gastkommentator und Apotheker Dr. Franz Stadler. (Foto: Imago)

Reichen bessere Arzneimittelkontrollen aus, um Skandale wie Lunapharm und Valsartan künftig zu vermeiden? Diese Frage stellt sich DAZ.online-Gastkommentator und Apotheker Dr. Franz Stadler. (Foto: Imago)


In den vergangenen Monaten standen die Handelswege der Arzneimittel im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Arzneimittelskandale wie die Lunapharm-Affäre trugen ihren Teil dazu bei. Oftmals geht es nun um mehr und bessere Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden. Aber kann ein Mehr an Kontrollen zu einem Mehr an Arzneimittelsicherheit führen? Muss nicht vielmehr über grundlegende Eingriffe in die Struktur der Arzneimittelversorgung und der Handelswege nachgedacht werden? Diesen Fragen versucht Dr. Franz Stadler nachzugehen.

Bankrotterklärung der Kontrollbehörden

Liest man den Bericht der Task Force im Detail, so fällt ein wichtiger Punkt auf: Einige der Rückstellmuster mussten zu Roche, dem Originalhersteller der Produkte, zur analytischen Untersuchung der Wirkstoffe auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geschickt werden. Die Begründung für diesen Vorgang ist so simpel wie erhellend: Ohne Kenntnis der geheimen Produktspezifikationen können Proteingemische, und alle monokloanalen Antikörper (MAK) sind Proteingemische, selbst bei bester personeller und apparativer Ausstattung, nicht valide auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hin untersucht werden! Nur der Originalhersteller und die EMA kennen diese Informationen. Bei diesen Produkten ist also eine analytische Kontrolle durch Behörden des Bundes oder der Länder im Regelbetrieb gar nicht möglich, sondern wird sich immer auf eine formale Kontrolle nach Aktenlage (Zertifikate, Lieferscheine, Großhandelserlaubnis etc.) beschränken müssen. Dabei sind gerade diese Wirkstoffe, wegen ihrer hohen Preise und den entsprechenden Gewinnspannen, beliebte Handelsprodukte für den Parallelim- und -export.

Angesichts der Undurchschaubarkeit der europaweiten Handelswege kommt dies einer Bankerotterklärung der Kontrollbehörden gleich.

Securpharm garantiert nicht die Wirksamkeit von Arzneimitteln

Daran wird übrigens auch Securpharm nicht das geringste ändern. Selbst wenn das System in einigen Jahren europaweit flächendeckend und lückenlos eingeführt sein sollte, ist in vielen Fällen beim grenzüberschreitenden Zwischenhandel keine analytische Kontrolle der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit möglich. Bestenfalls (und immerhin) wird Securpharm die Sicherheit von Medikamenten gegenüber Arzneimittelfälschungen erhöhen, nicht jedoch deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei der Anwendung garantieren.

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Apotheker Dr. Franz Stadler ist regelmäßiger Gastkommentator in der DAZ und auf DAZ.online. (Foto: privat)

Denkt man jetzt an einen möglichen europaweiten Rx-Versand, steht die Sache sogar noch schlimmer. Niemand weiß, was mit den Arzneimitteln auf dem Weg vom ausländischen Versender zum deutschen Empfänger passiert. Das ankommende Produkt kann und will in diesem Fall nicht einmal irgendwer kontrollieren. Keine Stichproben, keine Aktenlage, keine Behörde. Wo bleibt hier die Arzneimittelsicherheit? Selbst wenn es Spahn gelingen sollte, seine immer wieder gern erwähnten „gleichlangen Spieße“ zwischen Versandhändlern aus dem Ausland und inländischer Vorortapotheke herzustellen (was bezweifelt werden darf), geht es bei der Forderung nach einem Rx-Versandhandelsverbot nicht nur um Wirtschaftlichkeit, sondern auch um den Verlust von Haftung und Kontrollfähigkeit der abgebenden Stellen. Es geht auch hier um Arzneimittelsicherheit und Patientenschutz.



Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Lunapharm

von Gunter Kowalski am 02.10.2018 um 18:18 Uhr

Es wäre besser, die Überwachungsbehörden und Minister im Umgang mit Medien zu schulen, damit nur die Fakten veröffentlicht werden, die wirklich eine Gefährdung von Patienten ergeben. Erst wurde behauptet, die Medikamente seien gestohlen, bis klar wurde, dass niemand weiss, ob etwas gestohlen ist. Dann wurde behauptet, die Ware sei schlecht behandelt worden, wie die Kühlkette unterbrochen worden sei. Als klar wurde, dass es keiner Kühlkette bedarf, wurde einfach weiter gefälscht und jetzt behauptet, die Ware sei schlecht gelagert worden, wofür es überhaupt keinen Anhaltspunkt gibt. Dann wurde behauptet, die Mafia sei im speile und es sei en europaweites Netzwerk von Kriminellen, bis klar war, dass die Mafia die Sache gar nicht kennt und Händler europaweit handelten, was sie immer tun. Ob es Kriminelle sind, weiss niemand. die Valsartan geschichte hat mit Parallelhandel gar nichts zu tun. Der Lunapharm-Skandal hat viel mit Dummheit und Sensationsgier zu tun, aber nichts mit Parallelhandel. Es wurden Originalmedikamente mit Chargennummern und Haltbarkeitsdaten geliefert. Die Lieferung erfolgte regelgerecht, wie die Task Force feststellte.Man kann anhand der Chargennummern und Haltbarkeitsdaten erkennen, wann die Sachen produziert und an wen sie in Griechenland geleifert worden sind. Bei den Importeuren kann man weiter ermitteln, wohin sie in Griechenland geliefert worden sind. Warum das bis heute nicht aufgeklärt wird, weis nur die griechische Polizei und lässt darauf schließen, dass der Fall in Griechenland herbeigelogen worden ist. Was haben aber politische Spielchen in Griechenland mit Parallelimporten zu tun? Sie sollen die den Herstellern und ihren Phantasiepreisen leidigen Händler und Preisbrecher erledigen. Das ist alles.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lunapharm

von Caroline Walter am 08.10.2018 um 20:14 Uhr

Herr Kowalski,
Sie sind Geschäftsführer von Rheingold. Einer Firma, die auch im Fokus der Ermittlungen steht. Vielleicht schreiben Sie das bei den nächsten Kommentaren einfach dazu. Es ist schon erstaunlich, wie Sie mit den Fakten umgehen! Dass es um illegalen Medikamentenhandel geht, sollte Ihnen langsam bekannt sein. Die griechische Apotheke hatte keinerlei Erlaubnis, Medikamente zu exportieren. Die Krebsmedikamente, die sie vertrieben hat, waren für griechische Patienten und griechische Kliniken vorgesehen. Die überwiegend von Lunapharm vertriebenen Medikamente müssen fachgerecht gekühlt und transportiert werden. Auch das können Sie im Task Force Bericht nachlesen!

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