Millioneneinnahmen

Heilpraktiker wegen nicht zugelassener Mittel für Krebspatienten vor Gericht

Karlsruhe - 28.02.2019, 12:45 Uhr

Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth muss sich seit dem gestrigen Mittwoch ein Heilpraktiker verantworten, weil er nicht zugelassene Mittel an Krebspatienten abgab. ( r / Foto: Imago)

Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth muss sich seit dem gestrigen Mittwoch ein Heilpraktiker verantworten, weil er nicht zugelassene Mittel an Krebspatienten abgab. ( r / Foto: Imago)


Seit Mittwoch steht in Nürnberg ein Heilpraktiker und Geschäftsmann vor Gericht: Er hat ohne Arzneimittel-Zulassung jahrelang angebliche Krebsmittel teuer verkauft und hiermit mehrere Millionen Einnahmen generiert. Dem bereits in Untersuchungshaft sitzenden Heinz R. droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth verlas am gestrigen Mittwoch vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth die Anklage gegen den Heilpraktiker und Geschäftsmann Heinz R.: Sie wirft dem Anfang 60-Jährigen, der seit April letzten Jahres in Untersuchungshaft sitzt, erhebliche Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz vor. Er soll ein angebliches, nicht als Arzneimittel zugelassenes Mittel „Rerum“ sowie Mittel mit dem Namen „Rerum blue“ und „Chold“ an Patienten verkauft haben, obwohl sie nicht für die Anwendung an Mensch oder Tier bestimmt waren.

„Der Einkaufspreis pro Phiole, welche unbeschriftet geliefert wurden, betrug dabei nicht mehr als 7 Euro “, heißt es in der DAZ.online vorliegenden Anklageschrift. Mitarbeiter der Firma des Heilpraktikers hätten Zubehör und Bestandteile für den Versand hinzugefügt. „Es wurden insbesondere Etiketten mit einem willkürlichen Mindesthaltbarkeitsdatum gedruckt und Spritzen sowie Adapter für die Entnahme beigefügt“, schreibt die Staatsanwaltschaft. Mindestens 9.858 dieser Phiolen von „Rerum“ und „Rerum blue“ habe er in den Jahren 2015 bis 2018 an Therapeuten und andere Abnehmer verkauft – zu einem Durchschnittspreis von 302,03 Euro pro Phiole.

Staatsanwaltschaft stuft die Mittel als bedenklich ein

Auf der Webseite sowie im Beipackzettel warb die Firma mit angeblich heilsamen Wirkungen. Die Mittel seien durch den Angeklagten dazu bestimmt gewesen, als Heilmittel insbesondere bei Krebsleiden im Endstadium (Rerum) beziehungsweise bei Autismus (Rerum blue) eingesetzt zu werden. R. habe die Mittel aber nur als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Außerdem habe der Inhalt der Zubereitung in ihrer Gesamtkomposition nicht mit den Angaben auf der Verpackung übereingestimmt und Hinweise zur Herkunft des Inhaltsstoffs Chondroitin gefehlt, welches allergen wirken könnte, sofern es aus Haifischknorpel gewonnen wurde.

„Insgesamt sind die Produkte, wie vom Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen, als bedenkliche Arzneimittel (§ 5 Abs. 2 AMG) einzustufen“, heißt es in der Anklage. Der Angeklagte habe aus grobem Eigennutz für sich oder einen anderen Vermögensvorteile großen Ausmaßes erlangt. Die Staatsanwaltschaft spricht sich dafür aus, die Einziehung von Wertersatz in Höhe von knapp 3 Millionen Euro anzuordnen.

Laut Verteidigerin keine Falschdeklaration

Der Prozess gegen R. dürfte langwierig werden: Das Landgericht hat hierfür derzeit 19 Verhandlungstage angesetzt, während der Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. anfangs nur 14 Verhandlungstage terminiert waren. Beim gestrigen Prozessauftakt machte die Verteidigerin des Heilpraktikers laut Deutscher Presse-Agentur geltend, die Packungsbeilage beschreibe lediglich eine „beworbene, aber keine nachgewiesene“ Funktion der Mittel. Sie argumentierte, sie seien nicht als Medikamente, sondern als Nahrungsergänzungsmittel einzustufen.

Bei den nächsten Verhandlungstagen sollen zahlreiche Zeugen und Sachverständige gehört werden. Der Pharmakologe und Dopingexperte Fritz Sörgel soll laut „Bayerischem Rundfunk“ außerdem ein Wirkstoffgutachten erstellen.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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