Am 15. und 16. März
findet in Stuttgart die Interpharm statt. Ein Themenblock des
wissenschaftlichen Kongresses befasst sich mit dem Thema
„When I’m 64 …“ – Polymedikation im Alter.
Das volle Programm und weitere Informationen finden Sie hier.
Viele, insbesondere ältere Patienten nehmen einen regelrechten Arzneimittelcocktail ein. Doch nicht immer ist alles notwendig, manches kann sogar schädlich sein. Daher kann es in vielen Fällen sinnvoll sein, die Therapie regelmäßig zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Doch passiert das in der Praxis auch? Apothekerin und POP-Autorin Isabell Waltering befasst sich mit dem Thema auf der Interpharm.
DAZ.online: Der Titel des Interpharm-Vortrags lautet „Deprescribing – Wenn weniger mehr ist“. Was genau versteht man unter „Deprescribing“?
Waltering: Depresribing kann definiert werden als ein systematischer Prozess, bei dem Arzneimittel identifiziert und abgesetzt werden, bei denen potentielle und manifeste Risiken oder Schäden den tatsächlichen oder zu erwartenden Nutzen übersteigen. Es ist also somit die sinnvolle Nutzen-Risiko-Abwägung einer bestehenden oder eventuell auch schon länger bestehenden Arzneimitteltherapie. Es kann aber auch die Umsetzung neuerer Erkenntnisse sein, die zu einem Deprescribing führt, wie es zurzeit bei der Diskussion um ASS zur Primärprävention zu sehen ist. Auch Veränderungen bei der Prognose von Patienten und ihrer damit verbundenen Therapieziele können zur Reduktion von Arzneimitteln führen, wenn sich der Patient in einer eher finalen Lebensphase befindet. Neu am Deprescribing-Prozess ist, dass er möglichst interprofessionell und unter Einbeziehung des Patienten stattfinden sollte.
Am 15. und 16. März
findet in Stuttgart die Interpharm statt. Ein Themenblock des
wissenschaftlichen Kongresses befasst sich mit dem Thema
„When I’m 64 …“ – Polymedikation im Alter.
Das volle Programm und weitere Informationen finden Sie hier.
DAZ.online: Ist das eine relativ neue Erkenntnis, dass es sinnvoll sein kann bestimmte Arzneimittel wegzulassen, weil man den Menschen unter Umständen mehr Schaden als Nutzen zufügt?
Waltering: Dass bestimmte Arzneimittel dem Patienten eher
schaden als nutzen ist bestimmt keine neue Erkenntnis. Es ändern sich
allerdings auch immer wieder die Risikoeinschätzung für bestimmte Therapien und
auch die Therapieziele. Dazu ist es jedoch notwendig, sich regelmäßig zu diesen
Themen zu informieren, aber auch gleichzeitig die individuelle Situation des
Patienten regelmäßig einzuschätzen und eine einmal angesetzte Therapie immer
wieder kritisch zu hinterfragen.
Aufgetaucht ist der Begriff „Deprescribing“ schon 2003, und auch Initiativen
wie „Choosing Wisely“ gibt es bereits seit einigen Jahren. Es ist also kein
wirklich „neues“ Phänomen.
DAZ.online: Passiert das in der Praxis auch tatsächlich oder ist eher die Regel, dass eine einmal angesetzte Dauermedikation nicht mehr hinterfragt wird?
Waltering: In der Praxis ist die konsequente Umsetzung von Deprescribing-Strategien meiner Erfahrung nach nicht wirklich angekommen. Meist werden Arzneimittel erst dann abgesetzt, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist. Häufig bestehen Bedenken, Arzneimittel zu reduzieren, oder auch Unwissenheit darüber, wie man sie reduzieren sollte oder bei welchen Patienten es besonders sinnvoll ist. Auch Patienten selber möchten nicht auf bestimmte Arzneimittel verzichten, selbst wenn es nicht einmal eine Diagnose für diese Medikamente gibt. Zudem ist der Prozess mit einem verstärkten Monitoring verbunden, was in der Praxis aus vielen Gründen schon nicht machbar ist. Prinzipiell kann man sagen, dass es immer noch viel zu wenig angewendet wird, da das Gesundheitssystem nicht auf Reduktion von Arzneimitteln ausgelegt ist.
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