Curevac-Gründer in den Stuttgarter Nachrichten

„Apotheken werden einmal überflüssig werden“

Stuttgart - 05.04.2019, 07:00 Uhr

Werden innovative und individualisierte Arzneimittel wie RNA-basierte Präparate in Kombination mit Künstlicher Intelligenz Apotheken und Pharmaindustrie wirklich überflüssig machen? (s / Foto: nobeastsofierce / stock.adobe.com)

Werden innovative und individualisierte Arzneimittel wie RNA-basierte Präparate in Kombination mit Künstlicher Intelligenz Apotheken und Pharmaindustrie wirklich überflüssig machen? (s / Foto: nobeastsofierce / stock.adobe.com)


Dr. Ingmar Hoerr, Mitgründer des Biotech-Unternehmens Curevac, erklärte kürzlich in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“: „Apotheken werden einmal überflüssig werden“. Eine ähnlich düstere Prophezeiung trifft er für die Pharmaindustrie. Ungeachtet dessen: Die Ideen und Forschungsschwerpunkte des Unternehmens für künftige Arzneimittel und Therapien sind fraglos spannend.

Dass Apotheken irgendwann einmal überflüssig werden könnten, dieser Satz liest sich nur schwer für Angehörige dieses Heilberufes. Getätigt wurde diese nihilistische Aussage von Dr. Ingmar Hoerr, Mitgründer und seit 2018 Vorsitzender des Aufsichtsrates von Curevac, in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“, das vergangen Sonntag erschienen ist. Allerdings: Der Curevac-Chef hegt wohl keine bösartige Gesinnung den Apothekern gegenüber. Vielmehr scheint Hoerr, selbst Biologe, diese von ihm prophezeite mögliche Entwicklung einfach als Folge innovativer Arzneimittel, wie die von Curevac erforschten RNA-basierten Impfstoffe oder Krebsimmuntherapien, zu sehen.

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Denn: „In der Grundidee von Curevac, über Erbmaterial den Körper zu programmieren, damit er sich sozusagen seine Medikamente selbst herstellen kann, steckt noch eine viel größere Revolution“, erklärt Hoerr im Interview. „Sie könnte tatsächlich die Pharmaindustrie und die Apotheken irgendwann überflüssig machen“, so der Curevac-Mitgründer. Der aufmerksame Leser entdeckt – entgegen dem von den „Stuttgarter Nachrichten“ in der Überschrift zitierten Satz im Indikativ – die Relativierung der Vorhersage Hoerrs durch den Konjunktiv mit „könnte […] überflüssig machen“. Jedoch das nur nebenbei.

Curevac

Das Steckenpferd von Curevac ist die RNA (Ribunukleinsäure). Laut der Homepage des Biotechnologieunternehmens entdeckte Dr. Ingmar Hoerr, neben Steve Pascolo und Florian von der Mülbe, im Rahmen seiner Promotion in der Biologie, dass die als sehr instabil geltende RNA – entgegen der allgemeinen Lehrmeinung – bei entsprechender Modulierung der biologischen Eigenschaften als Therapeutikum und Impfstoff direkt in das Gewebe verabreicht werden kann.

Hoerr ist Mitgründer (2000) von Curevac und seit 2018 Vorsitzender des Aufsichtsrates des Unternehmens. Curevac sei es gelungen, „RNA handhabbar zu machen, zu stabilisieren und ihre Eigenschaften zu optimieren“, heißt es auf der Seite des Unternehmens.
Seither forscht Curevac in verschiedenen Gebieten: wie RNA-basierte Tumortherapie oder Impfstoffe auf RNA-Basis zum Schutz vor Infektionskrankheiten.

Trivial formuliert soll durch Einbringen der RNA und Ablesen derselben am Ribosom der menschliche Körper in die Lage versetzt werden, benötigte Proteine selbst zu synthetisieren. So werden laut Curecav prophylaktische RNActive®-Impfstoffe von Antigen-präsentierenden Zellen (APCs) exprimiert und präsentiert und so ein durch Antikörper und durch T-Zellen vermittelter Impfschutz hergestellt.

Curevac definiert sich selbst als Pionier „in der Entwicklung von RNA-basierten Medikamenten“. Dies sieht wohl auch die Europäische Kommission so: 2014 erhielt Curevac den erstmals verliehenen und mit zwei Millionen Euro dotierten Innovationspreis der Europäischen Kommission für eine neue Impftechnologie auf Basis der mRNA.

Der Name von Curevac hat durchaus Substanz: vielfältige Therapiemöglichkeiten (= Cure) auf Grundlage einer revolutionären Vakzinierung (= Vac).

Hoerrs „Vision“ ist keineswegs ein persönlicher Angriff auf Apotheken, sondern wohl eher als Begleiterscheinung, quasi eine Art Nebenwirkung, des medizinischen und arzneimitteltherapeutischen Fortschrittes zu sehen, wenn es irgendwann vielleicht möglich ist, dass Patienten, sich die für sie passenden Medikamente in jedem Krankenhaus ja sogar in jeder Arztpraxis einfach ausdrucken lassen  – so stellt sich der Biologe die Arzneimitteltherapie der Zukunft vor und vergleicht diese mit „Raumschiff Enterprise, wo der Doktor Pille McCoy einfach den Körper scannt und dann das Passende spritzt". Allerdings: Auch wenn die Pipeline des noch nicht einmal 20-jährigen Biotechnologieunternehmens fraglos mehr als spannend und das Wachstum äußerst beeindruckend ist und man Curevav Erfolge mit innovativen RNA-Technologien mehr als wünscht – ganz so schnell fliegt das Raumschiff mit den Curevac-Innovationen aus Tübingen derzeit noch nicht. Das hat auch seinen Grund, wie Hoerr sich in den Stuttgarter Nachrichten äußert.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Fachlich evt gut, Gesellschaftliche Kompetenz leider wohl gegen Null

von ratatosk am 06.04.2019 um 9:08 Uhr

Im Ansatz für Milliardäre sicher die Zukundt, der Rest der Bundesbürger/d darf ja froh sein, wenn ihm seine GKV von die Billigstchargen aus China und Indien zahlt.
Wieviel dürfte denn eine individuelle RNA Kopfschmerztablette kosten. Erst denken , dann reden, war schon immer gut es so zu halten.
Ist wie mit den Flugtaxis, extrem teuer für Superreiche, extrem schlechte Energiebilanz etc. Für diese Leute ist aber die normale republikanische Demokratie nicht gewinnträchtig genug, USA etc. mit ihre Gateway Kommunities zeigen die asoziale Zukunft, wo sich legale Steuervermeider mit illegalem Geld beim Schampus paart.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Davon sind wir nicht so weit entfernt.

von Rainer W. am 08.04.2019 um 19:10 Uhr

Dass in Deutschland Politik zunehmend für die wohlhabendsten Bevölkerungsschichten gemacht wird ist ja nicht neu.

Sogar auf der Seite des BMAS findet sich eine Studie die das beweist. Der Studienzeitraum geht nur bis 2015 aber ich glaube kaum, dass es sich seitdem verändert hat, auch die Lippenbekenntnisse der SPD werden das nicht ändern.

https://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/a-305-4-endbericht-systematisch-verzerrte-entscheidungen.html

promovierte Heissluft

von Dr.Diefenbach am 05.04.2019 um 11:42 Uhr

Wer schreibt,dass Apotheken einmal überflüssig WERDEN,das ist ja dann kein Konjunktiv,sondern eine festgestellte Faktenlage,der erledigt sich selbst :Denn die fortschreitende KI,dem Herrn sicher auch bekannt,beseitigt nicht nur manches Biotech-unternehmen-das gab es bereits mehrfach-sondern natürlich auch die "Köpfe",die dort arbeiteten.Weil alles "von selbst" laufen WIRD?"! Oder?Aber man kann es nicht mehr hören.Jeden Tag treibt irgendeine Figur,egal wo sie angesiedelt ist,ihre diesbezüglich ja offensichtlich populistischen Aussagen in die weite Welt.Es stellt sich halt immer wieder dann die Frage:WO BLEIBT DIE AKZEPTANZ DES PAPIERES 2030 IN DEN KÖPFEN von Leuten,die im Gesundheitswesen welche Rolle auch immer einnehmen?Hat es die Berufsöffentlichkeit,hier:die Repräsentanten von "uns",nie geschafft,diese Diskussion endlich in den Griff zu bekommen?KEIN anderer Beruf wird so rhetorisch misshandelt wie unserer.Die Menschen sind dankbar dass die Apotheke vor Ort da ist.Also,betrachtet man zB die törichten Aussagen des AOK Mannes(ich spare mir bewusst Namen,man sollte einzelne Teilnehmer nicht zu viel Bedeutung zumessen),ist es Bösartigkeit und Neid,wenn auf die Apotheken permanent eingedroschen wird.TROTZ guter Studienlagen.Wenn dann auch noch wie hier dargestellt Biotechniker sich anmassen,15o Tausend Leute mehr oder weniger in Frage zu stellen,dann sollte doch eine Konsequenz her.Unsere jungen Kollegen müssen(!!!!) auch in die aktive Politik,und zwar in Mengen,um Gedankenspiele wie auch dem DAZ-Beitrag dargestellt substanziell zu widerlegen.Daher wäre es ein Paradepunkt für den Apotag 2019,diese Kritiker von aussen in eine grosse Diskussionsrunde einzuladen,diese dann mit den Gedankengängen unserer KollegInnen in der Anfangsphase ihres Berufslebens zu konfrontieren.Denn dann könnte ja mal ein Aha-Effekt auch auf der "anderen" Seite eintreten.Politiker braucht diese Runde aber nicht.Das stört.Man sollte im ABDA -haus nachdenken,wie Derartiges realisierbar ist!

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AW: promovierte Heissluft

von Christiane Patzelt am 05.04.2019 um 12:54 Uhr

recht haben Sie Herr Diefenbach!

Keine Ahnung von Heilberufen

von Cornelius Zink am 05.04.2019 um 11:02 Uhr

Sehr interessant, dass scheinbar immer Leute befragt werden die keine Ahnung von Heilberufen haben.
Eine Veränderung der RNA ersetzt Apotheker, ein Scanner ersetzt Ärzte und humanoide Cyborgs ersetzten Pflegepersonal.
Das wird nicht funktionieren und jeder mit Sachkenntnis im Gesundheitssektor weiß das.

Mal ganz abgesehen von den genannten Krankheiten, die alle mehr oder weniger chronisch sind.
Wo bekomme ich Medikamente für akute Beschwerden? Ibuprofen, Salbutamol, Kochsalzlösung, Inhalatoren für Kleinkinder? Verbandsmaterial?
Kann menschliche RNA Ibuprofen? Und weiß sie auch wie die Dosierung ist?
Ich bezweifel das stark.

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