Drug Safety Mail

ACE-Hemmer und Lungenkrebs: EMA sieht keinen Kausalzusammenhang

Stuttgart - 02.05.2019, 09:00 Uhr

ACE-Hemmer: Die EMA sieht keinen besonderen Handlungsbedarf. (Foto: imago images / Medicimage)

ACE-Hemmer: Die EMA sieht keinen besonderen Handlungsbedarf. (Foto: imago images / Medicimage)


Begünstigen ACE-Hemmer Lungenkrebs? Diese Frage stellt sich die Fachwelt seit dem vergangenen Herbst. Denn damals legte eine im British Medical Journal publizierte Studie genau das nahe. Doch sie scheint Schwächen zu haben. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat das Risiko ebenfalls überprüft. Sie sieht keine Evidenz für einen Kausalzusammenhang und deswegen derzeit auch keinen Handlungsbedarf.

ACE-Hemmer wie Ramipril und Lisinopril gehören zu den am häufigsten verschriebenen Antihypertonika. Deswegen ist es kaum verwunderlich, dass eine im Oktober 2018 publizierte Studie Wellen schlug. Laut der können die Wirkstoffe dieser Gruppe offenbar die Entwicklung von Lungenkrebs fördern. Britische Wissenschaftler haben dazu Langzeitdaten von 992.061 Personen unter antihypertensiver Therapie ausgewertet.  Dabei verglichen die Forscher das Lungenkrebsrisiko unter der Einnahme von ACE-Hemmern mit anderen Blutdrucksenkern wie etwa Sartanen, Beta-Blockern oder Calcium-Kanal-Blockern. Etwa ein Drittel der Kohorte (335.135) nahm während des Studienzeitraums ACE-Hemmer ein, vor allem Ramipril (26 Prozent) und Lisinopril (12 Prozent). Im Laufe der Studie traten in der Gesamtkohorte 7952 Lungenkrebsfälle auf.

Das Risiko unter ACE-Hemmern war im Vergleich zu Sartanen insgesamt um 14 Prozent erhöht. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war erst ab einer Behandlungsdauer von fünf Jahren signifikant. Nahmen die Patienten ihre Antihypertensiva länger als zehn Jahre ein, war das Lungenkrebsrisiko in der ACE-Gruppe im Vergleich zur Sartan-Gruppe sogar um 31 Prozent erhöht. 

Mehr zum Thema

Britische Kohortenstudie

Begünstigen ACE-Hemmer Lungenkrebs?

Kritik an der Studie

Allerdings sei die Aussagekraft der Studie wegen möglicher Verzerrungen („Bias“) und Störgrößen („Confounder“) begrenzt, schreibt die  Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) nun in einer Drug Safety Mail. So seien Patienten, die ACE-Hemmer erhielten, älter, häufiger männlich und seltener Nichtraucher gewesen. In der Studie sei zudem der sozioökonomische Status, der das Verschreibungsverhalten und das Lungenkrebsrisiko beeinflussen könne, nicht berücksichtigt worden. Außerdem wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass bei Patienten mit ACE-Hemmern Lungenkarzinome häufiger entdeckt werden, da wegen Husten, „der“ ACE-Hemmer-Nebenwirkung schlechthin, häufiger eine Diagnostik angeleiert werde. Insbesondere angesichts des gut belegten Nutzens von ACE-Hemmern und der nur geringfügigen Erhöhung des Risikos in der berichteten Studie sähen verschiedene Autoren derzeit keinen Grund für eine Änderung der Verordnungspraxis, schreibt die AkdÄ.

Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) habe das Risiko überprüft – und sieht keinen besonderen Handlungsbedarf über die routinemäßige Pharmakovigilanz hinaus, heißt es weiter. Die europäische Behörde hat die vorliegende Studie und andere verfügbare Daten bewertet. Laut AkdÄ kommt sie zu dem Schluss, dass es derzeit keine ausreichende Evidenz für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ACE-Hemmern  und einem erhöhten Lungenkrebsrisiko gebe. Als Gründe werden das Confounding-Risiko, verschiedene Formen von Bias sowie inkonsistente Daten aus anderen Studien angeführt.  


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.