Pharmacon Meran 2019

Finger weg von Progesteroncremes!

Meran - 03.06.2019, 09:00 Uhr

„Transdermales Progesteron wirkt nicht zuverlässig als Endometriumschutz", mahnt Professor Kai Bühling beim Pharmacon in Meran. (Foto: DAZ/ck)

„Transdermales Progesteron wirkt nicht zuverlässig als Endometriumschutz", mahnt Professor Kai Bühling beim Pharmacon in Meran. (Foto: DAZ/ck)


Welches Hormon ist verantwortlich für ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei einer Hormonersatztherapie (HRT) in den Wechseljahren – Estrogen oder Gestagen? Ab welcher Therapiedauer steigt diese Gefahr überhaupt? Macht eine HRT dick, und was ist von Progesteroncremes zu halten? Die Antworten lieferte – kompetent und kurzweilig – Professor Kai Bühling beim Pharmacon in Meran.

„Wechseljahresbeschwerden können tatsächlich einen Krankheitswert haben, häufig werden sie jedoch unterschätzt“, sagt Professor Kai Bühling. Der Gynäkologe mit den Schwerpunkten Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin leitet unter anderem die Hormonsprechstunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Nicht immer durchleben Frauen ihre Wechseljahre im Vorbeigehen, stattdessen plagen sie – in unterschiedlicher Ausprägung – neben Wallungen und Schwitzen auch Schlafstörungen, Reizbarkeit und depressive Verstimmungen oder Herzbeschwerden. Ein Hormonersatz hilft, doch hat die Hormonersatztherapie in den vergangenen Jahren wechselhafte Zeiten durchlebt, „ihr Nutzen und ihre Risiken wurden dabei wie die Pendel einer Wanduhr beurteilt“, sagt Bühling.

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Die große WHI-Studie (Women's Health Initiative), die Wissenschaftler bereits 2002 im JAMA (Journal of the American Medical Association) publizierten, verpasste dem Ruf der Hormonersatztherapie (HRT) einen nachhaltigen Dämpfer. Dabei war das Kollektiv der Studie – das Eintrittsalter der Frauen lag bei 63 Jahren, und sie durften keine Wechseljahresbeschwerden haben – denkbar ungeeignet. „Die Menopause beginnt normalerweise deutlich früher, im Mittel bei 51 Jahren“, erklärt Bühling. „Das ist bei der WHI-Studie komplett schief gelaufen – wenn man Frauen einschließt, die seit zehn Jahren in der Menopause sind“. Sorge bei einer HRT bereitet den meisten Frauen die erhöhte Gefahr für Brustkrebs – doch ab welcher Therapiedauer steigt die Gefahr eines Mammakarzinoms im Vergleich zu Placebo überhaupt erst? Bühling ordnet für die Apotheker beim letzten Tag des Pharmacon in Meran nochmals die Fakten.

Übergewicht erhöht Brustkrebsrisiko mehr als Hormonersatz

„Das Risiko für Brustkrebs unter einer Hormonersatztherapie steigt erst nach fünf Behandlungsjahren signifikant“, erklärt Bühling. Während der ersten fünf Jahre verliefen Placebo und HRT-Kurven auf „einer Linie“, informiert Bühling. Wie viel größer wird nach fünf Jahren das Risiko schließlich für ein Mammakarzinom? „Ohne HRT erkranken innerhalb eines Jahres von 10.000 Frauen 46 an Brustkrebs, mit einer HRT sind es acht Frauen mehr. Das heißt aber: Die allermeisten Brustkrebspatientinnen hätten den Tumor auch ohne HRT entwickelt“, resümiert der Gynäkologe. Andere Faktoren spielten eine wesentlich größere Rolle bei der Risikoerhöhung als eine HRT, doch die Aufklärung läuft nach Einschätzung Bühlings hier sehr einseitig zu Ungunsten der Hormontherapie: „Lebensstilfaktoren wie Übergewicht, Alkohol oder sportliche Inaktivtiät erhöhen das Brustkrebsrisiko viel dramatischer als eine HRT“, dennoch werde meist ausschließlich über die HRT-induzierte Krebsgefahr gesprochen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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