Kommentar

Der Preisanker – ein überflüssiges Instrument?

Stuttgart - 08.07.2019, 07:00 Uhr

Der neue Rahmenvertrag erhitzt derzeit die Gemüter vieler Apotheker. Insbesondere die Regelungen zum Preisanker sorgen für Konfusion, meint DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat. (r / Foto: imago images / Uwe Steinert)

Der neue Rahmenvertrag erhitzt derzeit die Gemüter vieler Apotheker. Insbesondere die Regelungen zum Preisanker sorgen für Konfusion, meint DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat. (r / Foto: imago images / Uwe Steinert)


Nach rund fünf Jahren intensiver Verhandlungen muss sich der neue Rahmenvertrag seit vergangener Woche in der Praxis bewähren. Viele Apotheker beklagen, dass vor allem im Generikabereich die Versorgung der Patienten zu kompliziert ist und sich in vielen Fällen als unmöglich herausstellt. Verantwortlich dafür sollen Lieferengpässe, strenge Softwareeinstellungen und die vielen Kostendämpfungsinstrumente des Regelwerks sein. Offensichtlich ist es der sogenannte Preisanker, der das Fass aktuell zum Überlaufen bringt, meint DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat.

Ärzte müssen Arzneimittel ausreichend, zweckmäßig und – heutzutage wichtiger denn je – wirtschaftlich verordnen. So schreibt es das Sozialgesetzbuch vor. Damit sich alle an diese Prämisse „gerne“ und ausnahmslos halten, existieren unzählige Kostendämpfungsinstrumente auf Ebenen der Hersteller, Ärzte, Apotheker und auch der Patienten.

Goldene Regel: Rabattvertrag sticht immer alles. Er ist sozusagen der höchste Trumpf. Egal, welche Generikahersteller die Ärzte verschreiben, die Apotheker an Lager haben oder die Patienten favorisieren. Rabattarzneimittel sind quasi das Kassengestell für alle gesetzlich Versicherten und verpflichten zur Abgabe.

Es könnte so einfach sein, doch im Jahr 2019 ist der deutsche Arzneimittelmarkt von weitreichenden Lieferengpässen geprägt. Diese betreffen meistens Präparate, die am häufigsten abgegeben werden – also vor allem Arzneimittel in Rabattverträgen.

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Nun gut, es gibt Regelwerke wie den Rahmenvertrag, die einem bei Nichtlieferbarkeiten die weitere Vorgehensweise aufzeigen: Dann wird nämlich eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel abgegeben. Wenn auch die nicht lieferbar sind, arbeitet man sich weiter „hoch“ bis zum namentlich verordneten Präparat, dem sogenannten Preisanker. Irgendeines wird doch wohl lieferbar sein. Was stellen sich die Apotheken also an, könnten Ärzte und Patienten jetzt meinen.

Doch der schönen Theorie folgt die bittere Praxis: Das ärztlich verordnete Arzneimittel, also der Preisanker, befindet sich meistens schon im sehr günstigen Generikabereich – was die Auswahl in der Apotheke deutlich einschränkt. Mit dem neuen Rahmenvertrag wurde nämlich auch die Maßgabe scharfgestellt, dass Arztpraxen nur noch mit zertifizierter Software arbeiten dürfen, die eben die preisgünstigsten Arzneimittel bevorzugt vorschlägt.

Je billiger das verordnete Präparat ist, je „tiefer“ der ärztliche Preisanker also hängt, desto schwieriger bis unmöglich ist es für die Apotheke eine Alternative zum nichtlieferbaren Rabattarzneimittel zu finden. Alles, was teurer ist als der Preisanker – auch, wenn es meistens nur um ein paar Cent geht – muss mit der Arztpraxis abgeklärt und dokumentiert werden. Ein Irrsinn!

Frustration und Ärger sind vorprogrammiert

Mit dieser Regelung entstehen zwangsläufig Frustration und Ärger, sowohl in der Apotheke als auch in der Beziehung zum jeweiligen Arzt - wenn dieser überhaupt ohne weiteres erreichbar ist, man denke an Patienten von weit her oder die Versorgung am Samstag und in Notdiensten.

Eine Lösung wäre, dem Arzt zu empfehlen, den Preisanker möglichst hoch zu hängen und damit den Handlungsspielraum der Apotheke zu vergrößern. Moment mal: Als Apotheke dem Arzt empfehlen, möglichst „teure“ Arzneimittel zu verordnen? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Und das teure Generikum dürfte aufgrund der Rangfolge ohnehin erst dann abgegeben werden, wenn kein Rabattarzneimittel, keines der vier günstigsten und alle folgenden günstigen auch nicht verfügbar sind und das „Teure“ alternativlos ist.

Die weitaus bessere Lösung wäre die ersatzlose Streichung der Preisanker-Regel! Denn zu viele Kostendämpfungsinstrumente führen offensichtlich zu keiner besseren Versorgung der Patienten und das kann am Ende auch nicht im Interesse der Ärzte sein.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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10 Kommentare

"Preisanker"

von Rita Längert am 08.07.2019 um 19:22 Uhr

bitte als Unwort des Jahres oder alternativ als größten Schwachsinn des 21.Jahrhunderts vorschlagen!
Wer auch immer diesen Rahmenvertrag "im Namen der Apotheker" unterschrieben hat, kann nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen sein. Würde man den Ärzten so etwas vorsetzen, wären spätestens nach einer Woche alle Praxen geschlossen und nur noch eine Notfallversorgung gegeben ( abgesehen davon, das kein Ärztevertreter sowas unterschreiben würde).
Für jedes Sonderkennzeichen, jede Nachfrage mit Doku beim Arzt (wg. nicht mehr gelisteter PZN, schwerwiegender WW, Preisanker und demnächst fehlender Dosierung) bitte Sonderkennzeichen 10 einführen mit mind. 1 Euro zu Lasten der GKV (Schnäppchenpreis, bei mind. 5Min Arbeitsaufwand würden die Ärzte für ihr Personal nach Berechnung des BMG 2,90€ veranschlagen können) und der Spuk wäre schnell zu Ende. Aber auf sowas kommen "unsere Interessenvertreter" ja nicht.

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AW: Gefühlt

von Stefan Haydn am 09.07.2019 um 18:07 Uhr

werden fast immer alle Verschlimmbesserungen in der Apotheke in der letzten Zeit von Leuten begangen, die offenbar "nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte" sind.

Hauptsache den Banken geht es gut

von Hummelmann am 08.07.2019 um 13:40 Uhr

Während wir uns auf der Suche nach einem abgabefähigen Arzneimittel die Finger wund tippen, liegt die große Finanzreserve der GKV auf der hohen Kante und verursacht dort Strafzinsen (meiner Schätzung nach im hohen dreistelligen Millionenbereich).
Wo kämen wir denn hin, wenn wir Beitragsgelder ausschließlich zum Wohle der Beitragszahler einsetzen würden? Da ist es dich schon ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass es nach diversen Finanzkrisen unseren Banken wieder richtig gut geht...

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Preisanker

von Inge Deufert am 08.07.2019 um 13:26 Uhr

Es geht schon lange nicht mehr um eine gute Versorgung der Patienten, es geht nur noch um Einsparungen und seien es auch nur Cent-Beträge.

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Preisanker

von Heiko Barz am 08.07.2019 um 10:56 Uhr

.......zufiele Kostendämpfungsinstrumente führen offensichtlich zu keiner besseren Versorgung der Patienten......
Wo kommen wir denn hin, wenn irgendetwas zum Wohle der Patienten geschehen sollte!
Das geht doch nun wirklich zu weit!
Die haben ihre Beiträge zu zahlen und damit basta.
Das Ergebnis ist der schrittweise qualitätsminimierte Abstieg der Gesundheitsversorgung.

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Wirkstoffverordnung

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 08.07.2019 um 10:39 Uhr

Bei Wirkstoffverordnungen gibt es keinen Preisanker. Und die Wirkstoffverordnung kann man auch als Apotheker ohne schlechtes Gewissen empfehlen. Vielleicht wollten die Schöpfer des Vertrages darauf hinaus?!

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AW: Wirkstoffverordnung

von Heiko Barz am 08.07.2019 um 11:15 Uhr

Sind Sie Praktiker, Herr Kollege?
Die Wirkstoffverordnungen sind sehr übersichtlich und nehmen immer weiter ab.
Seien Sie sicher, wenn es anders käme, und wenn es nur noch diese Art Versorgung gäbe, dann wären die stets rührigen KKassenfunktionäre schnellstens dabei, auch neue und umfangreiche Regressphänomene für diesen Fall zu schaffen. Das sind sie schon ihren von ihnen eingesetzten Regresspartnern schuldig.
Einen Trend zur Vermehrung der Wirkstoffverordnungen sehe ich nicht.

AW: Wirkstoffverordnung

von Peter am 08.07.2019 um 12:29 Uhr

Seit Einführung der Rabattverträge haben wir de facto ohne aut idem gesetzt eine Wirkstoffverordnung, was allerdings bis heute zu den Ärzten nicht vorgedrungen zu sein scheint ;)
Aber egal, der Preisanker ist letztendlich nichts anderes als ein Retax Tool, denn wofür Festbeträge? Wurden DIE abgeschafft ohne dass wir es mitbekommen haben?

AW: Wirkstoffverordnung

von Benjamin Schäfer am 11.07.2019 um 13:34 Uhr

Ganz ehrlich, super Vorschlag! Werde ich gleich mal unseren Ärzten nahelegen. Denn ohne Preisanker greifen zumindest noch unsere "alten" Kompetenzen wie Akutversorgung und pharm. Bedenken. Danke

Verschreibung

von Conny am 08.07.2019 um 10:14 Uhr

Die Ärzte sind oft überfordert und wir sind die Dummen . Es ist manchmal haarsträubend was aufgeschrieben wird. Und um manchmal diesen Quatsch auszubügeln, benötigen die armen Ärzte auch noch Briefmarken von einem.Irgendwann werde ich mal ein kleines Buch schreiben.

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