Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

14.07.2019, 08:00 Uhr

Unsere Apothekenreform und ihre Folgen – sie kann noch „lustig“ werden. (Foto: Andi Dalferth)

Unsere Apothekenreform und ihre Folgen – sie kann noch „lustig“ werden. (Foto: Andi Dalferth)


Die Apothekenreform wird durchgezogen, aber holla! Spahn ganz tricky mit Gesetz und Verordnung. Was davon auf der Strecke bleibt und wie der Zaubertrick ausgeht? Wir kämpfen derweil mit dem Rahmenvertrag und seinen Preisankern, einer halbseidener Friedenspflicht mit Kassen, drohenden Retaxationen und massiven Lieferengpässen. Und „freuen“ uns über die Versandhandelsempfehlung des Bundeskartellamts. Und dann ist da noch die ABDA, die verständnisvoll und kuschelnd den politischen Willen pro Rx-Versand akzeptiert, die aber gleichzeitig Schiss vor Abholfächern von Vor-Ort-Apotheken hat. Mein liebes Tagebuch, wenn man eine solche Standesführung hat, fängt man langsam an, Spahn zu lieben. 

8. Juli 2019 

Na, mein liebes Tagebuch, so langsam wird es ernst mit der Spahnschen Apothekenreform. Dem Vernehmen nach soll das Apotheken-Stärkungsgesetz schon am 17. Juli vom Bundeskabinett beschlossen werden. Allerdings geht Spahn dabei ein bisschen tricky vor. Denn er nimmt sein Gesetzesvorhaben auseinander: Die geplanten Honoraranpassungen (Erhöhung der Notdienstpauschale auf 350 Euro und Erhöhung der BtM-Vergütung auf 4,26 Euro) wird ans Bundeswirtschaftsministerium übergeben und in eine Verordnung ausgegliedert. Auch die geplanten Änderungen an der Apothekenbetriebsordnung (z. B. zu Arzneimittelautomaten, zu Botendiensten und zur Temperaturkontrolle) werden in eine Extra-Verordnung ausgegliedert. Sie sollen dann zusammen mit den Änderungen zur Arzneimittelpreisverordnung in einer Sammelverordnung umgesetzt werden. Der Vorteil dieser Aufspaltung: Spahn umgeht damit mögliche Konflikte mit dem Bundestag. Denn den Verordnungen muss nur noch der Bundesrat zustimmen. Für das eigentliche Gesetzesvorhaben des Apotheken-Stärkungsgesetzes bleiben dann noch die geplante Verschiebung des Rx-Boni-Verbots aus dem Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch und einige weitere Änderungen. Mein liebes Tagebuch, diese Aufspaltung in eine Sammelverordnung und eine Gesetzesänderung kann Vorteile haben und mag nicht das Schlechteste sein. Doch der große Hammer bleibt uns nicht erspart: die Streichung des einheitlichen Rx-Arzneimittelpreises aus dem Arzneimittelgesetz – die Tragweite dieser Maßnahme kann noch deutliche Folgen für unsere Apothekenlandschaft haben. 


Unser Bundeskartellamt sieht den Arzneimittelversandhandel aus Sicht der Nachfrager als eine „wirtschaftlich sinnvolle Bezugsalternative zu den stationären Apotheken“ an. Wie es in dem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes aus den Jahren 2017 und 2018 heißt, beträgt „der addierte Marktanteil aller Versandapotheken bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln derzeit rund 1,3 Prozent und bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln rund 13,4 Prozent“. Mein liebes Tagebuch, solche Betrachtungen kommen zustande, wenn ein Bundeskartellamt Arzneimittel auf eine simple Arzneimittelpackung, auf eine Ware wie Schuhkartons oder Schraubenschachteln reduziert. Eine Behörde wie das Bundeskartellamt sieht im Arzneiversandhandel einen einfachen Warenverkauf – ohne Rücksicht darauf, was da alles an einem Arzneimittel hängt, angefangen bei einer begleitenden Anwendungsberatung bis hin zum Medikationsmanagement und zu den Gemeinwohlpflichten der Apotheken. Mein liebes Tagebuch, kann mal jemand dem Bundeskartellamt erklären, was Arzneimittel eigentlich sind? 


Der neue Rahmenvertrag, der am 1. Juli in Kraft getreten ist, macht uns das Leben in unserem Praxisalltag schwer. Vor allem im Generikabereich wird die Versorgung unserer Patienten dadurch immer schwieriger und komplizierter. Denn der Arzt setzt mit seiner Verordnung einen „Preisanker“ – mein liebes Tagebuch, ist das nicht ein wunderbar euphemistischer Begriff? Schöner kann man das Desaster nicht ausdrücken. Dieser Preisanker setzt das Limit: Das abgegebene Arzneimittel darf nicht teurer sein als das namentlich verordnete. Was die Sache dabei kompliziert macht und einen mitunter die Haare raufen lässt, sind die wegen Lieferengpässen nichterfüllbaren Rabattverträge – die in frage kommenden Billigarzneimittel sind schlicht und einfach nicht auf dem Markt verfügbar. Und dann beginnt das Theater: Der Patient kann nicht versorgt werden! Wo und wann gibt’s wieder die Billigarzneimittel? Und schließlich wird Rücksprache mit dem Arzt notwendig, ein anderes Arzneimittel zu verordnen mit höherem Preisanker. Mein liebes Tagebuch, hätten wir jemals gedacht, dass wir uns als Apotheker mit Ankern befassen müssen? Mit Pharmazie hat das gelinde gesagt wenig zu tun. Wo soll das hinführen?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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10 Kommentare

Das Leben und Sterben als Zombieunternehmen

von Bernd Jas am 14.07.2019 um 13:52 Uhr

Guten Morgen Herr Ditzel,
gute Morgen liebe Knötterköppe.

Lieber Herr Ditzel haben Sie mal überlegt was es bedeutet, wenn Sie sagen: "Hoffentlich kommt bald die Software, die diesen Quatsch selbstständig übernimmt und steuert, und das Drohwort Retax der Vergangenheit angehört."?
Da wurde doch mittlerweile eine ganze Industrie (mit Bullshitjobs) aufgebaut, die sich nicht wieder so einfach wegrationalisieren lässt. Angefangen mit dem Unwort Retaxzentrum, geht es weiter mit Präqualifizierungsargenturen und endet auch noch lange nicht in unseren Ämtern, sondern geht bis in die "höchsten" Ebenen der europäischen Verwaltung. Heraus kommt dabei eine seelenbetäubende Kakophonie an Verordnungen und Gesetzen auf unser aller Kosten.
Was passiert wenn das wegfällt? Schön wär´s!
Parallelen hier zur Automobilindustrie, die sich bei uns mit allen zu verfügung stehenden Mitteln gegen die Elektromobilität und gegen die KI zum autonomen Fahren stemmt um Ihre Pfründe zu sichern. Die Politik spielt wegen der hunderttausenden Arbeitsplätze fein mit. Ob das Sinn macht oder nicht. Da hätte man schon vor fünfzehn Jahren mal vorausschauend planen können.
Wie bei uns; wobei ich ganz mit der Meinung von Herrn R. Herzog auch gegen Strom schwimme. Da ist schwer der Wurm im (nicht mal denkmalgeschützten) Gebälk.

Je länger wir am Tropf hängen desto schwerer wird der Neuanfang.
Es wird aller, aller höchste Zeit.

Und noch ein Wort zu den Abholfächern:
Und wer schützt uns vor Trivialisierung "liebe" ABDA??
Ihr seit unwürdige Ausbremser und gehört gekündigt.
Und mit dem DAV bin ich seit dem neuen Rahmenvertrag auch langsam durch.

SO, basta.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Das Leben und Sterben als ... DAV-Zombi ...

von Christian Timme am 14.07.2019 um 15:02 Uhr

Der DAV und nicht nur die vom ihm "besetzten Softwarehäuser" verpflichten sich im Rahmen der Umstellungsmaßnahmen zum e-Rezept gemeinsam mit den Krankenkassen eine No-Retax-Software für die Apotheken zu entwickeln und kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Unterstützung von Herrn Minister Spahn darf wohl vorausgesetzt werden?. Die Deutsche Apothekerschaft bedauert den dadurch eintretenden "Mitarbeiterschwund" in gewissen "Servicebereichen" einschließlich der sich daraus ableitenden "Kosteneinsparungen" nebst weiterer "Verzichte". Die "gewonnen Erfahrungen" sollten in weitere "Projekte" einfließen um das Zusammenwirken der Leistungserbringer mit den "Nicht-Leistungserbringern" zu fördern ...

AW: Das Leben und Sterben als

von Karl Friedrich Müller am 14.07.2019 um 15:03 Uhr

Was passiert in diesem Land, in der EU? Entscheidungen sind mit normalem Verstand nicht nachvollziehbar.
Wenn ich dann bei Wimmer lese, wie und warum sich das Land verändert hat, wird mir ganz schlecht.
Früher diskussionsfreudige Parlamente, sind diese zu abnickenden Zombies mutiert, weil die Abgeordneten sich nicht mehr um einen Posten zur Volksvertretung bewerben, sondern um die gut dotierten Posten, die von den Parteien und Konzernen vergeben werden. Der Preis dafür ist das Abnicken deren Wünsche. Wer nicht mit zieht, ist draußen.
Da verwundert die Politik Spahns nicht mehr.
Was wurde mit unseren Kammern und Verbänden angestellt, dass sie sich so sehr gegen uns engagierend? Umfallen?
Drohungen, Versprechen? Ich bin mir sicher, dass Einfluss genommen wurde
Diejenigen, die hier diskutieren, sind alle (vermutlich) nicht mehr ganz jung und demokratische Strukturen und Auseinandersetzungen gewohnt. Die Jüngeren sind aus irgend einem Grund eine Jasager Generation geworden. Die ganz Jungen scheinen sich wieder wehren zu wollen. Ein Hoffnungsschimmer.
Zudem hat, wie Sie schön schreiben, ein Regiment von Typen das Sagen übernommen, die nicht als heiße Luft für alle produzieren, um allen das Leben so sauer wie möglich zu machen. Unproduktive Leute mit Bullshitjobs produzieren für und Bullshitarbeiten, den Tag ausfüllend und absolut nutzlos.
Weil sie gar nichts ändern, keine Sicherheit bringen. Die wurde durch konzernfreundliche Entscheidungen der Politik schon abgeschafft.
Eigentlich hab ich keine Lust mehr zu kommentieren. Dann kann ich es wieder nicht lassen.
Ich bin alt und will einfach meine Kunden bedienen so gut es geht, kundenfreundlich und nich KK gesteuert, Kammergesteuert oder Politik beeinflusst..
Diejenigen, die es wirklich noch betrifft, könnte auch mal ihren Arsch hochnehmen. Und nicht nur warten, bis wir endlich aufhören und in Rente gehen.

AW: Leben und Sterben als ....“Kammerz-Zombie“

von Gunnar Müller, Detmold am 14.07.2019 um 19:44 Uhr

@ Karl Friedrich: Da gehen bei mir doch dermaßen alle Daumen ’rauf…
Dann sind wir ja immerhin schon zu zweit.

Kosten-Nutzen-Verhältnis ... die ABDA ist das Geld nicht wert ...

von Christian Timme am 14.07.2019 um 10:21 Uhr

... das „Monopol-Stimmchen“ der ABDA wird „brüchig“ und bereits von einer anderen Stimme nicht nur übertönt sondern auch „inhaltlich“ überholt. Wenn der Kuck(uck), Sorry, aus dem Blätterwald ruft, wird er nicht nur gelesen und gehört ... mal sehen ob der „Umsichtige“ in den Ruf „einstimmt“ und den Ruf verstärkt? ... ach so ... die Apothekerleins ... immer noch ohne eigene Stimme?

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Antwort nötig

von Reinhard Rodiger am 14.07.2019 um 10:03 Uhr

Wenn das Kartellamt den vor 10 Jahren induzierten Preiskampf und dessen Wiederholung als "wirtschaftlich sinnvoll" erachtet,
dann ist die einzige Antwort: DANN WIRD NUR GEMACHT, WAS BEZAHLT WIRD.
Das muss der Politik klar gemacht werden.Sie ist in der Verantwortung , Missbrauch der Macht zu kontrollieren und Verbraucher und die erforderliche Leistung zu ermöglichen.Die Lieferprobleme sind Warnzeichen genug, welche Folgen "wirtschaftlich sinnvoller" Preiskampf hat..Wer nimmt es wahr ?
Nicht die Verantwortlichen.

Die Verbraucher müssen verstehen, dass ein funktionierendes System amputiert wird und die Politik, dass sie ihren Auftrag nicht erfüllt. Es muss klar werden, dass nur gemacht wird, was bezahlt wird. Dann kann entschieden werden, ob das dem Auftrag entspricht.Vorher besteht ja kein Interesse.

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Ankerpreise

von Ulrich Ströh am 14.07.2019 um 8:39 Uhr

In Zeiten von Ankerpreispharmazie die Abholfächer von Präsenzapotheken verbieten zu wollen...
In welcher aktuellen pharmazeutischen Welt leben unsere Standesvertreter?

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Langsames Sterben

von Conny am 14.07.2019 um 8:39 Uhr

Die Apotheken liegen quasi im Hospiz

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von Anita Peter am 14.07.2019 um 8:32 Uhr

Weg von der inhabergeführten Heilberuflichkeit, hin zur ausländischen Versorgung durch das Großkapital.
Brav begleitet von der ABDA, die lieber den Vor Ort Apotheken noch ein paar Knüppel zwischen die Beine wirft, anstatt mal laut "Stopp so nicht!" zu rufen.

Wir werden finanziell ausgehungert und ins Wettrennen mit dem ausländischen Großkapital geschickt. Die ABDA unternimmt nichts um diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Und der DAV handelt einen Rahmenvertrag aus, bei dem sich die Kassen jetzt schon die Retax-Händchen reiben.

Wenn sich die Politik nicht eindeutig hinter dem jetzigen System der Arzneimittelversorgung positioniert ( Nicht nur Lippenbekenntnisse, da haben wir genug ), dann sollte man wenigsten das ganze System konsequent umbauen. Weg mit dem FBV, weg mit der Preisbindung etc etc. Dann wollen wir mal sehen ob in 10 Jahren im Flächenland Deutschland die Arzneimittelversorgung noch funktioniert.

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Krasse Fehlentwicklung

von Derimmerwaszumeckernhat am 14.07.2019 um 8:25 Uhr

Uns Apotheken gönnt man nicht mal das Skonto. Im Klinikbereich wandern 16-18% der Beiträge zu den Investoren
https://www.medical-tribune.de/praxis-und-wirtschaft/niederlassung-und-kooperation/artikel/investoren-im-gesundheitswesen-aerzte-als-spekulationsobjekte/

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