Antibiotikaforschung

Linken-Politiker will Pharmaindustrie verstaatlichen

Berlin - 16.09.2019, 07:00 Uhr

Der Linken-Chef in Mecklenburg-Vorpommern Torsten Koplin fordert, dass Pharmaunternehmen wegen des Aussteigens aus der Antibiotikaforschung verstaatlicht werden sollten. (Foto: imago images / BildFunkMV)

Der Linken-Chef in Mecklenburg-Vorpommern Torsten Koplin fordert, dass Pharmaunternehmen wegen des Aussteigens aus der Antibiotikaforschung verstaatlicht werden sollten. (Foto: imago images / BildFunkMV)


Der Landesvorsitzende der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, Torsten Koplin, hat der Pharmaindustrie Verantwortungslosigkeit vorgeworfen, weil sie sich aus der Antibiotikaforschung zurückziehe. In der vergangenen Woche hatte der NDR berichtet, dass immer mehr Pharmaunternehmen in den vergangenen Jahren ihren Forschungsaufwand in diesem Bereich gestoppt haben. Darauf müsse die Politik reagieren, forderte Koplin. „Zur Not muss man auch über eine Vergesellschaftung von Unternehmen nachdenken.“

Die WHO zählt multiresistente Keime zu den zehn größten globalen gesundheitlichen Gefahren – dennoch ziehen sich mehr und mehr Pharmafirmen aus der Antibiotikaforschung zurück. Der Grund: Das Geschäftsfeld ist nicht profitabel. Das ist zumindest das Ergebnis von NDR-Recherchen. Nachdem sich zuletzt 2016 Astra Zeneca aus der Antibiotikaforschung zurückgezogen hatte, gefolgt 2018 von Novartis und Sanofi, bestätigte nun laut NDR-Recherche auch Johnson & Johnson, „der größte Gesundheitskonzern weltweit“, dass auch seine Pipeline mit neuen Antibiotika leer ist.

Mehr zum Thema

Fast die Hälfte der etwa 100 Firmen, die 2016 eine gemeinsame Erklärung über mehr Anstrengungen im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen vereinbart hatten, sei in dem Bereich nicht mehr aktiv, hatte der Fernsehsender am Donnerstag berichtet. Johnson&Johnson wehrte sich in einer Mitteilung allerdings gegen diese Behauptung und verwies auf seine Forschung im Bereich Tuberkulose, man erforsche aber „auch neue Wege zum Schutz vor multiresistenten Krankheitserregern durch die Entwicklung neuartiger Impfstoffe". Ziel sei es, den Bedarf an Antibiotika durch Prävention deutlich zu reduzieren.

Linken-Politiker Torsten Koplin fordert nun ein hartes, staatliches Durchgreifen. Grundlage dafür wäre Koplin zufolge Artikel 14 des Grundgesetzes, der besagt, dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Nur zum Wohle der Allgemeinheit ist demnach eine Enteignung zulässig. Die medizinische Versorgung, einschließlich die mit Medikamenten, gehöre zur Daseinsvorsorge und sei durch staatliches Handeln sicherzustellen, sagte der Politiker. Dies müssten Landes- und Bundesregierung tun. Außerdem verlangte Koplin den Ausbau der Forschungskapazitäten an den Universitäten.

Der deutsche Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) ist der Ansicht, dass es insgesamt zu wenig Forschungsprojekte gibt. Die Aktivitäten stagnierten auf zu niedrigem Niveau, hatte der Geschäftsführer Forschung, Siegfried Throm, der dpa gesagt. Antibiotika-Resistenzen seien weltweit ein großes Problem. Aufgrund der besseren Versorgung und Hygiene könnten in Deutschland allerdings bis zu 90 Prozent aller Patienten mit den vorhandenen Mitteln gut behandelt werden.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Linken-Politiker will Pharmaunternehmen verstaatlichen

Keine Antibiotikaforschung, kein Privatunternehmen

G-BA möchte Kann-Regelung nutzen und stößt auf Unverständnis

Festbetrag für Reserveantibiotikum Linezolid?

Indien: Multiresistente Keime durch Antibiotika-Reste

„Superbugs“ im Abwasser

BAH-Konferenz zum Europäischen Antibiotika-Tag

Antibiotika: Versorgung sichern, Resistenzen vermeiden

9 Kommentare

Ist doch schon weg

von ratatosk am 16.09.2019 um 18:48 Uhr

Was will der nette Mann denn noch verstaatlichen ? Die Grundstoffproduzenten in China, sind ja eh kommunistisch, -der mußte sein-, oder in Indien wo Verletzte ohne Beachtung auf der belebten Straße zugrunde gehen? Die Politik und GKV hat alles andere bewußt zugrunde gerichtet und jetzt wird geheutl !
Sicher wären Forschungsverbünde wie z.B Max Plank etc. eine gute Ergänzung in diesem Bereich, aber dafür bräuchten wir Politiker mit Kompetenz.
Sicher werden bei der deutschen Billigheimer Mentalität irgendwan die ausländischen Firmen es gar nicht mehr hier zulassen , sondern nur noch im Einzelimport oder auf Privatrechnung , da es sonst mit altem Penicillin in der Schublade, macht Bakterien tot , verramscht werden müßte. Ist alles nicht schön, aber die Folge von Politik und deren Vorgaben.
Die Ulla hat die Medkamente der Bedeutung als besondere Produkte entkleidet, das ist das Ergebnis. Den Rest haben Gestalten wie Lauterbach, Glaeske und Co erledigt, leider waren sie der Komplexität des Geschehens nicht gewachsen. Lauterbach und Glaeske sehen immer noch die zu hebenden Milliarden, wie alte Heerführer im Untergang auch oft an die Truppen hinterm Hügel geglaubt haben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Blödsinn

von Christian Becker am 16.09.2019 um 10:17 Uhr

Nun bin ich ja kein Gegner von staatlich geführten Betrieben, aber das ist doch Blödsinn. Ich will nicht einmal sagen "populistischer Blödsinn", weil ich diese Forderung für gar nicht populär halte.

Dass "Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll", kann hier auch nicht gelten, denn die Firmen stellen ja lebenswichtige Arzneimittel her - nur forschen sie halt im Bereich Antibiotika gerade nicht.
Anders wäre es, wenn es ein tolles Antibiotikum gäbe, das aber noch patentgeschützt wäre, der Hersteller aber aufgrund z.B. zu niedriger Erstattungspreise nicht liefert. Da könnte man ihn evtl. vom Patent enteignen.

Niemand hindert den Staat, eine eigene Stelle zur Antibiotikaforschung einzurichten und dann hinterher zu vermarkten, was möglicherweise bei rumkommt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Blödsinn

von Heiko Barz am 16.09.2019 um 11:54 Uhr

Das wäre eine Möglichkeit - eine bundesweite und eigene Arzneimittelproduktionstätte - kommt aber deswegen nicht in Frage, weil entsprechend hohe Kosten, wie bei den „Großen“ anfallen würden und es nur mit einer erheblichen staatlichen Subvention einhergehen könnte. Wenn nun diese Kosten auf entstehende Antibiotika-Präparate umgelegt würden, bekäme die GKV sicherlich erhebliche Probleme.
Irgendwann aber müßte dieser Prozess dann in einer Anhebung der Versichertenpauschale Platz finden. Durch Gesetze könnte der Staat dieses Problem schnell lösen. Das aber können und wollen derzeitige AM-Konzerne nicht, denn die haben ihre Aktionäre im „Kreuz“. Dort geht es, wie auch immer man dazu steht, nur um Gewinne und diese möglichst umfangreich.

AW: Blödsinn

von Pillendreher am 17.09.2019 um 16:03 Uhr

Ach Herr becker, Sie kennen ja die Forschung der ehem. DDR soooo gut. Dann wissen Sie sicher auch, dass zwischen Mikroelektronik und Pharmaforschung schon kleine Unterschiede bestehen? Sie wissen sicher auch, dass Unternehmen "aufgekauft" wurden, um an die Patente heran zu kommen und dann wurde alles dicht gemacht. Oder wo sind LAW, Jenapharm, AMW Dresden, Pharma Wernigerode etc. pp.????

verstaatlichen

von Pillendreher am 16.09.2019 um 9:57 Uhr

Das ist der einzige Weg, um endlich FÜR die Menschen und nicht für Maximalprofite SAUBERE Arzneimittel herzustellen. Die ehem. DDR hatte eine super Forschung - die wurde ja von den "Westunternehmen" sofort platt gemacht wegen Konkurrenz..." Wenn die globale Pharmaindustrie weiter verunreinigte Arzneimittel herstellt, nur an Gewinnmaximierung interessiert ist, Menschen ohne Arzneimittel dastehen, weil dort verkauft wird, wo der beste Preis erzielt wird, wenn am September jährlich die Produktion aus steuerl. Gründen runter gefahren wird... Lieferengpässe die Folge sind, dann muß der Staat handeln. Ich bin keine Linken - Wählerin, aber das ist der einzige Weg!!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: verstaatlichen

von Christian Becker am 16.09.2019 um 11:23 Uhr

Ja, Handlungsbedarf besteht. Verstaatlichung bestehender Betriebe (welcher denn im Speziellen und welche werden nicht übernommen) gehört sicherlich nicht zu den sinnvollen Optionen.

"Die ehem. DDR hatte eine super Forschung - die wurde ja von den "Westunternehmen" sofort platt gemacht wegen Konkurrenz..."
Sicher. Auch bei der Mikroelektronik war die DDR ganz vorne dabei und wurde nur aus Konkurrenzgründen platt gemacht.

Völlig Richtig

von Bernd Küsgens am 16.09.2019 um 8:28 Uhr

Hatten wir schon Alles. DDR 2.0 Da gab es ja sehr große Forschungserfolge

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Völlig Richtig.

von landapotheker am 16.09.2019 um 8:18 Uhr

Wenn die Industrie nicht das leifern kann/ will was Staat braucht ....muss der Staat handeln.
Bestes BSP für Konzernversagen ist das die Deutsche Post eigene E-Lieferfahrzeuge entwickelt und baut, da die deutsche Autoindustrie weiter lieber auf den Diesel setzt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Völlig Richtig

von Bernd Küsgens am 16.09.2019 um 8:27 Uhr

Hatten wir schon alles. DDR selig. Da hatte die Forschung ja auch sehr große Erfolge.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.