Kommentar

Rx-Versandverbot: Geheimtipp Bundesrat

Berlin - 30.09.2019, 09:00 Uhr

Dann gehen Sie doch zum Bundesrat! Jens Spahn erklärt den Apothekern, dass auch die Länder Gesetzgebungsmöglichkeiten haben. DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer meint: eine charmante Idee! (c / Foto: Schelbert)

Dann gehen Sie doch zum Bundesrat! Jens Spahn erklärt den Apothekern, dass auch die Länder Gesetzgebungsmöglichkeiten haben. DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer meint: eine charmante Idee! (c / Foto: Schelbert)


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Apothekern auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag (DAT) erneut deutlich erklärt, was er vom Rx-Versandverbot hält: nichts. Dass sein Lösungsvorschlag, ein Rx-Boni-Verbot im SGB V, mindestens genauso wackelig ist, ließ er in seiner Rede allerdings unerwähnt. Etwas patzig wies er die Pharmazeuten auf die Möglichkeit einer Gesetzesinitiative im Bundesrat hin. Die Apotheker sollten sich diesen Weg als Plan B offenhalten, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.

Spahn zufolge ist das Rx-Versandverbot schlichtweg nicht machbar. Während er noch vor einigen Monaten zugab, dass er es auch politisch nicht wolle, zitierte er nun das SPD-geführte Justizministerium, um klarzustellen, dass innerhalb der Bundesregierung zu große rechtliche Bedenken dagegen bestehen. Seine Lösung, Rx-Boni im Sozialrecht für GKV-Versicherte zu verbieten, bezeichnete er hingegen als eine „europa- und verfassungsrechtlich ausgewogene Lösung“.

Ob das auch so ist, muss sich allerdings noch zeigen. Denn dass der Spahn-Plan mindestens ebenso unsicher ist wie das Versandverbot, ließ der Minister so gut wie unerwähnt. Gleich mehrere Rechtsexperten, der Koalitionspartner, die Opposition, die Krankenkassen sowie die Ministerien für Wirtschaft und Justiz halten nichts davon und meinen, dass man DocMorris und Co. nach dem EuGH-Urteil überhaupt keine Preisgrenzen mehr setzen kann. Außerdem wartet die Bundesregierung derzeit noch auf eine Stellungnahme der EU-Kommission zum Boni-Verbot, bis dahin liegt das Apotheken-Stärkungsgesetz auf Eis. Lehnt Brüssel das Boni-Verbot ab, ist der Spahn-Plan beschädigter als das Rx-Versandverbot jemals war. Kurzum: Spahn setzt alles auf eine Karte, hat aber nur ein mittelmäßiges Blatt in der Hand.

Initiativrecht Bundesrat: Charmante Idee

Durch den Bundesratsbeschluss erlebte das Rx-Versandverbot als Alternative dazu in den vergangenen Tagen einen zweiten Frühling. Dass die Apotheker damit nun neue Hoffnungen verbinden, findet Spahn nur mittelmäßig gut. Fast etwas eingeschnappt erklärte er dazu auf dem DAT: „Die Länder haben über den Bundesrat selbst ein Gesetzesinitiativrecht. Sie könnten also selbst einen Entwurf für ein Rx-Versandverbot vorlegen. Wenn Sie meinen, die Länder können das besser, stelle ich die Dinge in Berlin gerne ein, bis der Bundesrat seinen Gesetzentwurf vorlegt“. Das meine er „sehr ernst“.

Die Apotheker können das nun als eine neue Drohung verstehen und klein beigeben. Sie könnten diese „Empfehlung“ des Ministers aber auch als Chance sehen. Denn eine entsprechende Gesetzesinitiative im Bundesrat ist eigentlich eine ganz charmante Idee. Laut Grundgesetz haben die Länder ein Initiativrecht: Sie können eine Gesetzesvorlage beschließen. Dann läuft das Spiel genau anders herum. Der Beschluss wird der Bundesregierung zugeleitet, diese muss dem nicht zustimmen, kann aber eine Stellungnahme abgeben. Dann wandert der Vorschlag in den Bundestag, gibt es dort eine Mehrheit, kann das Gesetz in Kraft treten. Der Vorteil hier: Ein SPD-geführtes Justiz- und ein Wirtschaftsministerium, das den Apothekern grundsätzlich kritisch gegenüber steht, hätten dann nur noch begrenzte Widerspruchsmöglichkeiten.

„Nein, das geht nicht. Wenn wir das machen, hasst uns der Minister und lässt das ansonsten gute Apotheken-Stärkungsgesetz sofort fallen“, so oder so ähnlich werden wohl viele Apotheker-Funktionäre reflexartig auf diese Idee reagieren. Eine falsche Reaktion. Denn die Apotheker sollten trotzdem mutig sein und sich an die Länder wenden. Schließlich brauchen sie mit Blick auf den wackligen Spahn-Plan dringend einen Plan B. Und zweitens braucht auch der Minister einen Plan B. Denn dass sein Ruf als pragmatischer, zielorientierter Problemlöser im Gesundheitswesen wegen eines möglicherweise ungelösten Versandhandelskonfliktes kaputt geht, wird Jens Spahn sich nur ungerne anhören.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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9 Kommentare

Versandverbot

von Thomas Brandenburg am 07.10.2019 um 7:29 Uhr

Liebe Apothekerinnen und Apotheker,
was ich nicht verstehe ist, warum Sie sich selbst den Versand verbieten lassen wollen. Und das vor Einführung des eRezeptes. Da wird sich das Verbraucherverhalten stark ändern.
Ein Kunde

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Luftschlösser

von Dirk Krüger am 01.10.2019 um 9:43 Uhr

Eine Gesetzesinitiative des Bundesrates pro RxVV ist ein Luftschloss. In 11 Ländern sind Grüne und / oder FDP beteiligt, die Parteien, die wie der EuGH Arzneimittel als Ware wie jede andere ansehen sowie Rx-Preisbindung, Rx-VV, Mehr- und Fremdbesitzverbot ablehnen. Die SPD ist auch gegen ein RxVV ( siehe politisch motivierte Stellungnahme des Justizministeriums ), Teile der CDU auch.
Die Stellungnahme des Bundesrates wurde doch nur deswegen so beschlossen, weil keine "Gefahr" besteht, dass diese jemals Folgen haben wird. Politik eben.
Wir sollten der Realität ins Auge sehen: die Rx-Preisbindung wird in naher Zukunft Geschichte sein, und wir werden, wie bereits jetzt im Hilfsmittelbereich, ein Vertragschaos bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln haben.
Und ich wiederhole mich: das Grundübel war das Kuschen der ABDA vor Spahn, als er äußerte, bei einem Einsatz für das RxVV hätte er "keine Kraft mehr", sich für andere Wünsche der Apotheker einzusetzen. F. Schmidt sah das geliebte Projekt "Zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen" davon schwimmen. Das werden wir vielleicht bekommen - aber zu welchem Preis ?

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AW: Luftschlösser ... oder Rezo & Greta im weißen Kittel?

von Christian Timme am 01.10.2019 um 12:13 Uhr

Kommunikation kann eine Waffe sein ... auch auf Länderebene ...

Spahn kann es eben nicht

von ratatosk am 01.10.2019 um 8:36 Uhr

Überall in Europa haben wir Versandverbote, aber nur in D mit Spahn soll es nicht gehen ?
Dann kann er es eben nicht , ansonsten will er es eben nicht und lügt, so einfach ist dies. Gilt auch für die SPD Granden/innen.

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Spahn at Apotag

von Dr.Diefenbach am 30.09.2019 um 17:27 Uhr

WO sind wir eigentlich?Ist die Zeit der "Königshuldigungen "wieder eingetreten?Es macht nicht ein Herr Spahn die Gesetze,das wird immer noch vom Bundesrat oder eben Bundestag beschlossen.Ohne jetzt auf jedes Detail einzugehen,das kann man nachlesen.Ich kann allmählich nicht mehr verstehen(konnte ich auch 2018 nicht) das eine Pampigkeit und ministerielle Arroganz auch noch mit Buckeln begleitet wird.Dass ihm die "Widerworte " von Frau Funke nicht passen,DAS ist SEINE Sache.Wir dürfen nie vergessen dass im Herbst eine mögliche Neuorientierung der Bundespolitik im Raume stehen kann.Dann sind ggf neue Personen für die Apotheker zuständig.Und diese ewigen Pläne A,B,C, und vielleicht noch D,E,F (wie bei Hepatitis ).Fest steht dass die Gesellschaft das Rx VV vielerorts für antiquiert betrachtet(so kenne ich das aus der FDP),dass DIES aber nach wie vor einzufordern IST.Wir verkommen zu einer Lachgruppe("der Minister nordet die Apotheker ein")_WIR zahlen die Steuern,die ANDEREN ihre Pseudowichtigkeit verleihen.Der MINISTER ist ersetzbar,der /die APOTHEKER/IN aber NICHT.Natürlich mit einer Führungsriege,die nicht nervös neben einem Selbstdarsteller auftritt.....

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AW: Spahn at Apotag

von Anita Peter am 30.09.2019 um 17:59 Uhr

Völlig richtig. Deswegen: Maximalforderungen stellen und Lieferverträge mit Vorlauf kündigen. Auf diesem Szeanrio lassen sich vernünftige Verhandlungen führen.
Minimalforderung ist das RXVV. Anständige Erhöhung der Packungspauschale, anständige Erhöhung der NN Pauschale und 1 Mrd in der Topf für pharmazeutische Leistungen.
Bleibt aber Wunschdenken, da die ABDA samt Anhang immer noch auf Knien in Düsseldorf rumrutscht.

Hat Herr Becker den Sozialkundeunterricht geschwänzt ...

von Christian Timme am 30.09.2019 um 12:24 Uhr

... und steht nach diesem Rahmenvertrag auch noch mit dem Artikel 76 Abs. 1 GG auf Kriegsfuß?

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RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 30.09.2019 um 10:38 Uhr

Dem Minister ist klar, dass sein (VOASG) auf wackligen Füßen steht. Das ist Ihm zweitrangig. Wenn der EU-GH das Gesetz einkassiert, ist er lange nicht mehr Gesundheitsminister. Aber er hat das RXVV verhindert und viel Zeit ist bereits verstrichen. Also Hinhaltetaktik. Meine Meinung.

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Geheimtipp

von Roland Mückschel am 30.09.2019 um 10:17 Uhr

Ich habe auch einen Geheimtipp an jeden der es hören will,
insbesondere an die Politik, ABDA, Delegierten und auch an die DAZ-Redaktion.
Unser Problem der alleinversorgenden Apotheken vor Ort ist
nicht so sehr das RX-Versandverbot.
Unsere Sorge ist das seit 15 Jahren nicht angepasste Honorar.
Das Geld fehlt uns für die Investitionen und hauptsächlich für das Personal und die Inhaber.
Es ist doch kein Wunder wenn man für diese Hungerlöhne
kein Personal bekommt und niemand die Buden übernehmen will.
Leider haben wir Solitärapotheken keine Stimme und sind
hauptsächlich im Kampf gegen den drohenden Untergang.
Stattdessen wird sich nur für die Profiteure eingesetzt die
zuerst mal einen Nutzen vom Friedhofseffekt haben.
Es gibt nur eine Möglichkeit die Flachenversorger schnell
zu unterstützen:
Den Plan C der Basis-Apotheker.

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