Hamburger Apothekerverein

Graue: Apotheker sind zum „Spielball der Kapitalmächte“ geworden

Hamburg - 15.11.2019, 09:04 Uhr

Der Chef des Hamburger Apothekervereins, Dr. Jörn Graue, kritisierte die derzeitige politische Diskussion: Aus seiner Sicht müsste der Bundestag der Empfehlung des Bundesrates bezüglich des Rx-Versandverbotes folgen. (Foto: tmb)

Der Chef des Hamburger Apothekervereins, Dr. Jörn Graue, kritisierte die derzeitige politische Diskussion: Aus seiner Sicht müsste der Bundestag der Empfehlung des Bundesrates bezüglich des Rx-Versandverbotes folgen. (Foto: tmb)


Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am Mittwochabend kritisierte der Vereinsvorsitzende Dr. Jörn Graue erneut die Abkehr vom Rx-Versandverbot. Doch obwohl Graue die Lage der Apotheker als problematisch darstellte, empfahl er letztlich Optimismus. Bei der turnusmäßigen Vorstandswahl wurde Graue in seinem Amt bestätigt. Zur Taxierung der BtM-Gebühr beim Sichtbezug bereitet der Verein eine Klage vor.

Seinen Lagebericht verknüpfte Graue mit zahlreichen literarischen Verweisen. Nach seiner Einschätzung betrachtet die Bundesregierung das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Preisbindung und das Verhalten der EU-Kommission „als eine Art Hydra“. Die „Hydra“ steht in der griechischen Mythologie als Gleichnis für Situationen, bei denen jeder Versuch einer Eindämmung zu weiterer Eskalation führt. Dabei wähne sich der Gesundheitsminister im Besitz der allgemein gültigen Wahrheit wie im Papsttum: „Es ist die Macht des Erleuchteten, die keinen Zweifel mehr zulässt“, so Graue. Doch es dürfe erlaubt sein, die Veränderungen im Gesundheitswesen kritisch zu hinterfragen. „Wenn das nicht mehr geht, und so hat uns Spahn mehrfach drohend belehrt, dann ist das keine Demokratie, sondern eine Autokratie, die jede Kritik als Blasphemie begreift“, erklärte Graue.

Graue: Bundestag sollte der Bundesratsempfehlung folgen

Die Apotheker seien zum „Spielball der Kapitalmächte“ geworden. Doch „die ABDA könnte auch anders, sie mag bloß nicht mehr“, erklärte Graue. Dazu verwies er auf den Umgang mit der Empfehlung des Bundesrates für das Rx-Versandverbot. Da die Arzneimittelaufsicht Ländersache ist, sei es nur konsequent, dass der Bundesrat diese eindeutige Position einnehme. „Eigentlich ist es zwingend, dass der Bundestag dieser klaren Empfehlung nachkommt“, folgerte Graue. Allerdings habe es einen „wirklichen Deal“ für die Apotheker nicht geben können. Die Drohung „friss oder stirb“ sei zu deutlich gewesen.

Wozu eine Vorlage bei der EU-Kommission?

Für Graue erscheint es inkonsequent, den VOASG-Entwurf der EU-Kommission vorzulegen. Denn ein positives Votum entfalte keine Bindungswirkung, wie das Mautverbot zeige. Außerdem sei zu fragen, warum der Minister die Kommission überhaupt anrufe, wenn er meine, dass das Sozialrecht nicht dem europäischen Gesetzgebungsvorbehalt unterliege. Letztlich sei Spahns Abkehr vom im Koalitionsvertrag empfohlenen Rx-Versandverbot „ein historisch verantwortungsloser Fehler, den wir durch unsere Kompromissbereitschaft schlicht fördern, indem wir ihm nicht mit der gebotenen Hartnäckigkeit begegnen“, erklärte Graue.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

nein

von Karl Friedrich Müller am 15.11.2019 um 10:40 Uhr

nicht nur die Apotheker, sondern das ganze Gesundheitswesen wird den Heuschrecken zum Fraß vorgeworfen.
Keine Fürsorge mehr des Staats.
Das Gesundheitswesen wird zweckentfremdet.
Es gibt Bereiche, die nicht dem Kapital überlassen werden darf.
Gesundheitswesen, Verkehr, Energie, Nahrung, Wasser, Rente
Um mal die Wichtigsten zu nennen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: nein

von Anita Peter am 15.11.2019 um 10:49 Uhr

Sie haben Recht. Leider will die Politik, allen voran die EU, alles liberalisieren und dem Großkapital den roten Teppich ausrollen. Die Rechnung wird irgendwann kommen.

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