Verwaltungsgericht ruft Bundesverfassungsgericht an

Ist das Verbot des Erwerbs von Suizid-Arzneimitteln verfassungswidrig?

Berlin - 20.11.2019, 14:00 Uhr

Sechs schwerkranke Patienten klagen gegen das BfArM, weil dieses ihnen den Erwerb einer tödlichen Dosis Pentobarbital-Natrium nicht erlaubt. Nun soll sich das Bundesverfassungsgericht mit den Fällen befassen. (c / Foto: imago images / sepp spiegl)

Sechs schwerkranke Patienten klagen gegen das BfArM, weil dieses ihnen den Erwerb einer tödlichen Dosis Pentobarbital-Natrium nicht erlaubt. Nun soll sich das Bundesverfassungsgericht mit den Fällen befassen. (c / Foto: imago images / sepp spiegl)


Das generelle Verbot, Betäubungsmittel zur Selbsttötung zu erwerben, ist nach Überzeugung der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie hat daher sechs bei ihr anhängige Klageverfahren ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht angerufen. Die Karlsruher Richter sollen nun die einschlägigen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen.

Die Frage, ob Schwerkranke vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Antrag eine Erlaubnis zum Erwerb von Suizid-Arzneimitteln bekommen dürfen, ist nun schon seit geraumer Zeit höchst umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat im März 2017 entschieden, dass der Staat im Einzelfall einem schwer und unheilbar kranken – aber entscheidungsfähigen – Patienten in einer extremen Notlage den Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel nicht verwehren darf. Dazu hatte es die einschlägigen Normen des Betäubungsmittelgesetzes (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG) im Lichte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Gebots der Menschenwürde ausgelegt.

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Seitdem sind weit über 100 Anträge beim BfArM eingegangen, mit denen Patienten bitten, eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung erwerben zu dürfen. Doch keiner der Anträge wurde im Sinne der Patienten beschieden, nicht einmal im Einzelfall. Vielmehr hatte sich sogar das Bundesgesundheitsministerium eingeschaltet. Hier tat man einiges dafür, um sich dem Urteil der Leipziger Richter zu widersetzen: Ein eigenes Gutachten wurde beauftragt und die Bundesoberbehörde angewiesen, derartige Anträge zurückzuweisen.

Das führte dazu, dass einige der betroffenen Patienten nun erneut den Rechtsweg eingeschlagen haben und gegen das BfArM klagen. Zuständig ist das Verwaltungsgericht Köln, das nun in sechs bei ihm anhängigen Verfahren Beschlüsse gefasst hat. Die mit der Sache befasste Kammer ist der Überzeugung, dass ein generelles Verbot des Erwerbs auch für schwerkranke Menschen in einer existenziellen Notlage nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. „Die staatliche Schutzpflicht für das Leben könne in begründeten Einzelfällen hinter das Recht des Einzelnen auf einen frei verantworteten Suizid zurücktreten“, lässt das Gericht in einer Pressemitteilung wissen.

Verwaltungsgericht sieht sich an gesetzgeberische Entscheidung gebunden

Anders als das Bundesverwaltungsgericht sah die Kammer des Verwaltungsgerichts allerdings keine Möglichkeit, die Versagungsnorm im Betäubungsmittelgesetz einfach in diesem Sinne aus ihrer Sicht verfassungskonform auszulegen. Vielmehr sei von dem Willen des Gesetzgebers auszugehen, den Erwerb für Selbsttötungszwecke im Betäubungsmittelgesetz generell auszuschließen. Da das Verwaltungsgericht an diese gesetzgeberische Entscheidung gebunden sei, müsse eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Norm durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen. Und so wird sich nun das höchste deutsche Recht mit dieser umstrittenen Frage befassen. Bis seine Entscheidung fällt, kann es allerdings dauern. Für manch einen Antragsteller könnte sie zu spät kommen.

Derzeit befasst sich das Bundesverfassungsgericht auch mit sechs Verfassungsbeschwerden, die sich unmittelbar gegen § 217 des Strafgesetzbuchs richten, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Im vergangenen April wurde mündlich verhandelt – die Entscheidungen stehen noch aus.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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