Podiumsdiskussion beim BAH

Kontroverse um Antibiotika: Resistenzen, Innovationsmangel, Lieferengpässe

Berlin - 22.11.2019, 15:00 Uhr

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion auf dem BAH-Antibiotika-Tag: Dr. Hermann Kortland (BAH), Alexander Krauß (MdB), Ute Leonhardt (vdek), Thomas Müller (BMG), Prof. Dr. Wilhelm Niebling (AkdÄ), Dr. Robert Welte (GSK, v.l.n.r.). (c / Foto: BAH/Svea Pietschmann)

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion auf dem BAH-Antibiotika-Tag: Dr. Hermann Kortland (BAH), Alexander Krauß (MdB), Ute Leonhardt (vdek), Thomas Müller (BMG), Prof. Dr. Wilhelm Niebling (AkdÄ), Dr. Robert Welte (GSK, v.l.n.r.). (c / Foto: BAH/Svea Pietschmann)


Am vergangenen Montag veranstaltete der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) anlässlich des Europäischen Antibiotika-Tages eine Konferenz in Berlin. Auf der abschließenden Podiumsdiskussion mit dem Titel „Ermöglicht oder verhindert unser System Arzneimittelvielfalt gegen die Resistenzproblematik?“ legten Vertreter aus der Pharmaindustrie, dem Bundestag, dem BMG, einem Krankenkassenverband und der Ärzteschaft ihre Standpunkte dar. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH.

Bei den Antibiotika ist die Anzahl der entdeckten neuen Wirkstoffe und Wirkmechanismen seit Jahren rückläufig. Weltweit werden nur wenige neue Antibiotika zugelassen. Gibt es in Deutschland und Europa ausreichend Anreize für die pharmazeutische Industrie für Innovationen auf diesem Sektor? Nach Ansicht von Thomas Müller, Leiter der Arzneimittel-Abteilung 1 des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), ist dies nicht der Fall. „Wir beobachten zurzeit eine sehr starke Ausrichtung auf die Onkologie. In den Pipelines der Hersteller liegt der Anteil der onkologischen Wirkstoffe bei über 50 Prozent, während andererseits viele Firmen aus der Antibiotikaforschung ausgestiegen sind. Ich glaube, da haben wir, insbesondere in den reichen Ländern, Nachholbedarf, entsprechende Anreize zu setzen.“

Dies bestätigte auch Dr. Robert Welte, GlaxoSmithKline GmbH & Co.KG (GSK): „Mit AstraZeneca, Novartis und Sanofi sind seit 2016 drei große Hersteller aus der Antibiotikaforschung ausgestiegen. GSK ist eines der wenigen großen forschenden Pharmaunternehmen, die weiterhin in diese Forschung investieren.“

Hohe Entwicklungskosten versus geringes Umsatzpotenzial

Ein Grund für die Zurückhaltung der Firmen in die Antibiotikaforschung zu investieren, ist das zu erwartende geringe Umsatzpotenzial. Denn ein Antibiotikum mit einem innovativen Wirkstoff wird in der Regel als Reservemittel eingestuft und demzufolge nur selten eingesetzt. Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH, verwies auf eine Aktualisierung des GKV-Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-AMVSG), die im Mai 2017 in Kraft getreten ist. Danach können Reserveantibiotika von der Zuordnung zu Festbetragsgruppen ausgeschlossen werden. Auf das Reserveantibiotikum Linezolid, Mittel der ersten Wahl bei Vancomycin-resistenten Bakterien, wurde diese Regelung dennoch nicht angewendet, da es sich um eine „Kann-Bestimmung“ handelt. Deshalb hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) alle Linezolid-Darreichungsformen in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst. Die Folge: der Hersteller nahm das Granulat zur Herstellung einer flüssigen Darreichungsform vom Markt. 

„Muss denn hier der Gesetzgeber nicht nachstellen und dafür Sorge tragen, die Resistenzsituation zu berücksichtigen? Soll man Antibiotika von den Festbetragsregelungen ausnehmen?“, fragte Kortland. Alexander Krauß, Mitglied des Bundestages (CDU), stellte fest, dass über diese Problematik noch diskutiert werden müsse. Auch über die Möglichkeit, Antibiotika im Zuge des AMNOG-Verfahrens generell einen Zusatznutzen zuzuordnen, sollte man sprechen. „Bei Antibiotika wie bei allen Arzneimitteln geht es ja nicht darum, mehr zu verkaufen. Es ist wie bei der Feuerwehr: Da ist es uns auch am liebsten, wenn sie keinen Einsatz hat. Aber trotzdem wird sie vorgehalten.“



Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

VIRALE Atemwegserkrankungen

von Hermann Eiken am 22.11.2019 um 15:51 Uhr

Ja, leider haben Sie geschrieben, sehr geehrte Frau Dr. Bruhn, zu 90 % seien Atemwegsinfekte bakteriell ausgelöst, obwohl Sie VIRAL schreiben wollten. ---
Ja, und darum muss man wirklich nicht so oft Antibiotika einsetzen.
Ein Weg wäre,-- um Antibiotika zu sparen,-- daher, bewährte und geprüfte Phytotherapeutika vermehrt einzusetzen. Diese sollten dann aber auch wieder in den Leistungskatalog aufgenommen und von den Krankenkassen bezahlt werden. Leider sind die apothekenpflichtigen Arzneimittel durch die Preisfreigabe und den Versand 2004 trivialisiert worden. Vielleicht sieht die Politik den Fehler endlich ein. Es sollte wieder feste Preise geben und eine allgemeine Erstattung durch die Krankenkassen. Einige KK haben ja schon Teilerstattungen in ihren Satzungsleistungen. Das ist aber zu wenig!

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AW: VIRALE Atemwegserkrankungen

von Claudia Bruhn am 25.11.2019 um 10:02 Uhr

Lieber Herr Eiken, vielen Dank, dass Sie diesen Schreibfehler entdeckt haben - richtig ist natürlich: So gebe es noch zu viele Antibiotikaverordnungen bei Atemwegsinfekten, die bekanntlich zu 90 Prozent durch Viren verursacht werden.

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