Arzt-Telefonate, E-Rezepte, TI-Anbindung

Internet-Notstand auf dem Land – Apotheke im Notfall schwer erreichbar

Düsseldorf - 18.12.2019, 12:20 Uhr

An vielen Orten in Deutschland werden derzeit Glasfaserkabel für schnelleres Internet verlegt. Im hessischen Ort Hirzenhain gibt es bislang allerdings keinen Glasfaseranschluss. Der Vor-Ort-Apotheker hat mit der derzeitigen Technik aber große Verbindungsprobleme. ( r / Foto: imago images / teamwork)

An vielen Orten in Deutschland werden derzeit Glasfaserkabel für schnelleres Internet verlegt. Im hessischen Ort Hirzenhain gibt es bislang allerdings keinen Glasfaseranschluss. Der Vor-Ort-Apotheker hat mit der derzeitigen Technik aber große Verbindungsprobleme. ( r / Foto: imago images / teamwork)


Die bundesweite Umstellung der Telefonie auf die Voice over IP-Technik durch die Telekom, also Telefonieren über das Internet, bedeutet für viele ländliche Gegenden einen Rückfall in die 90er-Jahre. Apotheker Thomas Löhner, der im hessischen Hirzenhain seine Hirsch-Apotheke betreibt, berichtet vom Telefonie- und Internetchaos und fürchtet „das Schlimmste“, wenn es um zukünftige E-Rezepte geht.

Ziemlich genau in der Mitte zwischen Frankfurt am Main, Gießen und Fulda liegt die hessische 2800-Einwohner-Gemeinde Hirzenhain im Wetteraukreis. Doch die nur rund 65 Kilometer zu den großen Städten dehnen sich im Informationszeitalter zu gefühlten Lichtjahren – wobei Licht ein gutes Stichwort ist. Denn die schnelle Informationsübertragung per Licht durch Glasfaserkabel gibt es hier nicht.

Bis zur Umstellung der Telefonie durch die Telekom von analog auf digital über das Internet, der sogenannten Voice over IP (VoIP)-Technik, war das noch nicht so schlimm. Denn: Das Internet funktioniert auch über Kupferkabel, nur eben langsamer. Doch seit der Umstellung funktioniert vieles nicht mehr so reibungslos. „Wenn im Notdienst Telefonate von der Telefonanlage auf meinen privaten Anschluss umgestellt werden, brechen die von jetzt auf gleich ab“, berichtet Apotheker Thomas Löhner, der in Hirzenhain die Hirsch-Apotheke betreibt.

Zwei Telefonate gleichzeitig über die Telefonanlage seien praktisch nicht möglich. Oft müsse er dienstliche Telefonate von privaten Handy aus zu Ende führen. „Dass die Telekom überall, auch auf dem Land die Telefonie auf VoIP umstellt, ist gar nicht richtig durchdacht“, sagt der Apotheker. Dazu fehle wie in Hirzenhain die notwendige Infrastruktur. „Als ich mich mehrfach bei der Telekom beschwert habe, hat man mir erklärt, das läge halt an der Kapazität der Kupferkabel“, sagt er. Das sei schlimmer als in der 90er-Jahren, als man zum Telefonieren erst einmal aus dem Internet gehen musste.

Flaschenhals der Leitungskapazität merkbar

Dazu sei der lange Ärger mit Technikern der Telekom und von dem Unternehmen beauftragten Sub-Unternehmern gekommen, bis die alternativlose Umstellung überhaupt vollzogen worden sei. Da habe anfangs überhaupt nichts funktioniert, sagt Löhner.

Besonders häufig gebe es die Probleme mit dem Telefon, wenn die Kapazitäten der Internetleitung merklich ausgeschöpft würden. „Nachmittags oder in den Ferien, wenn die Jugendlichen online spielen oder Filme streamen, merkt man den Flaschenhals“, sagt der Apotheker.

Besonders ärgerlich findet Löhner dabei, dass das Kommunikationsunternehmen ihm, als er nach der Ankündigung der Umstellung nachgefragt habe, versichert habe, dass mit dem Telefonieren auch mit der Umstellung „alles problemlos laufen werde“. Und dass man jedes Mal, wenn man beim Kundendienst anrufe, jemand anderes dran habe, sei ein weiteres Ärgernis.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Zum Umstellen auf Voice over IP

von Olaf Klietsch am 23.12.2019 um 22:00 Uhr

durch die Telekom könnte ich ähnliche Erfahrungen beisteuern...unser Glück war ein vorhandener Kabelanschluß und der damit mögliche Anbieterwechsel. Ich fürchte das es diese Möglichkeit nicht für den betroffenen Kollegen gibt. Über das was passieren wird wenn die ganze Technik die am Internet hängt ausfällt denken wir am besten nicht nach. Damit wären wir auch die Einzigen die natürlich gegen den Strom schwimmen und den Fortschritt aufhalten...

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Internet & Co

von J.M.L. am 18.12.2019 um 18:39 Uhr

Alles auf eine Technologie zu setzen ist - auch wenn ich mich wiederhole - grob fahrlässig! Zuerst muss die Infrastruktur stehen, alle zur notfallmäßigen Grundversorgung notwendigen Institutionen (Ärzte, Apotheken, etc., etc.) müssen mehrfach redundant an das künftig nur noch einzig verfügbare Medium Internet angebunden sein, darunter verstehe ich (wie bei einem Notstromaggregat) verschiedene unabhängig voneinander funktionierende Internetzugänge, die bei Netzverlust automatisch (!) auf einen anderen Anbieter wechseln. Erst wenn diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, kann man guten Gewissens die alten Telefonkabel kappen, MSV3 einführen, Securpharm vorschreiben, das E-Rezept einführen, u.s.w.
Alles andere ist grob fahrlässig, in höchstem Maße gefährlich und kann unsere Gesellschaft von heute auf morgen ins Chaos stürzen. Leider sitzen in geschätzt mind. 95% der Entscheidungsträger-Sessel nur Flaschen !

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Der Skandal ist noch weit schlimmer ...

von Ralf SchabikDr. am 18.12.2019 um 18:27 Uhr

Im Schlepptau der Umstellungsproblematik ist nicht nur die Telefonie betroffen ! Bei uns kommen seit Monaten ca. 70 % der Telefaxe gar nicht oder nur teilweise an. Lebensgefährlich, wenn es sich um wichtige Kommunikation zu Medikationsproblemen handelt. Mail passt leider vielen Praxen nicht in den "Workflow", also sind wir auf das Fax angewiesen. Auch Alarm- und andere Meldeanlagen sind wichtiger Funktionen beraubt.
Auch bei uns interessiert das NIEMANDEN ... nach anfänglichem Leugnen seitens der Magenta-Leute wird mittlerweile sogar eingeräumt, dass wir in Deutschland weit von den Fähigkeiten von Entwicklungsländern entfernt sind. Aber das hilft niemandem weiter ...
Tja ... aber Hauptsache, die Streaming-Dienste werden werden forciert ...
ZUM KOTZEN !

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