Ungerechtfertigter Antibiotikaeinsatz

US-Studie: 43 Prozent aller Antibiotika-Verordnungen sind unangemessen

Remagen - 13.01.2020, 08:59 Uhr

Einer Studie zufolge werden zu viele Antibiotika gänzlich ohne Angabe einer Indikation verordnet. Vor allem bei älteren Männern mit chronischen Erkrankungen erfolgt der Griff zum Antibiotikum-Rezept schnell. ( r / Foto: DW labs Incorporated / stock.adobe.com)

Einer Studie zufolge werden zu viele Antibiotika gänzlich ohne Angabe einer Indikation verordnet. Vor allem bei älteren Männern mit chronischen Erkrankungen erfolgt der Griff zum Antibiotikum-Rezept schnell. ( r / Foto: DW labs Incorporated / stock.adobe.com)


Allerorten wird über den übermäßigen und unangemessenen Einsatz von Antibiotika geklagt. Eine umfangreiche US-amerikanische Studie hat repräsentative Praxisdaten dahingehend analysiert, wie groß das Ausmaß der Fehlverordnungen tatsächlich ist, und zwar auf der Basis der Indikationen, die die Ärzte als Grund dafür dokumentiert haben. Bei dieser Gelegenheit haben sie auch noch einige interessante Begleitfaktoren für ungerechtfertigte Antibiotikarezepte zutage gefördert.

Die unangemessene Verschreibung von Antibiotika ist auch in den USA ein großes Problem. Antimikrobielle Therapien gelten dort mit schätzungsweise 836 Verordnungen pro 1000 Menschen im Jahr 2016 in der ambulanten Versorgung als extrem häufig. Erhebungen haben gezeigt, dass mehr als 30 Prozent der Antibiotika-Verschreibungen im ambulanten Sektor nicht angebracht sind.

Ein Wissenschaftler-Team aus dem US-Bundesstaat Oregon hat nun in einer umfangreichen Studie eine landesweite Bestandsaufnahme zu Antibiotika-Verordnungen durchgeführt und darüber hinaus die Faktoren analysiert, die in der ambulanten Versorgung bei ungerechtfertigten Verschreibungen eine Rolle spielen könnten. Ihre Ergebnisse wurden im British Medical Journal (BMJ) publiziert. „Sechzig Prozent der Ausgaben für Antibiotika stammen aus der ambulanten Versorgung“, sagt der Leitautor der Studie, Michael J. Ray, Wissenschaftler am College of Pharmacy der Oregon State University. „90 Prozent der Antibiotika kommen dort zum Einsatz. Darauf müssen wir uns erheblich mehr fokussieren, damit wir die Stewardship-Bemühungen wirksamer unterstützen können“, erklärt Ray die Motivation der Autoren.

Repräsentative Daten aus der gesamten USA

Basis für ihre Querschnittsstudie waren Daten aus dem National Ambulatory Medical Care Survey (NAMCS), einer jährlichen nationalen Erhebung des National Center for Health Statistics. Die Ärzte nehmen hierfür an einer automatisierten Umfrage teil, in der eine repräsentative Stichprobe von Patientenbesuchen während eines bestimmten Berichtszeitraums beschrieben wird. Aus einer Grundgesamtheit von schätzungsweise 990,8 Millionen Patientenbesuchen im Rahmen der primären ambulanten Gesundheitsversorgung im Jahr 2015, analysierten die Wissenschaftler aus Oregon alle 28.300 Stichprobenbesuche mit einer Antibiotika-Verordnung und bewerteten diese dahingehend, ob dafür eine geeignete Indikation vorlag oder nicht. Als Basis dienten die offiziellen Diagnosecodes für bakterielle Infektionen oder andere Krankheiten, für die Antibiotika häufig verschrieben werden. NAMCS meldete aus den relevanten Stichproben bis zu fünf solcher ICD-9-CM-Codes.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Infektionen der Atem- und Harnwege

Die Top-Diagnosen bei Antibiotika

Wie sich Off-Label-Verordnungen besser verhindern lassen

Fluorchinolon-Warnung: „Schwere langanhaltende ­Nebenwirkungen möglich“

Weniger Antibiotika dank besserer Kommunikation

Vdek stellt Ergebnisse der RESIST-Studie vor

Antibiotika-Report der DAK-Gesundheit

Antibiotika: Mehr Aufklärung nötig

Mit dem Antibiotic-Stewardship-Programm zu einer rationalen Antibiotika-Therapie

ABS für Antiinfektiva

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.