Kommentar

Ist das Belegesammeln reine Schikane?

Stuttgart - 15.01.2020, 06:59 Uhr

Die Kasse weiß über jede Zuzahlung Bescheid, über die App der TK kann man sich davon leicht überzeugen.  ( r / Foto: DAZ.online)

Die Kasse weiß über jede Zuzahlung Bescheid, über die App der TK kann man sich davon leicht überzeugen.  ( r / Foto: DAZ.online)


Kassen verlangen von ihren Versicherten, die sich von der Zuzahlung befreien lassen wollen, nicht nur Belege über alle geleisteten Zahlungen – nein, diese müssen auch noch mit den Namen des Versicherten versehen sein. So wollen es die Kassen. Doch warum eigentlich? Schließlich wissen sie doch ohnehin über jede geleistete Zuzahlung Bescheid. Die unnötige Zettelflut macht allen Beteiligten Arbeit und erweckt den Eindruck, dass man es den Patienten nur möglichst schwer machen will, findet DAZ.online-Chefredakteurin Julia Borsch.  

Wer sich von der Zuzahlung befreien lassen möchte, hat mehrere Möglichkeiten: Entweder er überweist gleich zu Jahresbeginn die Summe, die seiner individuellen Belastungsgrenze entspricht, und erledigt somit alle Zuzahlungen auf einmal. Das ist für Patienten, die wissen, diese Grenze sicher zu erreichen, sicherlich die bequemste Variante, erfordert aber natürlich auch diese Summe auf einmal zur Verfügung zu haben. Eine Alternative ist die Kundenkarte der Stammapotheke, die einem jederzeit eine Übersicht über die geleisteten Zuzahlungen zur Vorlage bei der Kasse ausdruckt. Und Variante Nummer drei: Man sammelt in bester Eichhörnchenmanier fleißig Belege bis die Belastungsgrenze erreicht ist und beantragt dann damit die Befreiung. Diese Belege erkennt die Kasse allerdings nur an, wenn sie mit dem Namen des Versicherten versehen sind. 

Im Zusammenhang mit der Bonpflicht und möglichen Datenschutzbedenken ist die Diskussion aufgekommen, ob es wirklich eine Rechtsgrundlage für diese Forderung der Kassen gibt. Die Apothekerkammer Berlin kann diese jedenfalls nicht erkennen. Die Kassen erklären hingegen, dass sie wissen müssen, für wen eine Zuzahlung angefallen ist. Der Grund für die Personalisierung liege darin, den Missbrauch von Leistungen zu verhindern, erklärt beispielsweise eine Sprecherin der TK.

Die Kasse weiß alles

Die Sache ist nur: Warum eigentlich der Aufwand? Die Kassen wissen doch ohnehin genau, für wen eine Zuzahlung angefallen ist. Bei vielen Kassen kann man sich als Versicherter sogar leicht selbst ein Bild davon machen, bei der TK zum Beispiel über die App. Dort findet man alle Verordnungen der letzten Jahre, inklusive Preis, geleisteter Zuzahlung und sogar der Apotheke, in der das Rezept eingelöst wurde. Dass die Kasse auf diese Informationen nicht zugreifen kann, ist mehr als unwahrscheinlich. Das heißt, bei einem nicht personalisierten Bon wäre es ein Leichtes zu sehen, ob die betreffende Person wirklich zugezahlt hat. Doch selbst das ist eigentlich überflüssig. Denn auch ohne jeglichen Bon kennt die Kasse jede Zuzahlung. Ein Hinweis des Patienten, dass die Belastungsgrenze erreicht ist, könnte also eigentlich ausreichend sein. (Noch schöner wäre natürlich ein Hinweis der Kasse, dass die Zuzahlungen sich auf so und so viele Euro belaufen und, wenn das Haushaltseinkommen unter einer bestimmten Summe liegt, die Belastungsgrenze jetzt erreicht sei. Aber soweit wollen wir mit den Wünschen jetzt nicht gehen.)

Warum dann dieser Aufwand? Arbeitsersparnis oder abwälzen der Arbeit auf die Apotheken, die diesen Wunsch umsetzen, kann es kaum sein. Schließlich muss man davon ausgehen, dass die bergeweise eingereichten Bons kontrolliert und archiviert werden müssen. Aus den gespeicherten Daten hingegen ließen sich die geleisteten Zuzahlungen einfach per Mausklick und somit deutlich leichter ermitteln. Daher liegt der Verdacht nahe, dass es den Patienten möglichst schwer gemacht werden soll, die Zuzahlungsbefreiung zu beantragen.Und das ist von allen möglichen Gründen für den Bonwahn wohl der schlechteste. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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7 Kommentare

Auch wenns nix nützt...

von R. Schwan am 21.01.2020 um 19:47 Uhr

Hallo Frau Borsch,

das war vor ca. 15 Jahren. Rezepte wurden abgerechnet und Kassenquittungen von uns nochmal mit Zusatz des Namens quittiert. Ein Prozent oder auch zwei des Bruttojahreseinkommens, je nach dem ob chronisch krank oder nicht. Das war das Befreiungskriterium.
Die nicht mehr so rüstige Frau Meier in der Apotheke hat sich also die Quittung nochmal quittieren lassen. Und ich hab den Bereich Apotheke verlassen in dem Wissen, dass die wirklich Schwachen in dem System verlieren und ich der Sekundant war.
Change it, love it or leave it - gilt wohl auch hier.

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Abzocke an jeder Stelle

von ratatosk am 16.01.2020 um 8:40 Uhr

Man braucht nicht argumentieren, da es offen für jeden darliegt, daß es nur eine schmierige Abzocke, gerade unserer schwächeren Mitbürger ist, die eben mit dem Papierkrieg größere Probleme haben. - Hey ! ist doch wie mit Kaisers neuen Kleidern - jeder !! weiß was läuft !
Solange die Politik es deckt wird es laufen, wenn die pharmafeindliche Presse es mal aufgreifen würde, würde es schnell beeendet, da die Politikdarsteller schlechte Presse fürchten.

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Zuzahlungen Rabattarzneimittel

von Knoche am 16.01.2020 um 7:26 Uhr

Da die Erstattungspreise für Rabattarzneimittel geheim sind, stellt doch mir die Frage: Ist es rechtens
Zuzahlung zu kassieren, wenn der Erstattungspreis
geringer als die Zuzahlung ist ?
Ist die Apotheke rechtlich auf der sicheren Seite oder klagt eine findige Kasse bei Bedarf?

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Schikane?

von Lars Janzen am 15.01.2020 um 21:45 Uhr

Ja, den Versicherten den Weg zur Zuzahlungsbefreiung so schwer wie möglich zu machen, ist sicherlich der eine Gedanke dieser Regelung. Der andere unausgesprochene dahinter ist aber schlicht eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für zig Kassenmitarbeiter! Die Bürokratie erschafft sich ihren Sinn und ihre Arbeit selbst, und die über 100 gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland sind hierfür ein leuchtendes Beispiel...

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Das Fass ist größer

von Bernd Jas am 15.01.2020 um 10:13 Uhr

Das war einen Super-Borsch wert.
Da haben sie ja ein schönes Fass aufgemacht Frau Borsch.
Ich weiß auch nicht was diese (ich nenn sie mal) Menschen sich dabei denken. und wo die noch leben. Sicher nicht im digitalen Zeitalter mit dem sich die meisten dieser Kreaturen rühmen. Die Digitalisierung für ihre Zwecke nutzen, das können sie, aber diese FÜR die Versicherten (Bevölkerung) nutzen geht ja an jedem dieser "verschmachten" Hirne vorbei.
Es geht noch weiter!
Nicht nur intern die Zuzahlungen die Zuzahlungsgrenzen zu erfassen ist ja möglich, nein auch die automatische Befreiung einzurichten ist ja dann logischer Weise ein muss für die Patienten.
So wie es jetzt läuft ist das Gegenteil der Fall.
Da bekommt die Bezeichnung SOZIALGESETZ mal wieder den richtigen Orwell´schen anstrich.
Im "lieben" Tagebuch erwähnte ich ja bereits, das da noch mehr drin steckt. Nämlich den gesamten Bullshit der Zuzalungsmasschiene über den Haufen zu werfen!
Was machen wir eigentlich noch mit diesem lästigen Schmier unterm Schuh? Immer weiter so wie in den letzten vierzig Jähren? Trotz Digitalisierung, Einzugsermächtigungen, Lastschriftverfahren und Kenntnis aller Zipperlein der Zersicherten, legen die Macher immer noch besonderen Wert darauf alle sinnlos in rege, aufgeregte, aber enorm "wichtige" Beschäftigung zu versetzen, statt den Fortschritt zu nutzen und den Menschen von solch überflüssigen Tätigkeiten die auch noch viel Arbeit und Zeit kosten (hier wieder Bullshit) zu befreien.
Was da aber wahrscheinlich verloren geht ist die falsche und wohlgehütete Autorität der obrigkeitsdenkenden. Sie müssten sich dann endlich in unbequemer Weise auch über ihre eigentliche Aufgabe bewusst werden.
Nämlich die Bevölkerung da zu sein.

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Schwer zu verstehen.

von Michael Mischer am 15.01.2020 um 9:22 Uhr

Man fragt sich, ob es wirklich Schikane ist (cui bono?) oder schlicht Verschnarchtheit. OIch vermute letzteres. Und dann kommt natürlich der Abwehrreflex...

Die DAZ verlinkt hier einen Artikel aus den Jahr 2017, in dem das 40-jährige Jubiläum der Zuzahlung begangen wurde. Ich weiß nicht, ab wann die Zuzahlungsbefreiung möglich wurde - aber vor 40 Jahren saßen die Kassen sicher noch nicht auf elektronisch auswertbaren Verordnungsdaten. Vielleicht war der Name auf der Quittung damals gerechtfertigt - und es hat schlicht keiner geändert? Und jetzt will es keiner zugeben?

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Die Antwort lautet : Ja

von Mathias Mallach am 15.01.2020 um 9:12 Uhr

Und vielleicht sollte man das jetzt mal endlich den Kassen persönlich auf´s Brot schmieren.
Ich wüßte nicht, wie man sich da noch rausdiskutieren könnte.
Also, liebe Kassenfuzzis, hört endlich auf mit dem Beschiss !

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