Statt Ibuprofen und Co.

Paracetamol bei Leberzirrhose ist „sicher“

Stuttgart - 04.02.2020, 11:30 Uhr

Alkoholkonsum soll oft übersehen werden, obwohl die alkoholische Lebererkrankung die häufigste Lebererkrankung ist und Alkohol den Medikamentenstoffwechsel nachhaltig beeinflussen kann. (Foto: Sonja Birkelbach / stock.adobe.com)

Alkoholkonsum soll oft übersehen werden, obwohl die alkoholische Lebererkrankung die häufigste Lebererkrankung ist und Alkohol den Medikamentenstoffwechsel nachhaltig beeinflussen kann. (Foto: Sonja Birkelbach / stock.adobe.com)


Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) macht seit vergangenem Donnerstag darauf aufmerksam, dass das Vorliegen einer Leberzirrhose „den Stoffwechsel und die Dosis-Wirkungsbeziehung von verabreichten Arzneimitteln verändern und das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen“ kann. Welche Arzneimittel dabei als „sicher“ oder „nicht sicher“ gelten, verraten evidenzbasierte Empfehlungen einer niederländischen Arbeitsgruppe.

„Krankheiten der Leber entstehen über viele Wege, zum Beispiel durch häufige oder sehr seltene metabolische Störungen, Infektionen oder Entzündungen, Parasiten, autoimmune Reaktionen, Probleme der Durchblutung oder des Galleflusses“, war im Mai 2019 in der Medizinischen Monatsschrift für Pharmazeuten (MMP) zu lesen. Dort war ein Auszug aus dem Kapitel „Krankheiten der Leber“ aus dem Buch „Medizin für Apotheker“ abgedruckt worden. Demnach verlaufen, unabhängig von der Ursache, alle Leberkrankheiten über die Stadien Fettleber und Entzündung zur Fibrose/Zirrhose – über einen langen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren. 

Die Leberzirrhose ist potenziell lebensbedrohlich und wird auch heute noch oft übersehen. Genauso wird Alkoholkonsum oft übersehen, obwohl die alkoholische Lebererkrankung die häufigste Lebererkrankung ist und Alkohol den Medikamentenstoffwechsel nachhaltig beeinflussen kann.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) macht nun seit dem vergangenen Donnerstag im Zusammenhang mit der Leberzirrhose darauf aufmerksam, dass deren Vorliegen „den Stoffwechsel und die Dosis- Wirkungsbeziehung von verabreichten Arzneimitteln verändern und das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen“ kann.

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Anlass für diese „Drug Safety Mail“ der AkdÄ bieten evidenzbasierte Empfehlungen, die eine niederländische Arbeitsgruppe erarbeitet hat. Doch deren Empfehlungen sind bislang größtenteils nur auf Niederländisch und zu einem kleinen Teil auf Englisch online verfügbar, schreibt die AkdÄ. Sie würde es begrüßen, wenn die Empfehlungen auch auf Deutsch online zur Verfügung stünden. In den Niederlanden seien die Empfehlungen sogar in die Verordnungssoftwaresysteme in Apotheken und Allgemeinarztpraxen integriert.

Worauf kann man bei Leberzirrhose in der Apotheke achten?

Selbst beim Arzt – und noch mehr in der Apotheke – ist es nicht leicht, Patienten mit Leberschäden zu erkennen. Laut dem in der MMP 5/2019 erschienenen Artikel, handelt es sich bei fortgeschrittener Zirrhose oft um untergewichtige Patienten mit allerdings unspezifischer Symptomatik wie Leistungsschwäche, Meteorismus, Flatulenz, Obstipation und Druckgefühl in der Lebergegend. Auch Gynäkomastie und Aszites könnten einem in der Apotheke ins Auge fallen. Ikterische Skleren, Lackzunge, Hämorrhoiden und Ödeme könnten weitere klinische Zeichen sein, von denen der Patient berichtet.

Ursächlich für die Veränderungen der Pharmakodynamik und -kinetik durch die Zirrhose wiederum ist laut AkdÄ vor allem ein verminderter hepatischer First-Pass-Effekt durch den veränderten Blutfluss durch die Leber sowie eine verminderte Aktivität von arzneimittelmetabolisierenden Enzymen. Aber auch Hypalbuminämie könne durch geringere Proteinbindung zu höheren Serumspiegeln von Arzneimitteln führen. Die Aszites bedingt außerdem ein höheres Verteilungsvolumen und die Aufnahme von Arzneimitteln kann durch eine portale Hypertension verändert sein. „Darüber hinaus kann eine gestörte biliäre als auch renale Ausscheidung von Arzneimitteln bzw. deren Metaboliten zu erhöhten Serumspiegeln von Arzneimitteln führen.“

Werden dann beispielsweise spezifische Dosisempfehlungen nicht beachtet, könnte sich die Nierenfunktion verschlechtern, es könnten gastrointestinale Blutungen auftreten oder eine hepatische Enzephalopathie könnte induziert oder verschlechtert werden.

Laut der DAZ 45/2012 unterscheidet man (grob) zwei Arten von hepatotoxischen Reaktionen:

  • Die idiosynkratische Form der Leberschädigung ist nicht dosisabhängig und nicht vorhersagbar. Sie kann fünf bis 90 Tage nach der ersten Einnahme des Präparats auftreten und schwerwiegende Folgen haben.
  • Als typisches Beispiel für intrinsische Reaktionen wird Paracetamol genannt. Das bedeutet, die Reaktionen sind dosisabhängig und relativ gut voraussagbar. Zugrunde liegen reaktive Metabolite, die durch Cytochrom-P450-Aktivität entstehen und bei hohen Dosierungen durch Glutathion nicht ausreichend „entgiftet“ werden können.

Demgegenüber soll das Risiko für eine arzneimittelbedingte „idiosynkratische Hepatotoxizität“ bei einem Patienten mit Leberzirrhose nicht höher als bei einem Patienten mit gesunder Leber sein. Jedoch könnten die Folgen einer solchen zusätzlichen Leberschädigung für einen Patienten mit Leberzirrhose schwerwiegender sein.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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